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Neues Altes. Peter Altenberg
Читать онлайн.Название Neues Altes
Год выпуска 0
isbn http://www.gutenberg.org/ebooks/52463
Автор произведения Peter Altenberg
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Neues Altes
Motto:
»Solche Männer und ihresgleichen sind einfach geniale Naturen, mit denen es eine eigene Bewandtnis hat; sie erleben nämlich eine wiederholte Pubertät, während andere Leute nur einmal jung sind.«
PA: Aber wie glücklich zu preisen sind die, die nur einmal jung zu sein brauchen, und dann ruhig absterben dürfen, während jene anderen Unseligen von ewigen inneren Räuschen gefoltert werden – .
»J’ai de mes tourments multiplié les causes – d’innombrables liens vont de mon âme aux choses!«
WIDMUNGEN IN MEINE BÜCHER
Fräulein H. M., immer und ewig werden die Dichter an dem fast absichtlichen »Unverständnis« geliebter, vergötterter Frauen zugrunde geh’n – . Du allein brachtest mir die volle Sicherheit, daß mein sonst so oft mißverstandenes Dasein von dir erkannt wurde, in Weisheit und in Milde, wie von Gott selbst – ! Heißt man das Liebe?! Gleichviel. Es ist die »Erlösung«, die eben keine andere bringen kann!
An Frau D. M., in unzerstörbarer Freundschaft.
Freundschaft, du immer und ewig mißbrauchtes, geschändetes Wort! Du bist »Erkenntniskraft des Gehirnes«, gemildert durch »des Herzens Wohlwollen«!
An Maria Maraviglia, spanische Tänzerin.
Leben, flüchtigstes, zerrinnendstes, kann ich dich nicht festhalten?! Ja! Durch Erinnerung, Melancholie und Ergebung ins Schicksal – .
Frau M. B. in Aachen.
Aus Fernen kam ein begeisterter Gruß – . Wie selig war ich – zwischen Aachen und Wien ist genügend Raum für die Enttäuschungslosigkeit zusammengehöriger Seelen geschaffen – !
An die Gemahlin des Herrn J. S.
Wie eine Aristokratin sehen Sie aus des 18. Jahrhunderts – . Augen voll ernster Ruhe und Noblesse, und dennoch wieder Augen der Sphinx und der Rheinnixen! Die Nase wie von urältesten Adelsgeschlechtern herstammend, sanft gebogen und dennoch stumpf abbrechend. Adlernase und Stumpfnase zugleich! So aus einer Zeit von vergangener Würde und Größe. Man sitzt neben Ihnen, betrachtet Sie, spricht ehrfurchtsvoll, wie mit keiner anderen. Man ist unter einem unerklärlichen Banne. Wie wenn man vorgestellt würde der »Kaiserin Marie Antoinette«. Man möchte zu Ihnen sagen: »Votre Altesse Royale – «. Aber man muß über die kleinen Ereignisse des Tages sprechen – . Und dabei blickst du wie eine traurige Fürstin – !
Für P. H., die »Romantikerin«.
Sie erwünschen es sich, daß ich Ihnen von meiner einsamen Landpartie im Vorfrühling Blätter ins Haus sende, in die enge Gasse der Vorstadt?! Nun, ich befestigte alles einzeln vorsichtig an silbernen Drähten, zarte, gelbgrüne Blättchen. Wie gleicht Ihr Herz doch der Vorfrühlingslandschaft – ! Man bedauert direkt, daß es bald zu greifbarer Blüte und Frucht ausreifen werde im Sonnenbrande des Lebens!
Für Gertrude Barrison, Tänzerin.
Kalt und hart scheinbar sind Sie im Leben, das alle zu leben, alle zu erleiden, alle zu ertragen haben! Aber hinter diesem »gewaltsamen Sein« schlummert den ewigen Schlaf, besiegt und längst abgestorben, die »vergrämte Idealistin«! Geschreckt von der Heimtücke des Daseins, traut sie sich nie mehr zum Vorschein – . Und nur des Dichters Auge blickt noch in Welten, über die der Sargschleier, alles verbergend, liegt – .
An Miß Bessie.
Ich hatte dich irrsinnig lieb und vergeblich – man hat immer nur irrsinnig lieb, wenn es vergeblich ist!
An Frau E. R.
Eine Welt von zärtlichster Zärtlichkeit mußte in mir ersterben, auf dein Geheiß! Auf deinen strengen unerbittlichen Wunsch! In späteren Tagen warst du sanftmütig und gütig zu mir; in späteren Tagen! Aber den »süßen Wahnsinn« hast du mir gemordet, wolltest durchaus meiner Seele endlose Welten auf ein erfaßbares Maß zurückführen; vergeblich! Stört euch »unser Wahnsinn«, so enttäuscht euch schließlich noch mehr die »normale Liebe« der anderen! Sind wir auch »übertrieben« in unserer Verehrung, sind die anderen allzu nüchtern in ihrer gesunden Gerechtigkeit!
An Else Wiesenthal.
Immer und überall im Leben vermißt man »Hoheit und Würde« und »edle Kindlichkeiten« zugleich! Aber in Ihrem Tanzen findet man es. Deshalb ist man so beglückt und erlöst und erleichtert. Was man an seiner geliebtesten Geliebten schmerzlich-melancholisch vermißt, findet man, erstaunt, gerührt, bei Ihnen! Unerbittlich und starr wird immer naturgemäß sogleich die Seele des Mannes, falls ein wertvolleres Bild vor seine Seele tritt! Ehebruch, Treuebruch, was seid ihr für nichtssagende Namen! Das »Zulänglichere« löscht einfach stets das »Unzulängliche« aus! Soll man weiter verehren, was der Verehrung nicht mehr wert ist?! Gehet von hinnen, Schwerfällige, wenn die »idealere Tänzerin« naht! Die »Gleitende« besiegt die »Schleichende«!
WESEN DER FREUNDSCHAFT
Ich kenne nur zwei Menschen, die mir freundschaftlich gesinnt sind, mein Bruder und A. R. Sie verstehen alles, was ich denke, empfinde, sage, geben allen Dingen die wohlwollendste Auslegung. Sie sind ganz ohne »Fallen-stellen-wollen«. Sie vernehmen nur das Wertvolle, überhören eventuelle Mißtöne, ohne zu zucken. Sie schöpfen vom geliebten Menschen den Rahm ab, beklagen sich nicht über die wässerige Milch, die darunter liegt, sondern erfassen es als ein Naturgesetz, daß der Rahm nicht bis zuunterst reichen kann – . Sie erläutern uns nach unseren in uns verborgen liegenden Idealen, nicht nach unseren allen augenfälligen alltäglichen Schwächen! Sie lauern auf unsere seltenen Höhepunkte, beachten nicht unsere Verkommenheiten. Sie sind noble Ausleger, Ausdeuter unseres wirklichen Wesens. Sie begreifen unsere Schwächen, sie achten unsere Stärke! Sie sind mit uns, wie man mit edelrassigen Kanarienvögeln, Papageien, Staren, Hunden, Affen ist. Man achtet ihre Eigenart, fordert von ihnen nichts Unmögliches. Man hält sich an ihre »besonderen« exzeptionellen Eigenschaften. Diese wohlwollend-sentimentale Art von Nervengutmütigkeit heißt: Freundschaft. Jede andere ist tief verlogen. Diese edle »ewige Gutmütigkeit« ist von Gottes Gnaden! Man hat sie zumeist erst mit Verstorbenen. Da kommt man erst zur Besinnung über besondere Werte, dringt tiefer ein in das Wesen desjenigen, dessen Lebendigsein uns nicht mehr stört. So lange er lebte, beging er die störende Ungeschicklichkeit, ein anderer zu sein an Denken und Empfinden als wir selbst!
WAS IST EIN DICHTER?
Er sah am »Gänsehäufel« ein fremdes junges Mädchen, ganz lang und schlank, goldbraune wehende Haare, lange, schmale Hände und Füße, ein ockergelbes seidenes Trikot an dem mulattenbraunen Leibe.
Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen.
Er sah in einer japanischen Akrobatentruppe ein fünfjähriges Mäderl, gelber Teint, Stumpfnäschen, schwarze Haare wie eine Perücke. Lebendig gewordenes Kinderspielzeug!
Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen.
Er las von einer wunderschönen Preisfechterin in Venedig, aus reicher, geachteter Familie, die ohne Grund, neunzehnjährig, sich aus ihrem Zimmer, drei Stockwerke hoch, aufs Pflaster stürzte und starb.
Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen.
Er hatte neben sich eine, ganz, ganz neben sich, hart neben sich, bei Tag und bei Nacht.
Die konnte er aber vergessen, vergessen, vergessen!
BEKENNTNIS
Du gabst mir alles – – und ich gab dir nichts!
Mein Aug’, mein Ohr, mein Denken und mein Träumen
gehörten vielleicht eher den dunklen Mädchen von den
Sundainseln, romantischen Gebilden fremder Welten,
die ihre stillen Wege gehn nahe dem Urwald – – .
Du gabst mir alles – – und ich gab dir nichts!
Wie Märtyrerinnen