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WOLLUST ACH - Uwe, der Student. Gerhard Ebert
Читать онлайн.Название WOLLUST ACH - Uwe, der Student
Год выпуска 0
isbn 9783738031256
Автор произведения Gerhard Ebert
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Er wollte nicht?“ fragte Uwe erstaunt.
Sie schien sich indessen ein wenig besonnen zu haben; denn sie fuhr fort:
„Ich weiß gar nicht, warum ich Ihnen das erzähle. Wir kennen uns ja gar nicht.“
„Das lässt sich aber machen!“ sagte Uwe prompt.
Und sie ebenso prompt: „Ach, Qu…!“ Aber sie hielt inne und lachte: „Beinahe hätte ich ‚Quark‘ gesagt.“
Und er: „Oh, schade, es macht so Appetit, wenn Sie es sagen.“
„Tanzen wir!“ flüchtete sie aus ihrer Verlegenheit und stand auf. Uwe triumphierte innerlich. Die Kapelle spielte wieder. Auch er erhob sich.
Die Runde Walzer, die nun folgte, war eine echte Herausforderung; denn Walzer war offensichtlich nicht ihr Ding. Schwer hing sie in seinen Armen, ließ sich geradezu herumschleifen. Obwohl, sie schaute ihn jetzt öfter und auch länger mit ihren wunderbar blaugrauen Augen an. Und das tat gut. Uwe starrte immer gebannter auf ihren verführerischen Mund, auf diese mögliche Quelle herrlicher Lust. Er war diesen Lippen berauschend nahe, wenn die Tänzerin näher kam, weil er sie gelegentlich an sich zog, um ihr Brust zu spüren. Und in den Drehungen beim Walzer, wenn ihre Lippen ferner waren, wagte er es, seinen Mund gleichsam als eine Botschaft diskret zum Kuss zu spitzen, um ihr sein Verlangen lausbübisch ein bisschen zu signalisieren. Sie lachte darauf stets keck und bog den Kopf zurück. Das war, schien Uwe, nicht unbedingt eine Ablehnung.
Als die Kapelle ihre übliche Pause machte, um die Noten zu wechseln, raffte Uwe all seinen Mut zusammen, zog die Unbekannte kurz entschlossen an sich und drückte ihr kurz und knapp einen Kuss auf die Lippen. Die Berührung schoss ihm wie Elektrizität durch alle Glieder.
„Ich bin der Uwe“, sagte er hinterher gleichsam als Entschuldigung.
„Ich bin die Marianne“, antwortete sie prompt, beugte sich zu ihm und drückte ihm betont freundlich ein Küsschen auf die Lippen.
Nur jetzt nicht den Kopf verlieren! Den anschließenden Walzer absolvierten beide stumm, jeder auf seine Weise dem Moment nachsinnend, der sie eben echt nahe gebracht hatte.
Nachdem sie wieder Platz genommen hatten, rückte Uwe seinen Stuhl näher zu Marianne, was sie offenbar nicht ungern sah.
„Was studierst du denn?“ fragte sie unvermutet.
Dass sie die Küsse auf dem Parkett mit „du“ quittierte, beflügelte Uwe, doch ihre Frage bedrückte ihn. Denn wenn er ihr sagte, was er studierte, würde sie als künftige Geschäftsfrau wahrscheinlich sofort mit „Quark“ reagieren, es zwar vielleicht nicht sagen, aber denken. Also zögerte er.
„Ist es ein Geheimnis?“ blieb sie hartnäckig.
Uwe steckte in der Klemme. Er druckste herum, dann sagte er:
“Ich studiere Theaterwissenschaft, aber vielleicht werde ich Journalist.“
„Oh, toll“, reagierte sie, „so etwas würde mich auch interessieren.“
„Und warum kannst du nicht studieren?“ fragte Uwe. Er wollte jetzt unbedingt versuchen, das Thema zu wechseln.
„Was soll ich machen? Meine Eltern haben mir so geholfen. Die ganze Ausstattung für meine Wohnung. Ihr Geld. Und nun die Pleite mit meiner Ehe. Und auch noch das Geschäft! Es ist verrückt! Komm, tanzen wir.“
Die Kapelle spielte wieder auf, und Uwe folgte Marianne aufs Parkett. Für einen Moment war er geneigt, in sein altes Dilemma zu verfallen, nämlich die Situation zu reflektieren, statt sich ihr zu stellen. Ihm war auf einmal bewusst geworden, dass man, so man einem Menschen näher kommt, ob man nun will oder nicht, auch irgendwie dessen Schicksal mit schultern muss.
Uwe besann sich. Er musste aktiv bleiben. Der langsame Walzer kam ihm gerade recht. Er zog Marianne jetzt fest an sich, spürte ihren Körper. Fast hatte er das Gefühl, als ob sie seine Nähe auch genießen würde.
„Es geht mich nichts an“, sagte er jetzt, „aber natürlich hast du mich neugierig gemacht. Dass dein Mann raucht, hast du doch gewusst, denk ich.“
Sie schwieg, und er kurvte quer übers Parkett vor zur Kapelle. Sie blickte zu ihrem Bruder, und Uwe sorgte möglichst schnell dafür, dass sie wieder unter die Menge der Paare gerieten. Er blieb hartnäckig:
„Oder hast du es nicht gewusst?“
„Ach, Quark!“, reagierte sie jetzt sofort, nun doch ungehalten. Offenbar, spürte Uwe, hatte er ein Thema aufgegriffen, das ihr absolut nicht behagte. Sie war auf einmal wieder spröder in seinen Armen, und ihre ebenmäßigen, irgendwie gesunde Energie ausstrahlenden Wangen schienen ihm auf einmal wie versteinert vor Groll.
„Ich hatte einen Chef“, versuchte Uwe, das Thema zu wechseln, „der wollte mir seine Druckerei vererben, obwohl ich nicht sein Sohn war.“
Marianne schwieg für einen Moment, schien zu überlegen, dann fragte sie:
„Hatte er keine Kinder?“
„Doch, schon“, reagierte Uwe erleichtert, „aber sein Sohn war im Krieg gefallen.“
„Oh Gott, was es alles gibt.“
„Ich bin nämlich auch Schriftsetzer, aber auf Druckereibesitzer hatte ich keinen Bock.“
Jetzt sah Marianne ihn groß an.
„Nein?“ fragte sie überrascht. Uwe spürte, dass das wieder ein kniffliges Thema zu werden drohte.
„Wollen wir nicht doch erst einmal auf einen Schluck an die Bar gehen?“
„Wozu, Mann? Sag mir lieber, warum du keine Druckerei erben wolltest.“
Uwe versuchte eine möglichst diplomatische Antwort:
„Erben ist ja in meinem Fall das falsche Wort. Natürlich hätte das was gekostet. Und woher das Geld nehmen?“
Nun fragte sie fast verständnisvoll:
„Ach, das war nur Spekulation von dir?“
In ihrer Reaktion spürte Uwe so etwas wie Befriedigung. Er schob nach:
„Ich glaube, ich war der Sache einfach nicht gewachsen damals. Heute würde ich wahrscheinlich noch einmal darüber nachdenken.“
Worauf sie antwortete:
„Das solltest du! Selbständig sein, das ist schon ideal!“
Mit diesem gewissen Fazit landeten sie wieder an ihrem Tisch. Die Kapelle verließ das Podest, das Varieté-Programm war angesagt. Meist eine Zeit, in der die Bar gestürmt wurde, weil nicht alle Besucher sich für Zauberer oder Akrobaten interessierten. Uwe indessen war gespannt, er schaute grundsätzlich gern zu. Aber Marianne überraschte ihn, denn sie sagte ziemlich kategorisch:
„Eigentlich ist es genug für heute. Ich möchte nach Hause.“
„Schon?“ fragte er prompt. In seiner Verblüffung fiel Uwe nichts Besseres ein. Doch die Verblüffung sollte sich noch steigern; denn nun fragte sie:
„Bringst du mich?“
„Aber immer!“ reagierte Uwe sofort und bewusst möglichst euphorisch.
„Freut mich“, sagte sie.
„Und wohin?“ fragte er, durchaus in der Hoffnung, dass die Tour nicht zu lang werden würde. Obwohl: Wenn an deren Ende Sex zu haben sein würde, könnte es bis ans Ende der Welt gehen.
„Pankow“, sagte sie.
„Ah, ja!“ sagte er erleichtert; denn er wusste, Pankow war nicht am Ende der Welt.
Natürlich übernahm er beim Kellner ihre Selters, natürlich half er ihr in den leichten Sommermantel, und schon waren sie auf dem Weg zur Straßenbahn. Die Linie 46 war schnell erreicht. Da die Bahn nicht sofort