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Die Äbtissin von Castro. Stendhal
Читать онлайн.Название Die Äbtissin von Castro
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Stendhal
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
„Mein Gefährte sagte dem Grafen, daß es gut wäre, solange zu warten, bis die Herzogin niederkäme; sie ist seit sechs Monaten schwanger,“ fügte er hinzu, „und man sollte die Seele des armen unglücklichen Kleinen retten, den sie in ihrem Schoß trägt; man muß ihn taufen.“
Worauf der Graf d'Aliffe antwortete:
„Ihr wißt, daß ich nach Rom gehen muß, und ich will dort nicht mit dieser Maske vor dem Gesicht erscheinen.“ Mit dieser ungesühnten Schmach wollte er damit sagen.
Kaum war die Herzogin tot, als die beiden Kapuziner darauf bestanden, daß man die Leiche ohne Verzug öffne, um das Kind zu taufen; aber der Graf und Don Leonardo hörten nicht auf ihre Bitten.
Am nächsten Tag wurde die Herzogin in der Kirche des Orts mit einigem Gepränge bestattet. Ich habe den amtlichen Bericht darüber gelesen. Dieses Ereignis, dessen Kunde sich sofort verbreitete, machte wenig Eindruck; man hatte es schon seit langem erwartet; man hatte schon mehrere Male die Nachricht von diesem Tod in Gallese und in Rom verkündet und außerdem war ein Mord außerhalb der Stadt und zu einer Zeit, wo der h. Stuhl frei war, gar nichts Besonderes. Das Konklave, welches auf den Tod Paul IV. folgte, war sehr stürmisch; es dauerte nicht weniger als vier Monate.
Am 26. Dezember 1559 war der Kardinal Carlo Carafa genötigt, bei der Wahl eines Papstes mitzuwirken, welcher von Spanien vorgeschlagen worden war und folglich allen strengen Maßnahmen willig zustimmen mußte, die Philipp II. gegen ihn, Kardinal Carafa, verlangen würde. Der Neuerwählte nahm den Namen Pius IV. an.
Wenn der Kardinal zur Zeit, als sein Oheim starb, nicht verbannt gewesen wäre, hätte er auf die Wahl Einfluß gehabt oder zum mindesten hätte er die Ernennung eines Feindes verhindern können.
Kurz darauf verhaftete man den Kardinal wie den Herzog; der Befehl Philipp II. ging offenbar dahin, sie zugrunde zu richten. Sie hatten sich gegen vierzehn Hauptanklagepunkte zu verantworten. Man verhörte auch alle, die über diese vierzehn Punkte hatten Aufklärung geben können. Dieser ausgezeichnet geführte Prozeß macht zwei Foliobände aus, die ich mit großem Interesse gelesen habe, weil man dort auf jeder Seite Schilderungen von Sitten trifft, welche die Historiker der Erhabenheit der Geschichte nicht würdig fanden. Ich habe dort sehr merkwürdige Einzelheiten über einen Mordanschlag verfolgen können, der von der spanischen Partei gegen den Kardinal Carafa versucht wurde, als er noch allmächtiger Minister war.
Übrigens wurde er und sein Bruder wegen Verbrechen verurteilt, die für andere keine gewesen wären, zum Beispiel: den Liebhaber einer untreuen Frau getötet zu haben und diese Frau auch. Einige Jahre später heiratete der Fürst Orsini die Schwester des Großherzogs von Toscana; er glaubte, daß sie ihm untreu sei und ließ sie in Toscana selbst unter Zustimmung ihres Bruders des Großherzogs vergiften und niemals wurde ihm das Verbrechen angerechnet. Auch mehrere Fürstinnen aus dem Hause Medici sind so gestorben.
Als der Prozeß der beiden Carafa beendet war, machte man einen langen Auszug davon, der zu wiederholten Malen von den Kongregationen der Kardinäle geprüft wurde. Nachdem man einmal übereingekommen war, den Mord, der den Ehebruch rächte, mit dem Tode zu bestrafen – eine Art Verbrechen, mit dem das Gericht vordem sich nie befaßt hatte – ist es nur zu klar, daß der Kardinal schuldig war, seinen Bruder zum Verbrechen angestiftet zu haben, wie der Herzog schuldig, weil er es ausführen ließ.
Am 3. März 1561 hielt Papst Pius IV. ein Konsistorium, das acht Stunden dauerte und bei dessen Schluß er das Urteil über die Carafa in folgender Weise sprach: Prout in schedula – Es möge nach dem Gesetze geschehn.
In der Nacht des folgenden Tages schickte der Fiskal den Borgelloführer der Sbirren nach der Engelsburg, um das Todesurteil an den beiden Brüdern, Carlo, Kardinal Carafa und Giovanni, Herzog von Palliano, vollstrecken zu lassen. So geschah es. Man nahm zuerst den Herzog vor. Er wurde von der Engelsburg in das Gefängnis von Tordinone überführt, wo alles vorbereitet war, denn dort wurden dem Herzog, dem Grafen d'Aliffe und Don Leonardo del Cardine der Kopf abgeschlagen.
Der Herzog ertrug diese schrecklichen Augenblicke nicht nur wie ein Mann von hohem Adel, sondern er war auch als Christ bereit, alles aus Liebe zu Gott zu erdulden. Er richtete schöne Worte an seine beiden Gefährten, um sie auf den Tod vorzubereiten; dann schrieb er an seinen Sohn.
Der Bargello kehrte zur Engelsburg zurück; er kündigte dem Kardinal Carafa den Tod an und gab ihm nicht mehr als eine Stunde Zeit, um sich vorzubereiten. Der Kardinal zeigte eine Seelengröße, welche die seines Bruders noch übertraf, um so mehr als er weniger Worte sagte; Worte sind immer eine Kraft, die man außer sich selbst sucht. Man hörte ihn, bei der Ankündigung der schrecklichen Neuigkeit, nur mit leiser Stimme sagen:
„Ich sterben? Oh, Papst Pius! Oh, König Philipp!“ Er beichtete; er rezitierte die sieben Bußpsalmen, dann dann setzte er sich auf einen Sessel und sagte zu dem Henker: „Tu's!“
Der Henker erwürgte ihn mit einer Seidenschnur, die zerriß; er mußte es zweimal machen. Der Kardinal blickte den Henker an, ohne ihn eines Wortes zu würdigen.
Wenige Jahre darauf ließ der heilige Papst Pius V. den Prozeß wieder aufnehmen; er wurde ungültig erklärt; dem Kardinal und seinem Bruder wurden alle ihre Ehren wieder verliehen und der Generalprokurator, der am meisten zu ihrem Tode beigetragen hatte, wurde gehenkt. Pius V. verfügte die Unterdrückung des Prozesses; alle Kopien, die in den Bibliotheken davon existierten, wurden verbrannt; es wurde bei Strafe der Exkommunikation verboten, etwas davon aufzubewahren; aber der Papst dachte nicht daran, daß er in seiner eigenen Bibliothek eine Abschrift des Prozesses aufhob und nach dieser Abschrift sind alle die gemacht, die man heute sieht.
DIE CENCI
ÜBERTRAGEN VON M. VON MUSIL
Molières Don Juan ist ohne Zweifel galant, doch vor allem ist er ein Mann der guten Gesellschaft. Bevor er sich der unwiderstehlichen Leidenschaft überläßt, die ihn zu hübschen Frauen zieht, hält er darauf, einem bestimmten Ideal zu gleichen; er will der Mann sein, der am Hof eines galanten und geistvollen jungen Königs unumschränkt bewundert würde.
Mozarts Don Juan ist schon weit natürlicher und viel weniger französisch; er denkt weniger an die Meinung der andern über ihn, denkt nicht vor allem daran, zu scheinen, wie der Baron Foeneste d'Aubigné sagte.
Wir besitzen aus Italien nur zwei Porträte des Don Juan, so wie er diesem schönen Lande im sechzehnten Jahrhundert zu Beginn der wiedergeborenen Zivilisation erschienen ist.
Von diesen beiden Porträten kann ich das eine durchaus nicht bekanntgeben, denn das Jahrhundert ist zu prüde; man muß sich an das große Wort erinnern, das Lord Byron unzählige Male wiederholt hat: This age of cant. Diese so langweilige Heuchelei, die niemand täuscht, hat den ungeheuren Vorteil, daß die Dummen etwas zu reden haben; es entrüstet sie, daß man gewagt hat, über etwas zu sprechen; es entrüstet sie, daß man gewagt hat, über etwas zu lachen, usw. Der Nachteil ist, daß das Bereich der Geschichte dadurch unendlich verengt wird.
Hat der Leser den guten Geschmack, es mir zu gestatten, so werde ich ihm in aller Bescheidenheit eine historische Aufzeichnung über den zweiten Don Juan vorlegen, von dem es im Jahre 1887 möglich ist, zu sprechen; er hieß Francesco Cenci.
Don Juan zu ermöglichen, muß es die Heuchelei in der Welt geben. Im Altertum wäre Don Juan eine Wirkung ohne Ursache gewesen; die eher heitere Religion ermahnte die Menschen zum Genuß: wie hätte sie also jemand auszeichnen, ja verdammen können, der in einer Lust seine einzige Aufgabe sieht? Nur die herrschende Regierung sprach von Enthaltsamkeit; aber wohl verstanden, sie verbot bloß Dinge, die dem Vaterland schaden konnten, und nichts, was nur den einzelnen schädigte.
Jeder, der Geschmack an Frauen fand und reich war, konnte in Athen ein Don Juan sein, ohne daß jemand daran etwas auszusetzen gefunden hätte. Niemand nannte dies Leben ein Jammertal und daß es verdienstvoll sei, zu leiden.
Ich glaube nicht, daß der athenische Don Juan so leicht hätte zum Verbrecher werden können wie der Don Juan der modernen Welt; ein großer Teil des Vergnügens des modernen Don Juan besteht darin, die öffentliche Meinung herauszufordern, womit er schon in seiner Jugend damit beginnt, daß er sich einbildet, nur gegen die Heuchelei anzukämpfen.
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