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Lord Jim. Joseph Conrad
Читать онлайн.Название Lord Jim
Год выпуска 0
isbn 9783750247819
Автор произведения Joseph Conrad
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Der Zweite Maschinist kam nun in leichten Übergängen zu der Betrachtung seiner Finanzen und seines Mutes.
»Wer ist betrunken? Ich? O nein, nein, Kapitän! Wo denken Sie hin? Das könnten Sie doch schon wissen, daß der Erste nicht soviel hergibt, um einen Spatzen betrunken zu machen, zum Teufel ja. Mir hat das Trinken in meinem ganzen Leben noch nichts geschadet. Das Zeug ist noch nicht gebraut, das mich betrunken machen könnte. Ich könnte flüssiges Feuer trinken anstatt eures Whisky, kübelweise, und kühl bleiben wie eine Gurke. Wenn ich mich für betrunken halten müßte, dann würde ich über Bord springen – wie ich dastehe, beim Teufel ja. Wahrhaftig! Schnurstracks! Und ich gehe nicht weg von der Brücke. Wo soll ich denn Luft schnappen, in einer Nacht wie dieser, was? Auf Deck, unter all dem Geschmeiß da unten? Jawohl – da können Sie lange warten! Und ich fürchte mich nicht die Bohne vor Ihnen.«
Der Deutsche hob zwei schwere Fäuste zum Himmel und schüttelte sie ein wenig, ohne ein Wort.
»Ich weiß nicht, was Furcht ist«, fuhr der andere mit der Inbrunst wahrer Überzeugung fort. »Ich fürchte mich nicht davor, all die verdammte Arbeit in diesem morschen Kasten zu tun, weiß der Teufel! Und Sie können sich freuen, daß da in der Welt ein paar von uns herumlaufen, denen nicht bange um ihr Leben ist, was sollten Sie sonst anfangen – Sie und dies alte Ding mit seinen Platten wie Packpapier – wie Packpapier, hol' mich der Teufel? Sie können lachen – Sie kommen auf Ihre Kosten, so oder so. Aber ich, was bekomme ich? Schäbige hundertfünfzig Dollar im Monat, und Prost die Mahlzeit. Ich möchte Sie respektvoll fragen – wohlverstanden, respektvoll: wer möchte sich so ein verfluchtes Stück Arbeit nicht vom Halse schaffen? 's ist nicht geheuer, sag' ich Ihnen, nicht geheuer! Aber ich bin einer von den furchtlosen Kerlen...«
Er ließ die Reling los und fuchtelte mit weitausgreifenden Gesten in der Luft herum, als ob er damit die Form und Ausdehnung seiner Tapferkeit veranschaulichen wollte; seine dünne Stimme überschlug sich in langgezogenen Quietschtönen, er wiegte sich auf den Zehen vor- und rückwärts, um seiner Rede mehr Nachdruck zu verleihen, und plötzlich schlug er mit dem Kopfe voran der Länge nach hin, als ob ihn jemand von hinten mit einer Keule niedergeschlagen hätte. Er sagte »Verflucht!« während er umfiel. Ein Moment des Schweigens folgte seinem Geschrei. Jim und der Kapitän schwankten beide zugleich nach vorn und standen dann, sich aufraffend, sehr steif und ruhig da, den erstaunten Blick auf die unbewegte Fläche des Wassers gerichtet. Dann sahen sie zu den Sternen empor.
Was war geschehen? Das schnaubende Stampfen der Maschine dauerte fort. War die Erde in ihrem Lauf gehemmt worden? Sie konnten nicht begreifen; und plötzlich erschienen das ruhige Meer, der wolkenlose Himmel fürchterlich unsicher in ihrer Unbeweglichkeit, hinter der das Grauen der Zerstörung lag. Der Maschinist schnellte senkrecht zu voller Länge empor und sank wieder in ein kümmerliches Häuflein zusammen. Dieses Häuflein sagte: »Was ist das?« in den erstickten Lauten tiefer Bekümmernis. Ein schwaches Geräusch wie von unendlich fernem Donner, weniger als ein Ton, kaum mehr als ein Zittern, zog langsam vorbei, und das Schiff erbebte als Antwort, als wäre das Donnergrollen tief unter Wasser erklungen. Die Augen der beiden Malaien am Rade glänzten zu den Weißen auf, aber ihre dunklen Hände blieben um die Speichen geschlossen. Der rasch dahingleitende Schiffskörper schien sich der Länge nach um ein paar Zoll über das Wasser zu erheben, als wäre er biegsam geworden, und machte sich dann wieder an seine Arbeit, die glatte Wasserfläche zu spalten. Sein Beben hörte auf, und der schwache Donner verstummte plötzlich, als wäre das Schiff über einen schmalen Streifen vibrierenden Wassers und schwingender Luft gefahren.
Viertes Kapitel
Als Jim etwa einen Monat später, da man ihm mit spitzen Fragen hart auf den Leib rückte, sich bemühte, über diese Begebenheit die strikte Wahrheit zu berichten, sagte er von dem Schiff: »Was das Ding auch gewesen sein mag – die Patna fuhr so leicht darüber weg, wie eine Schlange über einen Stock kriecht.« Die Erklärung war gut. Die Fragen zielten auf bestimmte Tatsachen, und die amtliche Untersuchung wurde auf dem Polizeibüro eines morgenländischen Hafens abgehalten. Jim stand hoch aufgerichtet, mit brennenden Backen, in der Zeugenbank, in einem kühlen, hohen Raum. Die großen Fächer der Punkahs bewegten sich sachte hoch über seinem Kopf, und von unten waren viele Augen aus dunklen, aus weißen, aus roten Gesichtern mit gespannter Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet, als hätte alle diese Leute, die auf engen Bänken in geordneten Reihen da saßen, der Klang seiner Stimme im Bann gehalten. Diese Stimme war sehr laut und gellte hart in seinen eigenen Ohren, er hörte nichts anderes als sie allein, denn die furchtbar eindringlichen Fragen, die ihm Antworten erpreßten, schienen sich unter Angst und Qualen in seiner eigenen Brust zu bilden – bohrten sich scharf in ihn hinein wie die Fragen des eigenen Gewissens. Draußen der glühende Sonnenbrand – drinnen der Wind der großen Punkahs, der einem ein Frösteln über den Leib jagte, die brennende Scham, die Blicke, die einen durchbohrten. Das kalte, glattrasierte Gesicht des Vorsitzenden erschien totenbleich zwischen den roten Gesichtern der beiden nautischen Beisitzer. Aus einem breiten Fenster unter der Decke fiel das Licht auf die Köpfe und Schultern der drei Männer, hob sie mit beklemmender Deutlichkeit aus dem Helldunkel des Gerichtssaals hervor, dessen Auditorium aus gaffenden Schatten zu bestehen schien. Sie wollten den Tatbestand wissen. Den Tatbestand! Sie fragten ihn nach dem Tatbestand, als hätte der irgend etwas erklären können.
»Nachdem Sie nun zu dem Schluß gekommen waren, daß Sie mit etwas unter Wasser, sagen wir mit einem auf