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dir gebe ich sie zurück. Die Flinte aber bleibt das Eigentum des Mannes, dem ich sie geschenkt habe.«

      Er blieb bei uns, bis man den Scheik auf sein Pferd gebunden hatte und wir vollständig marschbereit waren. Dann reichte er mir die Hand.

      »Lebe wohl, Herr! Allah segne deine Hände und deine Füße! Du nimmst einen Mann mit dir, der dein Feind und nun auch der meinige ist, und dennoch empfehle ich ihn deiner Güte; denn er ist der Sohn meines Vaters.«

      Er sah uns lange nach, bis wir verschwunden waren; der Scheik aber hatte keinen Blick für ihn gehabt; es war sicher, daß sie Feinde geworden waren.

      Wir behielten die südliche Richtung bei. Halef und Allo hatten den Scheik zwischen sich genommen, und außer einigen kurzen Bemerkungen, die zuweilen nötig waren, wurde der Weg mit Schweigsamkeit verfolgt. Ich merkte es den Gefährten an, daß mein Verhalten während der letzten Tage nicht ihren Beifall hatte. Es fiel zwar keine Bemerkung darüber, aber es war aus ihren Blicken, aus ihren Mienen und aus ihrem ganzen mürrischen Wesen zu erkennen. Ein offenes Aussprechen wäre mir lieber als diese Verschlossenheit gewesen. Auch die uns umgebende Natur war keine freundliche. Wir ritten über öde Bergkuppen, nackte Hänge, finstere Schluchten; es wurde am Abend so kalt und zugig, wie im Winter, und die Nacht, welche wir zwischen zwei gegeneinander geneigten Felsen zubrachten, vermochte es nicht, eine andere Stimmung in uns zu erwecken.

      Kurz vor Tagesgrauen nahm ich meine Büchse, um irgend ein Wild zu beschleichen. Nach langem Suchen gelang es mir, einen armen Dachs zu schießen, den ich als einzige Beute zum Lager brachte. Die Gefährten waren bereits alle munter. Ein Blick, den Halef mir unbeobachtet zuwarf, sagte mir, daß während meiner Abwesenheit irgend etwas vorgegangen sei. Um zu erfahren, was es sei, brauchte ich gar nicht lange zu warten; denn ich hatte mich kaum niedergelassen, so fragte Mohammed Emin:

      »Emir, wie lange sollen wir diesen Bebbeh noch mit uns schleppen?«

      »Wenn du ein längeres Gespräch beabsichtigst,« antwortete ich, »so entfernt vorher den Gefangenen, der jedenfalls ebenso gut das Arabische versteht, wie sein Bruder.«

      »Allo mag ihn in seine Obhut nehmen.«

      Ich folgte diesem Vorschlage, führte den Scheik an eine entferntere Stelle und ließ ihn da in der Obhut des Köhlers, dem ich bedeutete, daß er die größte Achtsamkeit auf den Gefangenen zu verwenden habe. Dann kehrte ich zu den andern zurück.

      »Jetzt sind wir unbelauscht,« meinte Mohammed Emin, »und ich wiederhole meine Frage, wie lange wir den Bebbeh mit uns herumschleppen sollen.«

      »Warum tust du diese Frage?«

      »Bin ich nicht berechtigt, sie zu tun, Effendi?«

      »Du hast ein Recht dazu, welches ich dir nicht bestreite. Ich wollte ihn bei mir behalten, bis ich sicher sein kann, daß wir nicht verfolgt werden.«

      »Wie willst du diese Sicherheit erhalten?«

      »Dadurch, daß ich mich überzeuge. Wir setzen unsern Weg bis Mittag fort; dann nehmt ihr an einer geeigneten Stelle gleich Nachtlager, ich aber reite zurück und bin überzeugt, daß ich die Bebbeh sicher entdecken werde, falls sie uns folgen. Morgen am Vormittag bin ich wieder bei euch.«

      »Ist ein solcher Feind so viele Mühe wert?«

      »Nicht er ist es wert, aber unsere Sicherheit erfordert es.«

      »Warum willst du es dir und uns nicht leichter machen?«

      »Auf welche Weise könnte dies geschehen?«

      »Du weißt, daß er unser Feind ist?«

      »Sogar ein sehr schlimmer Feind.«

      »Der uns wiederholt nach dem Leben trachtete?«

      »Allerdings.«

      »Der uns sogar verriet, als er sich in unsern Händen befand; denn er rief die Seinigen herbei, als du das Tal verlassen hattest, um den Hund zu verteidigen.«

      »Auch dies ist richtig.«

      »Nach den Gesetzen der Schammar hat er mehrfach den Tod verdient.«

      »Gelten diese Gesetze auch hier?«

      »Ueberall, wo ein Schammar zu richten hat.«

      »Ah, ihr wollt den Gefangenen richten? – Ich denke, ihr habt ihm bereits das Urteil gesprochen! Wie lautet es?«

      »Der Tod.«

      »Warum habt ihr dies Urteil nicht bereits vollstreckt?«

      »Konnten wir dies tun ohne dich, Emir?«

      »Ihr habt nicht den Mut, das Urteil ohne mich zu vollstrecken; aber ihr habt das Herz, den Gefangenen ohne mich zu richten? O, Mohammed Emin, du gehst auf falschem Wege, denn der Tod des Gefangenen wäre auch der deinige gewesen.«

      »Wie willst du mir das erklären?«

      »Sehr leicht. Hier sitzt mein Freund David Lindsay-Bey, und hier mein tapferer Hadschi Halef Omar. Glaubst du, daß sie dir erlaubt hätten, in meiner Abwesenheit den Bebbeh zu töten?«

      »Sie hätten uns nicht gehindert. Sie wissen, daß wir stärker sind, als sie.«

      »Es ist wahr, ihr seid die tapfersten Helden der Haddedihn, aber diese beiden Männer haben noch niemals Furcht und Angst gefühlt. Was denkst du wohl, was ich getan hätte, wenn ich nach meiner Rückkehr Zeuge eures Tuns geworden wäre?«

      »Du hättest es nicht mehr zu ändern vermocht.«

      »Das ist richtig, aber es wäre euer Tod gewesen. Ich hätte das Messer vor euch in die Erde gesteckt und mit euch gekämpft als Rächer dessen, der ermordet wurde, obgleich er sich unter meinem Schutze befand. Allah allein weiß, ob es euch gelungen wäre, mich zu überwinden.«

      »Emir, laß uns darüber schweigen. Du siehst ja, daß wir dich fragen, bevor wir handeln. Der Scheik hat den Tod verdient; laß uns über ihn beraten!«

      »Beraten? Wißt ihr nicht, daß ich seinem Bruder versprochen habe, ihn unverletzt ziehen zu lassen, sobald ich überzeugt bin, daß wir nicht verfolgt werden?«

      »Dies war ein voreiliges Versprechen. Du gabst es, ohne uns vorher zu fragen. Bist du etwa unser Gebieter, daß du dir jetzt angewöhnt hast, ganz aus eigener Macht zu handeln?«

      Das war ein Vorwurf, den ich nicht erwartet hatte. Ich schwieg einige Zeit, um mein Gewissen zu prüfen; dann antwortete ich:

      »Ihr habt recht, wenn ihr sagt, daß ich zuweilen gehandelt habe, ohne euch zu fragen. Dies geschah aber nicht, weil ich mich für den Höchsten von euch halte, sondern aus anderen Gründen. Ihr versteht nicht Kurdisch, und ich war also stets der einzige, der mit den Kurden zu sprechen hatte. Konnte ich euch da vor jeder Frage, die ich erhielt, und bei jeder Antwort, die ich erteilte, die Worte übersetzen? Hat man bei einem Entschluß, der schnell gefaßt werden muß, bei einer Tat, die nicht den mindesten Aufschub erleiden darf, Zeit und Gelegenheit, sich mit Gefährten zu beraten, die nicht einmal eine und dieselbe Sprache reden? Ist es nicht immer zu unserm Nutzen gewesen, wenn ihr das tatet, was ich euch riet?«

      »Seit wir mit den Bejat zusammengekommen sind, ist dein Rat niemals ein guter gewesen.«

      »Ich bin mir dessen nicht bewußt, obgleich ich nicht mit euch streiten will. Ich bin nicht Allah, sondern ich bin ein Mensch, der sich irren kann. Ihr habt mir bisher die Leitung freiwillig überlassen, weil ihr Vertrauen zu mir hattet; da ich nun aber sehe, daß dieses Vertrauen verschwunden ist, so trete ich ebenso freiwillig zurück. Mohammed Emin, du bist der älteste von uns; es sei dir gern die Ehre gegönnt, unser Anführer zu sein.«

      Das hatten sie nicht erwartet; aber der letzte Satz schmeichelte dem alten Haddedihn zu sehr, als daß er mein Anerbieten unerörtert zurückgewiesen hätte.

      »Ist dein fester Wille, Emir? Und du glaubst wirklich, daß ich euer Anführer sein kann?«

      »Ja, denn du bist ebenso weise, wie stark und tapfer.«

      »Ich danke dir! Aber ich kenne das Kurdische nicht.«

      »Ich werde dein Dolmetscher sein.«

      Der gute Mann begriff nicht, daß es

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