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Winnetou 4. Karl May
Читать онлайн.Название Winnetou 4
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Karl May
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Ihre Namen?«
»Mr. Athabaska und Mr. Algongka. Schöne Namen, was? Klingen fast wie Musik! Ist aber auch Musik: Zahlen nur mit Nuggets!«
Das war nun so sein Maßstab, und er scheute sich nicht im geringsten, ihn auch in unserer Gegenwart anzulegen. Er sagte uns noch, daß die beiden »Gentlemen« auch oben in der von ihm bedienten Zimmerreihe wohnten und da die größten und teuersten Räume hätten, die es gebe. Dann bekam er anderweit zu tun.
»Mr. Athabaska und Mr. Algongka« frühstückten sehr langsam und sehr mäßig, und zwar in einer Weise, als ob sie in Hotels von dem Range des Clifton-House aufgewachsen seien. Es war eine Lust, ihnen zuzusehen. Das taten wir natürlich so unauffällig wie möglich. Das Herzle freute sich besonders über die Würde, die in jeder, auch der geringsten Bewegung dieser hochinteressanten Männer lag, und über ihre Bescheidenheit. Es war bei ihnen kein Ring, keine Uhrkette und kein sonstiger Gegenstand zu sehen, der auf Wohlhabenheit oder gar Reichtum schließen ließ. Das war so recht nach dem Gusto meiner Frau, die ich ja fast zwingen muß, sich einen neuen Hut oder ein neues Kleid zu kaufen! Meine besondere Aufmerksamkeit richtete sich auf einen andern Umstand, nämlich auf den, daß sie sich, der gewöhnlichen indianischen Schweigsamkeit ganz entgegengesetzt, sehr lebhaft unterhielten und dabei sehr fleißig Einträge in zwei Bücher machten, die sie mitgebracht hatten, Jeder eins, sein eigenes. Das schienen Notizbücher zu sein, aber sehr, sehr wichtige, denn sie wurden mit einer Vorsicht und Liebe behandelt, als ob sie der beste und teuerste Besitz seien, den es für ihre Eigentümer gebe. Die Einträge, welche gemacht wurden, geschahen mit einer Geläufigkeit und Sicherheit, welche auf vollste Schreibübung schließen ließ. Man sah, daß diese Leute nicht etwa nur den Tomahawk und das Jagdmesser, sondern auch Feder und Bleistift zu führen verstanden und sehr gewöhnt waren, sich geistig zu beschäftigen.
Im Clifton-House wird nach jeder Mahlzeit, die man einnimmt, das Trinkgeld sofort bezahlt. Als wir dies jetzt nach dem Frühstück taten, erkundigte sich der Kellner, dem unser Interesse für die Indianer nicht entgangen war:
»Wünschen Mrs. und Mr. Burton vielleicht den Tisch ganz neben den beiden Gentlemen?«
»Ja«, antwortete das Herzle schnell.
»Für alle Tafelzeiten?«
»Für stets!«
»Well! Werde das besorgen!«
Als wir dann zum Mittagessen kamen, waren die Häuptlinge schon da. Auch alle anderen Tische, außer dem von uns bestellten, waren schon besetzt. Unser Kellner stand schon wartend da und teilte uns mit, daß die Direktion uns bitte, für immer hier an diesem Platz zu sitzen. Wir befanden uns nun also so nahe bei den zwei Indsmen, daß wir, wenn sie sprachen, jedes ihrer Worte hörten. Sie hatten ihre Bücher wieder mit und machten besonders in den Pausen zwischen den einzelnen Gängen zahlreiche Notizen, oft aber auch gleich während des Essens, indem sie Messer und Gabel einstweilen weglegten. Und man denke sich mein Erstaunen, als ich hörte, daß sie sich in der Sprache meines Winnetou unterhielten und sich die Aufgabe gestellt hatten, das innige Verwandtschaftsverhältnis aller athabaskischen Zungen, zu denen auch das Apatsche gehört, zu ergründen und festzustellen! Für Athabaska war das eine Beschäftigung mit den verschiedenen Abarten seiner Muttersprache, für Algongka aber nicht. Dieser schien vom kanadischen Stamm der Krih zu sein und machte im Laufe der sehr regen Unterhaltung die für mich hochinteressante Bemerkung, daß er mehrere große Wörterverzeichnis des Nahuatl, also der alten Aztekensprache, besitze, die mit seiner Muttersprache verwandt sei. Das für mich wichtigste Ergebnis unserer allerdings nur zuhörenden Teilnahme an ihrem Gespräch aber war eine nur so hingeworfene Beifügung, aus der ich entnahm, daß auch sie nach dem Dschebel Winnetou wollten und sich jetzt ausschließlich in der Mundart der Apatschen unterhielten, um am Ziele ihrer Reise nicht ungeübt zu sein oder gar als unwissend zu erscheinen. Welche Sprachkenntnisse mußten diese beiden Männer besitzen! Ja, sie waren Häuptlinge, ganz gewiß! Aber sie waren jedenfalls noch mehr, noch viel mehr als das! Doch was? Mit dieser letzteren Frage brauchte ich mich jetzt nicht zu beschäftigen. Sie hatten ja dasselbe Reiseziel wie ich, und ich war überzeugt, daß ich sie dort gewiß naher kennenlernen Würde, als es jetzt hier am Niagara möglich war.
Am Nachmittag fuhren wir nach Buffalo, um auf dem dortigen Forest Lawn Cemetary das Grab und die Statue des berühmten Häuptlings Sa-go-ye-wat-ha zu besuchen und ihm einige Blumen mitzubringen. Ich habe eine ganz besondere Zuneigung und Hochachtung grad für diesen großen Mann, den man noch heutigentags als den »strong and peerless orator« aller Seneca-Indianer bezeichnet. Dieser »Gottesacker« ist schön, fast einzig schön. Überhaupt besitzt der Amerikaner in Beziehung auf die Anlage von Friedhöfen eine, beinahe möchte ich sagen, Genialität. Er überwindet auch künstlerisch den Tod, indem er keine Hügel duldet, die doch weiter nichts als Ausrufezeichen der Verwesung seien. Er verwandelt den Tod vielmehr in das Leben, indem er als Beerdigungsstätte für die Verstorbenen gern ein auf- und absteigendes, also reich bewegtes Terrain auswählt, welches er als lichten, sonnenklaren, froh grünenden Park behandelt, dessen nicht eng, sondern weitverteilte Denkmäler in die Ferne hin den Auferstehungsgedanken predigen. Und es herrscht auf diesen Friedhöfen eine geradezu rührende Gleichbehandlung aller derer, die verstorben sind. Da ist der Arme der Gast des Reichen; der Ungelehrte ruht mit im Grab des Gelehrten, und der Niedrigstehende bekommt ganz unentgeltlich ein Ruhebett unter der Marmorplatte hochgestellter Patrizier. Ein armer, unbekannter, namenloser Mensch wird überfahren. Er ist tot. Ein Millionär kommt dazu. Er bleibt stehen. Er fragt, ob man den Verunglückten kenne. Die Antwort lautet »nein«. »So gehört er zu mir«, sagt der Millionär, nimmt den Toten mit sich heim und gibt ihm einen Platz in seinem Familiengrab. Das tut der Yankee. Wer tut es noch?
Es war ein schöner, klarer, sonnenwarmer Tag. Als wir die Blumen an dem Häuptlingssteine niedergelegt hatten, setzten wir uns auf die unterste Kante des Postamentes, auf welchem sein Standbild bis hoch in die Wipfel der umstellenden Bäume ragt. Wir sprachen von ihm, und zwar fast leise, wie man an den Gräbern Derer, die man besucht, zu sprechen pflegt, wenn man an die Auferstehung und an ein anderes Leben glaubt. Darum wurden wir von Denen, die sich hinter uns dem Denkmal näherten, nicht gehört. Und ebenso wenig wurden sie von uns gehört, weil weiches Gras rundum den Boden deckte und das Geräusch ihrer Schritte in Nichts verwandelte. Auch sehen konnten sie uns nicht eher, als bis sie um die Ecke des Postamentes getreten waren, welches uns ihnen verbarg. Dann sahen sie uns, und wir sahen sie. Und wer waren sie? Die beiden Indianerhäuptlinge aus dem Clifton-House! Auch sie hatten den berühmten Seneca-Redner besuchen wollen und bemerkten nun, daß wir von demselben Gedanken herbeigeführt worden waren. Aber sie taten gar nicht, als ob sie uns bemerkten. Sie schritten langsam weiter, an den Steinen hin, die man an der Vorderseite des Denkmales für ihn und die einzelnen Glieder seiner Familie in die Erde gesenkt hat. Da lagen unsere Blumen. Als sie diese sahen, blieben sie stehen.
»Uff! » sagte Athabaska. »Hier hat jemand in der Sprache der Liebe gesprochen! Wer mag das gewesen sein?«
»Ein Bleichgesicht jedenfalls nicht«, antwortete Algongka.
Er bückte sich nieder und hob einige der Blumen auf, um sie zu betrachten. Athabaska tat dasselbe. Beide wechselten einen schnellen, überraschten Blick.
»Sie sind noch frisch, vor noch nicht einer Stunde abgeschnitten!« meinte Athabaska.
»Und vor noch nicht einer Viertelstunde hierhergelegt«, stimmte Algongka bei, indem er die Spuren unserer Füße, die im Gras noch deutlich zu sehen waren, betrachtete. »So sind es also doch Bleichgesichter gewesen!«
»Ja, diese hier! Sprechen wir mit ihnen?«
»Wie mein roter Bruder will. Ich überlasse es ihm.«
Die Häuptlinge hatten ganz richtig vermutet. Wir hatten die Blumen nicht von Niagara mitgebracht, sondern sie waren von hier, und zwar ganz frisch geschnitten. Das Herzle hatte zwei davon zurückbehalten, für sich eine und für mich eine. Die bisherigen, kurzen Sätze der beiden Indianer waren im Apatsche gesprochen worden. Jetzt legten sie die Blumen sehr zart und vorsichtig wieder dahin, wo sie gelegen hatten, und Athabaska wendete sich in englischer Sprache an uns:
»Wir glauben, daß ihr die Spenderr dieser Blumen seid.