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Sündige Herrschaft. Andreas Nass
Читать онлайн.Название Sündige Herrschaft
Год выпуска 0
isbn 9783738039443
Автор произведения Andreas Nass
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
›Jemand beobachtet uns!‹, flüsterte mein Gedanke.
Moi’ra sah mit bereits wässrigen Augen auf. Offenbar hatte der sehr starke Schnaps sie bereits betrunken gemacht. »Wasch?«, nuschelte sie, »ha… hat… habt ihr … wasch g’sacht?« Sie deutete auf ihr Glas. »Gutes Tscheug!«
Der wieder zurück gekehrte Wirt stellte ihr eine Flasche hin.
»Bitte, nehmt doch eine Flasche mit«, bot er eifrig an. »Ich kann Euch auch auf der Burg beliefern.«
»Unser Schlosch«, wankte der Mönch, schnappte jedoch sicher die angebotene Flasche, »da werde isch jetscht hin geh’n. Ups.«
»Bleibt noch ein wenig«, ersuchte der Wirt gefällig, »es ist doch bald Mittagszeit. Mein Gasthaus bereitet wahrhaft exquisite Mahlzeiten, die müssen Euer Herrschaften probieren!«
»Damen«, warf Moi’ra sturzbetrunken ein, blieb aber sitzen.
»Bringt mir die Mittagsmahlzeit Eures Gastes, Wirt! Ich werde sie persönlich vorbei bringen. In welchem Zimmer befindet sich der Reisende?« Ich zwinkerte Yana und Wogar zu. »Mal sehen, wer dort haust.«
Vom Wirt erhielt ich Tablett und Zimmernummer. Das Servierbrett war gut gefüllt mit einer dampfenden Suppe und frisch duftendem Brot. Langsam stieg ich die Stufen hinauf und trat aus Mangel an freien Händen vorsichtig gegen die Türe des Gastes.
»Herein!«, rief eine tiefe, grummelige Stimme. »Es ist offen!«
Im Zimmer saß ein etwa sechzig Jahre alter, sehr beleibter Mann mit dichtem Bart und Hakennase. Er trug robuste Reisekleidung, seinen Rucksack hatte er an ein Stuhlbein gelehnt. Er sah mich nicht an und hob nur eine Hand, um auf den Tisch neben ihm zu deuten.
»Das Essen«, sprach ich ihn an, »welches Ihr bestellt habt. Wo soll ich es abstellen?«
Als ich ihn ansprach, wandte er mir das Gesicht zu und ich sah seine lebendig wirkenden, grünen Augen. Nun seiner Aufmerksamkeit sicher, stellte ich das Tablett auf den Tisch.
»Mein Name ist Crish, ich bin eine der Markgrafen von Ostmark und heiße Euch in der Stadt willkommen.«
»Oh«, gab er überrascht mit tiefer Stimme von sich, »ich bin Asanael Willebracht Ruhin, ein Reisender und Weiser.« Er musterte mich einen Moment lang. »Und wie komme ich zu der Ehre, von einer Markgräfin das Essen gebracht zu bekommen?«
»Nur wenige Reisende treffen dieser Tage in Ostmark ein«, antwortete ich, »und jene, die mein Interesse wecken, möchte ich persönlich kennen lernen. Woher stammt Ihr? Ich hörte, Ihr reistet von Süden heran?«
»Das stimmt, ich habe einige Zeit am Rand der Narbenlande verbracht. Dieser Teil des Landes ist mir noch unbekannt, und das möchte ich ändern. Ursprünglich stamme ich aus dem Norden, dem Reiche Nylon.«
Nylon wurde von Laird dominiert, einem Gott, der Geheimnisse ebenso liebte wie Intrigen und Hinterlist. Ich musste vorsichtig mit dem sein, was ich sagte. Oder dachte.
»Als Weiser auf Reisen seid Ihr doch sicherlich der Magie kundig?«, hakte ich nach und achtete auf jedes Anzeichen einer Lüge.
»Nur ein wenig, was so die Reise erleichtert«, wiegelte er ab.
»Ihr beherrscht nicht zufällig die Kunst des Ausspähens?«, deutete ich meine Vermutung an.
»Nein«, versuchte er zu lügen, »aber bitte, setzt Euch doch. Das Essen reicht für zwei. In meinem Alter sind solche große Portionen nicht mehr nötig.«
Beim Essen unterhielten wir uns weiter und ich kam auf Abenteuer zu sprechen.
»Nicht doch«, lachte er, »ich bin wissensdurstig, aber bei Weitem nicht lebensmüde.«
»Freudig stelle ich fest, dass eine Unterhaltung mit Euch leicht ist. Als Markgräfin, müsst Ihr wissen, verstellen sich oft die Gesprächspartner und geben keine ehrlichen Antworten. Ich wäre froh, wenn Ihr Euch ein wenig umhört und mir berichtet, was dem einfachen Volk auf dem Herzen liegt.«
»Danach werde ich mich gerne erkundigen. Noch etwas Brot?«, er reichte mir den Brotkorb.
»Ja, danke.« Ich tauchte das Brot in die Suppe und nahm einen guten Bissen. »Als Reisender habt Ihr eine neutrale Position, und auf die lege ich viel Wert. So, jetzt muss ich mich wieder um die Stadt kümmern.«
»Es war mir eine besondere Ehre.« Wir nickten einander zu.
»Ganz meinerseits. Ich freue mich schon auf unsere weiteren Treffen.«
Als ich wieder im Schankraum eintraf, war Wogar bereits mit dem alten Ukar losgezogen, um verschiedene Meisterbetriebe aufzusuchen.
»Na«, witzelte Moi’ra betrunken, »warscht du mit dem Alten im Bett?«
»Es gibt andere Werte«, antwortete Yana für mich und setzte sich demonstrativ auf meinen Schoß, »die wesentlich mehr Bedeutung haben als Sex.« Wir tauschten Zärtlichkeiten aus. Ihre straffe Haut unter der Robe fühlte sich herrlich in meinen Händen an.
»Unser Gast wird wissen«, verkündete ich absichtlich laut, »wen man ausspähen sollte, und wen nicht.« Damit beließ ich es und widmete mich wieder den sanften Küssen und Streicheleinheiten mit Yana.
Wogar kehrte allein zurück.
»Ich habe den Alten nach Hause geschickt. Wirt?« Mit saurer Miene setzte er sich an den Tisch und orderte frischen Schnaps. Moi’ra konnte sich mittlerweile kaum noch aufrecht halten, dafür hielt sie eine Flasche unnachgiebig fest.
»Setzt Euch doch zu uns«, lud ich den Wirt ein, »und erzählt ein wenig über die Ostmark.«
»Ja, denn«, nervös setzte sich der Mann zu uns und wischte seine schwitzende Stirn mit einem Lappen ab. »Wo soll ich anfangen? Ach, nehme ich doch den alten Ukar. Er ist, glaube ich, der älteste Holzfäller in der Stadt. Einst hatte er ein zänkisches Weib, und keiner sah ihn jemals lächeln. Eines Tages kehrte er ohne sie aus dem Wald zurück, dafür aber mit einer gebrochenen Hand, die niemals wieder heilte. Es ist schon einige Zeit her, damals gruselte man sich vor ihm, besonders die Kinder. Es hieß, er müsse Menschenfleisch essen, um nicht seine Hand völlig zu verlieren, aber das ist albernes Gerede.
Wenn es irgendwo nicht mit rechten Dingen zugeht, dann bei der Bastion am Fluss. Dort spukt es! Kröten fressen Menschen bei lebendigem Leib.
Aber wir haben auch verborgene Schätze. In der Zwergenbinge solle ein gewaltiger Schatz liegen, doch das Gestein ist sehr fest, so fest, dass selbst der Meisterhammer des Schmieds Schaden nahm.«
Aufgeregt wischte der Wirt wieder über seine Stirn.
»Hat Euch das Essen gemundet?«, fragte er mit Blick auf die noch halb vollen Schüsseln.
»Oh, ja«, grunzte Wogar zufrieden, »es war ausgezeichnet.«
»Es würde für mich kein Problem darstellen, Euch im Palast zu beliefern«, erneuerte er sein Angebot.
»Das geht?«, erkundigte sich Wogar mit hungrigem Blick.
»Wir werden unseren Haus- und Hofmeister davon berichten«, erklärte ich dem Wirt, »und von uns hören lassen. Für heute haben wir genug erfahren und werden uns wieder zur Burg begeben. Kommt.«
Wogar musste Moi’ra beim Gehen helfen. Ihre Flasche gab sie nicht aus der Hand.
»Ich will noch bei diesem Rakshasa vorbei«, rief mir Wogar zu.
»Was willst du denn bei ihm?«, fragte ich ungehalten.
»Er ist doch Magier, mal sehen, was er anzubieten hat.« Ich verdrehte nur meine Augen, nickte aber und trat vor das Gasthaus.
Auch der Reisende trat hinaus und nickte mir zu.
»Welch gute Gelegenheit, Euch bekannt zu machen«, erhob ich das Wort, »das ist der Reisende, der sich dieser Tage im Gasthaus befindet, Asanael Willebracht Ruhin. Die Markgrafen Wogar und