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die das eigentliche Sachproblem ausklammern. Der Reformgesetzgeber wollte ursprünglich in der Zweiten Zwangsvollstreckungsnovelle nichteheliche Lebensgemeinschaften im Vollstreckungsrecht den Ehen gleichstellen, hat dann aber diesen Schritt nicht vollzogen, der auch etwas zu kurz greifen würde (Rn. 4.12, 4.27). Im Anfechtungsrecht erweitert nunmehr § 3 Abs. 2 AnfG i.V.m. § 138 InsO für die Absichtsanfechtung den betroffenen Kreis auf „nahestehende Personen“ (Rn. 26.22) und trägt damit den verfassungsrechtlichen Bedenken und der bisherigen Auslegungspraxis (Rn. 26.27) Rechnung. Die Schenkungsanfechtung gilt unterschiedslos für alle Beschenkten (§ 4 Abs. 1 AnfG; Rn. 26.30).

V. Würdigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Vollstreckungsrecht

      7.40

      Das BVerfG hat sich in folgenden Bereichen mit der Frage nach möglichen Grundrechtsverletzungen durch Vollstreckungsakte beschäftigt: bei vermögensverschleudernden Zwangsversteigerungen[52] bzw. Teilungsversteigerungen[53]; bei Wohnungsdurchsuchungen durch den Gerichtsvollzieher ohne richterliche Anordnung[54]; bei gesundheitsgefährdender Räumungsvollstreckung[55]; bei Haftanordnung nach verweigerter eidesstattlicher Versicherung zur Vollstreckung von Bagatellforderungen[56]; bei Verweigerung des Armenrechts in der Zwangsvollstreckung[57]; bei der Unterlassungsvollstreckung[58]. Man mag getrost davon ausgehen, dass ganz überwiegend die ordentlichen Gerichte gleich besser im Sinne des BVerfG entschieden hätten, also zumindest Fehlanwendungen des einfachen Rechts vorgelegen haben. Gleichwohl bleibt der gehäufte verfassungsrichterliche Eingriff in das Vollstreckungsrecht fragwürdig und zwar aus Gründen allgemeiner Problematik der Verfassungsrechtsprechung, wie sie im Vollstreckungsrecht besonders deutlich werden, und aus Gründen vollstreckungsrechtlicher Besonderheiten.

      7.41

      Zunächst zur allgemeinen Problematik. Die Bindungswirkung und damit Kanonisierung der Entscheidungsgründe gibt Ausführungen des BVerfG Allgemeinverbindlichkeit, die zu einem grob unbillig entschiedenen Einzelfall gemacht sind und als generelle Leitlinie wegen ihrer Undifferenziertheit schwerlich taugen. Allzu tiefes Eintauchen in die Details eines Rechtsgebiets anlässlich eines Einzelfalles lässt die Selbstbeschränkung aus Gründen beschränkter Fachkompetenz allzu leicht vergessen. Wenn sich die Unterscheidung von einfacher Rechtsfehlanwendung und Verfassungsverletzung letztlich an der Schwere und Bedeutung des Rechtseingriffs misst – und beim heutigen Stand der Verfassungsrechtsprechung ist grob gesagt jedes schwere Unrecht verfassungswidrig –, so ist die Schwelle zum Verfassungsverstoß hoch zu setzen, teilweise höher als bisher, soll nicht die berühmte „Superrevisionsinstanz“ mit viel beklagtem hohen Arbeitsanfall entstehen. Die Verfassungskontrolle von Vollstreckungsakten hat schließlich ihre tückische Besonderheit: anders als bei vielen gewöhnlichen Hoheitsakten steht praktisch immer eine Grundrechtskollision zur Beurteilung, es ist die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie des Gläubigers mit der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie des Schuldners oder einem klassischen Grundrecht des Schuldners in praktische Konkordanz zu bringen. Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist von dieser permanenten Grundrechtskollision geprägt und besteht regelmäßig in der Abwägung beider Grundrechte. Entweder entsteht dabei die Gefahr allzu starker Konkretisierung, die eine Abwägung konkreter Gläubiger- und Schuldnerinteressen vornimmt und damit das Erkenntnisverfahren auf Verfassungsebene wiederholt, oder man erliegt der Gefahr falscher Schematisierung, die Vollstreckungen unmöglich zu machen droht (z.B.: „Keine Zwangsversteigerung wegen Bagatellforderungen“ etc.); der rechte Weg zwischen Szylla und Charybdis ist oft schwer zu finden. Diese allgemeinen Thesen sollen kurz anhand bisheriger Entscheidungen des BVerfG beispielhaft erläutert werden.

      7.42

      BVerfGE 42, 64, 78 führt aus, der Rechtspfleger habe gemäß § 139 im Versteigerungstermin auf das Missverhältnis von Grundstückswert (lastenbereinigt DM 124 000,–) und Gebot (DM 2000,–) hinzuweisen und bei der Teilungsversteigerung Antragsrücknahme anregen müssen. Darin liege kein Verstoß gegen das Gebot richterlicher Distanz und Neutralität. „Die richterliche Neutralität ist kein wertfreies Prinzip, sondern an den Grundwerten der Verfassung orientiert. Auch in diesem Zusammenhang enthält das objektive Willkürverbot für den Richter das Gebot sachgerechter Entscheidung im Rahmen der Gesetze unter dem Blickpunkt materialer, wertorientierter Gerechtigkeit“. Vor dem Hintergrund des konkreten Extremfalles sind solche Ausführungen richtig, als Regel ist aber der Richter ohne Distanz, der auf einer Partei vorteilhafte neue Antragstellung hinwirkt, nicht wünschenswert[59], vor allem nicht als Versteigerungsrichter in Gestalt des Rechtspflegers.

      7.43

      Im Beschluss zur obligatorischen richterlichen Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung (BVerfGE 51, 97) folgte das BVerfG entgegen nahezu einhelliger Stellungnahme der Praxis (BJM, BGH, Gerichtsvollzieherbund) der stringenten Auslegung des Art. 13 Abs. 2 GG durch die überwiegende verfassungsrechtliche Literatur. Die gesamten Folgeprobleme waren nicht richtig mitbedacht: Antragsbefugnisse (Gerichtsvollzieher, Gläubiger?); Erfordernis eines erfolglosen Vollstreckungsversuchs; Durchsuchung bei Bagatellforderungen; vorheriges Gehör des Schuldners (ergänzende Andeutungen dann in BVerfGE 57, 346); Substantiierung der Notwendigkeit und richterliche Prüfungspflicht (ergänzende Andeutungen in BVerfGE 57, 346); mehrere richterliche Anordnungen bei Vollstreckung für mehrere Gläubiger? (BVerfGE 76, 83 mit äußerst feinsinniger Abgrenzung; s. Rn. 8.17); besondere Anordnung auch bei Herausgabevollstreckung, bei Räumungsvollstreckung, bei Ausführung des Haftbefehls, bei Durchsuchung von Geschäftsräumen, bei Wohngemeinschaft des Räumungsschuldners mit Dritten? Es fragt sich doch, ob die 30-jährige Vollstreckungspraxis so wenig rechtsstaatlich war, dass es sich lohnte, die Fachgerichte und Gesetzgebung mit diesem „Rattenschwanz“ von Problemen und Unklarheiten zu belasten und die Vollstreckung weiter zu komplizieren. Das Instrumentarium der Verfassungsinterpretation hätte zu anderem Ergebnis wahrlich ausgereicht.

      7.44

      Dass die Schwelle zum Verfassungsverstoß zu niedrig sitzen mag, zeigt BVerfGE 52, 214 mit seinem Räumungsfall: Beginn der Miete August 1975; Kündigung im März 1976 wegen unerlaubter Hundehaltung (2 große Hunde); Räumungsurteil November 1978; Vollstreckungsschutz durch AG und LG für 60-jährigen Gastwirt bis Juni 1979 wegen Selbstmordgefahr (Vorlage zweier Atteste); Verfassungsbeschwerde; Räumungsgläubiger tragen als „Hintergrund“ der Kündigung vor: tätliche Angriffe, Mietrückstände, Aufnahme junger Männer in die Wohnung, Polizei- und Feuerwehreinsätze bei Vorfällen; Suizidversuche im Alkoholrausch. Der Mieter könne einer Suizidgefahr durch Krankenhausaufenthalt oder Ausweichen in andere eigene Wohnungen vorbeugen; gegebenenfalls habe die Gesundheitsbehörde einzugreifen. Ist es wirklich ein Verfassungsverstoß, wenn die Fachgerichte an der Räumungsfrist festhielten und keine weiteren ärztlichen Gutachten einholten? Die Verfassungsträchtigkeit ist bei hilflosen, alten, kranken und langjährigen Mietern verständlich (z.B. BVerfGE 84, 345; NJW 1992, 1155; Rn. 7.3); in Fällen dieser Art erscheint aber die Zensur der Fachgerichte allzu hart.

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