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Geiler von Kaisersberg gesteht offen ein, dass jeder, der ein faules Leben führen und ungehindert seinen Begierden frönen wollte, sich mit der Kutte bekleidete. War doch die Gründungsursache der meisten Klöster keineswegs Frömmigkeit, sondern nichts weiter als purer Eigennutz, der darauf ausging, Sinekuren zu schaffen. »Man irrt sehr, wenn man sich vorbildet, alle Klosterstiftungen im Mittelalter seien aus purer Frömmigkeit und ohne Beimischung politischer und häuslicher Zwecke geschehen. Bei weitem hatten die meisten Stifter dabei die Absicht, zugleich für ihr Haus zu sorgen und bei zahlreicher Familie dort für einige ihrer Kinder – eheliche und Nebensprösslinge – eine ständige Unterkunft anzulegen, zumal da solche Klöster dergleichen Kinder des Geschlechts des Stifters ohne, oder nur gegen äusserst geringe, Mitgift aufzunehmen verbunden waren. Man fand daher in dergleichen Stiftungen das erspriesslichste Mittel, beide Zwecke zugleich zu erreichen; sich einesteils den Himmel zu verschaffen und andernteils sich drückender Familienbürden zu entledigen. Auch ohne Stifter zu sein, hatten grosse Klosterwohlthäter nicht selten den nämlichen Zweck, und so wusch denn auch hier gewöhnlich eine Hand die andere rein«, sagt Bodmann in seinen 1819 erschienenen »Rheingauischen Alterthümern«. So hielt man es von Karls des Grossen Zeiten her bis in die neueste Zeit. Nach innerem Beruf wurde bei den für das Kloster Bestimmten nicht gefragt; sie hatten dem elterlichen Machtspruche zu gehorchen, und sie folgten vielfach auch ganz gerne, da ihnen das Gelübde kaum einen Zwang auferlegte, und sie frei ihren Neigungen nachleben konnten:

      »Bemerket: wenn ein Edelmann

      Sein Kind jetzt nicht vermählen kann

      Und hat kein Geld ihr mitzugeben,

      So muss sie in dem Kloster leben;

      Nicht dass sie Gott sich weih' darin,

      Nur dass er sie nach seinem Sinn

      Und seiner Hochfahrt mit seinem Gut

      Versorge, wie man dem Adel thut,«

      sagt Murner. Wen aber wirklich Herzensneigung in das Kloster trieb, der wurde, wenn er nicht von ganz aussergewöhnlicher Willensstärke war, von dem unaufhaltsam dahintosenden Strome der in den Klöstern herrschenden Unmoral mitgerissen; er versank in den Strudel, gleich seinen Brüdern und that ebenso, wie sie es alle machten. Das schlechte Beispiel ging von den Kirchenfürsten selbst aus. Würdenträger, die ihren Beruf ernst nahmen und streng auf die Beobachtung der Gelübde hielten, waren weisse Raben. Einer dieser wenigen, Ferdinand von Fürstenberg, Fürstbischof von Paderborn (1661 bis 1683), ging so weit, einen Gesalbten ausstossen und hinrichten zu lassen, weil er ein ausschweifendes Leben führte.66 Die Mehrzahl der anderen hohen Herren liess sieben gerade sein, da sie es meistens noch toller trieben, als die ihnen Unterstellten.

      Bezeichnend für die sich unter dem geistlichen Habite breit machende Lasterhaftigkeit war das Treiben in den geistlichen Ritterorden. Dem Orden der Tempelherren machte bekanntlich der energische König Philipp IV. der Schöne von Frankreich ein schreckensvolles Ende. 1312 wurde gegen die Ordensbrüder die Anklage auf die gleichbedeutenden Verbrechen Ketzerei und Sodomiterei seitens des Papstes Clemens V. erhoben, die zu ihrer Ausrottung mit Feuer und Schwert führte. Glücklicher waren die sich unter gewichtigem Schutze bergenden deutschen Ritter, die »allein im Dienste ihrer himmlischen Dame Maria« stehend, den Namen der göttlichen Jungfrau auf das Gröblichste missbrauchten und unter seinem Deckmantel himmelschreiende Missethaten vollführten. Von ihren Menschenschlächtereien abgesehen, den berüchtigten »Heidenfahrten« auf wehrlose und harmlose Naturkinder, die man aus purem Sport hinschlachtete, waren sie Wüstlinge schlimmster Sorte, denen kein Laster versagt blieb. Die Bürger Marienburgs, ihrer Residenz, mussten sich wiederholt beschweren, dass kein ehrsamer Bürger abends sein Haus verlassen dürfe, ohne fürchten zu müssen, die zu Hause gelassenen Frauen und Mädchen von den Rittern auf die Hochburg geschleppt und dort gemissbraucht zu sehen. »Ein Teil der Schlossfreiheit heisst noch von der Zeit her, wo die Ritter ihr unheiliges Wesen da trieben, ›der Jungferngrund‹. Noch jetzt« – um die Mitte des 19. Jahrhunderts – »wird von jener Zeit her beim Magistrat von Marienburg die Kasse des ›Jungferngrund-Hospitals‹ verwaltet, worin zu Grunde gerichtete Frauenzimmer aufgenommen wurden. Aus den Strafakten des Marienburger Ordenshauses hat sich ergeben, dass unter dem Deckmantel der christlichen Beichte Jungfrauen und Ehefrauen systematisch verführt, Vergewaltigungen selbst an neunjährigen Mädchen von den Ordenskaplänen verübt wurden. Das Bezeichnendste, was von den auf das votum castitatis verpflichteten deutschen Ordensrittern gesagt werden kann, ist, dass der Ordensmeister Conrad von Jungingen bereits zu Ende des 14. Jahrhunderts Verbote erlassen musste, kein weibliches Tier im Ordenshause zu Marienburg zu dulden.«67

      Die Reformation fand in den Klöstern beiderlei Geschlechtes begeisterte Anhänger, die mit fliegenden Fahnen in das feindliche Lager übergingen. Namentlich in den Nonnenklöstern beeilten sich viele der Schwestern, die verhassten, drückenden Fesseln zu zerbrechen, die ihnen Familienrücksichten, Tradition und Egoismus geschmiedet, um in das weltliche Leben zurückzukehren. Wieviel heisses Ringen, was für mächtige Seelenkämpfe mögen die düsteren Zellen gesehen haben, ehe in manchem zaghaften Gemüte der Entschluss zu der für eine Frau heroischen That reifte, das gewohnte Nonnenkleid für immer abzustreifen.

      Gelang es diesen Exnonnen nicht, Unterkunft bei ihren Familien zu finden, Stellungen als Lehrerinnen zu erlangen, oder in den heiligen Ehestand zu treten, manchmal sogar, wie dies mehrfach passierte, mit dem vordem geliebten Mönch, so fielen sie dem unverhüllten Laster anheim. Nonnen der gesperrten Klöster zogen als landfahrende Dirnen einher, wenn sie nicht sofort nach Aufhebung des Klosters den Weg nach dem Bordelle eingeschlagen hatten. In Nürnberg war dies im Jahre 1526 der Fall, als die Pforten des berühmten St. Clara-Klosters für immer geschlossen und die Schwestern auf die Strasse gesetzt worden waren.

      Vom Erhabenen zum Lächerlichen, vom Kloster zum öffentlichen Hause, war schon lange vor Napoleon nur ein Schritt!

      Beilager und Ehe

      Die Ehe, dieses älteste von Naturgesetzen diktierte Verhältnis, das zwei Menschen aneinander schliesst, hat kein anderes Volk so edel aufgefasst, wie die Germanen.

      »Das Verlöbnis war ein Vertrag, durch welchen Mann und Weib sich zu einem Haushalt und Gründung einer Familie für das ganze Leben verbanden, um einander lieb zu sein über alles auf Erden, Wunsch, Willen und Besitztum gemeinschaftlich zu haben. Selbst mit dem Tode hörte die Pflicht der überlebenden Gattin nicht auf. Bei einigen Germanenvölkern war es der Frau nur einmal gestattet, in den Ring der Zeugen zu treten, vor denen sie das Gelöbnis ablegte; und es sind Spuren erhalten von noch älterer strenger Volkssitte, nach welcher die Frau den Gatten so wenig überleben durfte, wie der Gefolgmann seinen Wirt, wenn dieser in der Schlacht fiel. Das Weib des Germanen war nicht nur die Hausgebettete, die auf gemeinsamem Lager den Hals des Gatten umschlang, und nicht nur Herrin des Hauses und Erzieherin der Kinder, wie bei den Römern, sie war auch seine Vertraute und Genossin bei der männlichen Arbeit. Die Geschenke, welche der Mann ihr zu dem Gelöbnis gab, ein Joch Rinder, Speer und Ross68, waren symbolisches Zeichen, dass sie mit ihm über den Herden walten würde und als seine Begleiterin an der Feldarbeit teilnehmen, ja dass sie ihm auf dem Kriegspfade folgen sollte, in der Schlacht seinen Eifer zu stählen, seine Wunden zu rühmen, nach seinem Tod ihn zu bestatten und vielleicht zu rächen.«69

      »Der Innigkeit germanischer Ehe schadete nicht, dass sie schon in der Urzeit oft ein Familienvertrag war, der im Interesse zweier Geschlechter geschlossen wurde«, und diese Art des Ehebundes blieb in allen Ständen von der Urzeit an die vorherrschende. Die Liebe kam in zweiter Linie; trotz Freytags poetischer Verherrlichung war meist rein prosaisches Interesse die Ursache der Verheiratung.

      »Wie in heidnischer, so ist die Ehe auch in christlicher Zeit durchaus ein Geschäft zwischen dem Bräutigam und den Verwandten der Braut, wobei letztere vielfach gar nicht um ihre Zustimmung befragt wurde«70, nur trat mit der Zeit eine Wandlung dahin ein, dass der ursprünglich dem Vater oder dem Mundwalt der Braut, dem ältesten Bruder oder Vormund, übergebene Brautkauf nun der jungen Frau selbst, sei es als Morgengabe, oder als Wittum (videme)

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<p>66</p>

Dr. Ed. Vehse, Unter der Herrschaft des Krummstabes, S. 23.

<p>67</p>

Vehse, Die Deutschen Kirchenfürsten in Trier, Salzburg-Münster, S. 191 ff.

<p>68</p>

Tacitus, Germania, Cap. 18.

<p>69</p>

Gust. Freytag, Bilder a. d. d. Vergangenheit, 26. Aufl., S. 87.

<p>70</p>

Prof. Dr. J. Dieffenbacher, Deutsches Leben im 12. Jahrh., S. 120.