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Im Reiche des silbernen Löwen I. Karl May
Читать онлайн.Название Im Reiche des silbernen Löwen I
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Karl May
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Ja.«
»Ihr waret dabei, als Mohammed Emin, ihr berühmter Scheik, starb?«
»Ich habe ihn mit begraben, ihn der mir einst Rih, meinen herrlichen Rappen schenkte. Er starb ja, als wir Hassan Ardschir-Mirza im Kampfe gegen die Kurden beistanden.«
»Das stimmt, das stimmt! Aber dann seid Ihr ja – — – seid Ihr – — —«
Er griff sich mit der Hand an die Stirne und fuhr dann fort:
»Da müßt Ihr doch jener Emir Kara Ben Nemsi Effendi sein!«
»Der bin ich allerdings. Mein Vorname Karl wurde in Kara verwandelt; Ben Nemsi bezeichnete meine Nationalität, und die andern Titel Emir und Effendi gab man mir ohne Examen und Verdienst.«
Nun folgte eine ganze Menge von Fragen, die ich beantworten mußte, bis ich die Reihe derselben mit der Bemerkung abschnitt:
»Das ist ein Zusammentreffen, welches man kaum für möglich halten sollte; aber wir wollen uns von unserm Erstaunen nicht länger hier halten lassen. Denken wir erst an die naheliegende Pflicht und dann, wenn diese erfüllt ist, an die Vergangenheit! Wollen uns beeilen, nach dem Regenbette zu kommen.«
»Wie Ihr wollt, Sir; aber Ihr könnt es mir glauben, daß mir die Aufregung in alle Glieder gefahren ist.
Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi Effendi sind Eins, sind dieselbe Person! Was werdet Ihr mir alles erzählen müssen!«
»Und Ihr mir auch. Ich muß natürlich bis ins kleinste wissen, wo und wie Ihr meinen kleinen, treuen Hadschi Halef gefunden habt. jetzt aber weiter! Kommt!«
Wir setzten den aus einem so seltenen Grunde unterbrochenen Marsch fort; es wurde uns beiden schwer, zu schweigen; aber es war wirklich besser, wenn wir unsere Gedanken jetzt nur auf die Gegenwart und ihre Forderungen richteten. Was Perkins betrifft, so schien er von unserm Erstaunen angesteckt worden zu sein, denn er machte ein Gesicht, als ob in seiner Gegenwart der Sultan von Stambul über den Kaiser von China hinweggestolpert sei.
Meine Vorhersagung bewahrheitete sich: ich verfehlte das Regenbette nicht; nach ungefähr einer Stunde sahen wir im Osten vor uns einen dunkeln Strich erscheinen, welcher Wald bedeutete. Notabene, das Regenbette lag nördlich von dem Beaver-Creek; wir hatten aber einen Umweg nach Westen gemacht und kamen also aus dieser Himmelsrichtung nach dem Regenbette. Der Grund dazu war der, daß die Comantschen, welche sehr wahrscheinlich die gerade, direkte Linie ritten, nicht auf Spuren von uns treffen sollten.
Es muß gesagt werden, daß der Wald am Regenbette ein längliches Viereck bildete, welches keine bedeutende Fläche bedeckte. Siebzig Indianer konnten ihn recht gut in einer Stunde so genau durchsuchen, daß sie einen darin versteckten Menschen unbedingt finden mußten. Dazu kam der Umstand, daß wir die Stelle, an welcher die Comantschen lagern würden, nicht vorher wissen konnten. Wir mochten für uns wählen, welche Stelle wir wollten, so mußten wir gewärtig sein, daß sie grad auch zu derselben kommen würden. Und selbst wenn dies nicht der Fall war, so konnten wir durch irgend einen Umstand aufgefunden, vielleicht durch das Schnauben von Dschafars Pferd verraten werden. Denn dieses Tier hatte noch keinem Westmanne gehört, und jedes ungeschulte Pferd pflegt laut zu werden, wenn andere Pferde in seine Nähe kommen. Darum antwortete ich, als Perkins mich nach unserm Verstecke fragte:
»Wir verstecken uns nicht, sondern bleiben auf dem freien, offenen Camp, wenigstens ihr beide.«
»Aber da werden wir ja gesehen!«
»Nein. Diese offene Lage ist das beste Versteck, welches es unter den heutigen Verhältnissen geben kann.«
Er, der sich am liebsten ganz verkrochen hätte, wollte Einwände erheben; da ermahnte ihn Dschafar:
»Widersprecht ihm nicht! Seit ich weiß, daß er Kara Ben Nemsi ist, bin ich überzeugt, daß er stets das Richtige trifft.«
»Wenn auch nicht stets, sondern möglichst oft,« berichtigte ich sein Lob. »Wir halten gleich da an, wo wir uns jetzt befinden; das ist der geeignetste Punkt für uns.«
»Warum der geeignetste?« fragte Perkins doch. »Ich bin auch Westmann und als Scout engagiert. Ich denke, daß ich ein Wort mit dreinzureden habe.«
»Wenn ich es Euch erlaube! Ihr wißt ja, auf welche Weise wir uns kennen gelernt haben, und ich bitte, dies nicht zu vergessen. Dennoch will ich Euch meine Gründe sagen.«
Während sie abstiegen und die Pferde anhobbelten, fuhr ich fort:
»Der Wald ist klein, und die Comantschen zählen siebzig Krieger. Sie brauchen sich gar nicht sehr zu zerstreuen, um uns zu entdecken, zumal wir nicht wissen, an welcher Stelle sie lagern werden. Unsere Pferde machen Spuren, welche nicht verschwinden, bis die Roten kommen, und ein einziges Schnauben oder gar Wiehern kann uns sehr leicht das Leben kosten.«
»Hm, das ist wahr,« gab er ängstlich zu.
»Nehmt dagegen diese Stelle hier an! Die Comantschen kommen von Süden nach dem Walde und verlassen ihn in nördlicher Richtung; wir aber befinden uns westlich von ihm; sie werden also nicht hierher kommen, uns gar nicht sehen. Und käme ja einer von ihnen in Sicht, so kann man, wenn man gut aufpaßt, sich schnell entfernen, ehe er einen bemerkt hat. Ist es da nicht vorteilhafter, hier zu liegen, als drin im Walde, wo die Entdeckung fast sicher und das unbemerkte Entfernen ganz unmöglich ist?«
»Ja,« gestand er ein. »Aber wie sollen die Gefangenen befreit werden, wenn wir hier bleiben, während die Indianer sich im Walde befinden?«
»Das laßt meine Sache sein! Ich habe Euch ja gesagt, daß ich Euch keiner Gefahr aussetzen werde, und Mr. Dschafar kennt den wilden Westen und seine Bewohner zu wenig, als daß ich ihm zumuten dürfte, sich zu beteiligen. Ich gehe also allein nach dem Walde, und Ihr bleibt hier, bis ich zurückkehre.«
»Und wenn die Roten indessen doch hierher kommen?«
»So reitet Ihr schnell westlich fort und kehrt, wenn sie verschwunden sind, wieder nach hier zurück. Ihr müßt sie ja auf alle Fälle eher sehen als sie Euch.«
»Ihr nehmt Euer Pferd mit?«
»Welch eine Frage! Das wäre ein Fehler, wie er größer kaum zu denken ist. Ich vertraue es Euch an.«
»Aber wenn wir fliehen müssen und nicht zu Euch zurückkönnen?«
»Sorgt Euch nicht um mich! Ich komme auf jeden Fall wieder zu Euch und zu meinem Pferde. Ich habe das gute Vertrauen zu Euch, daß Ihr mir gar nicht mit ihm durchgehen könnt. Ich bleibe hier bei Euch, bis ich denke, daß die Indsmen bald kommen; dann gehe ich nach dem Walde und – — —
»Und laßt Euch grad so entdecken, wie sie uns entdecken würden,« fiel er mir in die Rede.
»Ihr werdet spaßhaft, Mr. Perkins. Aber vielleicht wird aus dem Scherze Ernst, und ich komme auf den Gedanken, mich entdecken zu lassen. Es versteht sich ganz von selbst, daß ich die sechs Gefangenen weder durch offenen Kampf noch nur durch List zu befreien vermag. Ich allein kann weder die siebzig Indianer niederhauen noch mich und die Gefangenen unsichtbar machen und mit ihnen verschwinden. Es handelt sich hier vielmehr um ein Wagestück, zu dessen Ausführung allerdings beides, Gewalt und List, gehört und welches mir schon einigemal gelungen ist. Ich habe es sogar bei diesem To-kei-chun schon einmal mit gutem Erfolge angewendet und bin infolgedessen auf den Gedanken gekommen, es heut nochmals zu versuchen. Nämlich wenn es mir gelingt, mich des Häuptlings zu bemächtigen, haben wir gewonnenes Spiel; er bekommt die Freiheit nur gegen Entlassung der Gefangenen wieder.«
»Das ist verwegen, außerordentlich verwegen!«
»Nicht so sehr, wie es den Anschein hat, wenigstens für den, welcher eine gewisse Uebung in solchen Dingen besitzt. Das scheinbar Schwere ist oft viel leichter als das, was leicht erscheint und auch leicht ist.«
»Aber wie wollt Ihr es anfangen, ihn in Eure Hand zu bekommen?«
»Das überlasse ich den Umständen, und sind diese mir nicht günstig, so erzwinge ich es. In diesem Falle kommt es mir gar nicht darauf an, mitten unter die Roten hineinzuspringen und dem Alten das Messer an die Kehle zu setzen