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wird dieses als Phasenübergang beschrieben. Es ist der Zustand, in dem das Wasser im Topf brodelt, jedoch noch nicht kocht. Es ist der Zustand, bevor die Dynamik umschlägt und sich eine andere Ordnung ergibt.

      Es wird März und jetzt wird es ernst. Alles wird anders. Messen und Großveranstaltungen werden abgesagt. Grenzen werden geschlossen. Menschenansammlungen sollen vermieden werden. Das reicht aber nicht, die Infektionszahlen steigen. Also werden Restaurants und Kneipen geschlossen. Das reicht immer noch nicht. Schulen werden geschlossen, Kindergärten. Die Fallzahlen nehmen weiterhin zu. Also werden alle sozialen Zusammenkünfte verboten. Menschen sollen nur noch zu zweit unterwegs sein. Es braucht jetzt einen triftigen Grund, um das Haus zu verlassen. Der Flugverkehr ist zum Erliegen gekommen, die Autobahnen sind leer, die Städte werden zu Geisterstädten und Menschen arbeiten im Home-Office. Die Dynamik ist umgeschlagen. Die neue Bewegung heißt: „Flatten-the-curve!“. Wir haben den kollektiven Auftrag, die Kurve geradezuziehen. Wer jetzt noch feiern geht, ist ein empathieloser, massenmordender Psychopath. Nein, er ist es nicht in der Realität, aber in unserer Wahrnehmung. Der Topf kocht, oder besser, das Eis ist gefroren und wir warten und verharren in Erstarrung darauf, dass die Welle über uns hinwegzieht. Die Börsen sind eingebrochen und ein Land, ein Kontinent, mehrere Kontinente stehen still und warten darauf, dass der Schmetterling aufhört mit den Flügeln zu schlagen. Es ist erstaunlich, wie wenig Widerstand gegen die Zwangsmaßnahmen zu vernehmen ist. Nicht als die Kneipen und Bordelle schließen, nicht als die Fußball-Bundesliga ausgesetzt wird, nicht als der Kindergeburtstag abgesagt wurde. Es ist als hätten alle darauf gewartet. Die Dynamik der Ruhe scheint Menschen zur Ruhe zu bringen. Endlich dürfen wir einmal stillstehen, uns hinsetzen. Wir müssen nicht nach dem Schnäppchen jagen, den neuen Film sehen, nach Barcelona jetten oder ein neues Date klarmachen. Wir müssen einfach mal auf der Couch sitzen und mit den Kindern spielen. Natürlich bringt der Stillstand Probleme, es wird zu aufgestauten Aggressionen kommen, medizinisch Kranke werden nicht versorgt. Die wirtschaftliche Zukunft steht in den Sternen. Absolut richtig. Die Frage an dieser Stelle ist jedoch: Warum genießen wir nicht einmal ganz kurz die Stille des Stillstandes? Warum sollten wir das tun? Das verrät das nächste Kapitel.

      Der Virus gibt den Takt vor

      Jede Geschichte hat ihr eigenes Skript, ihre eigene Geschwindigkeit, ihren eigenen Takt. In diesem Fall ist der Takt nicht von Menschen gemacht oder von Menschen bestimmt. Anthony Fauci, der Direktor des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionserkrankungen, ist wohl eines der Gesichter der Corona-Krise. Es ist ein freundliches Gesicht, ein aufmunterndes Gesicht, auch wenn es in den letzten Wochen wenig Positives zu vermelden hatte. Trotzdem hören die Menschen ihm gerne zu, denn er ist, trotz 16-Stunden-Arbeitstagen im zarten Alter von 79 Jahren, stets gut gelaunt und noch wichtiger, nicht aufgeregt.

      Am 23.03.2020 verkündet Donald J. Trump, der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, dass er sich wünsche, dass an Ostern 2020 die Geschäfte in seinem Land wieder öffnen und er volle Kirchen sehen werde. Dieses Interview beim Sender „Fox News“ hatte eine sehr interessante Wirkung. Andere politisch Verantwortliche betraten die Bühne und stießen ins selbe Horn: „Lasst uns wieder die Geschäfte öffnen und unsere Wirtschaft weiterführen. Wenn es Leben kostet, dann ist es halt so! Wir müssen manchmal Leben opfern, um das Land am Laufen zu halten!“ Am 28.03.2020 verkündigte derselbe Donald J. Trump, dass mehr als 100.000 US-Amerikaner mit COVID-19 infiziert und über 1.500 Menschen gestorben seien. Die Öffnung zu Ostern war wieder gecancelt, stattdessen sollten bis Ende April den Menschen die Maßgaben des social distancing erhalten bleiben. Der Präsident hatte ein Einsehen.

      Die Frage, die sich jetzt der eine oder andere stellt, worin besteht diese Einsicht genau? Die Einsicht wurde von Dr. Fauci formuliert. In einem Interview mit dem Sender „CNN“ gab er folgendes Statement ab: „You don´t make the timeline. The virus makes the timeline.“ix Der Virus gibt den Takt vor! Damit widerspricht er dem Präsidenten zum wiederholten Male und wie er in einem Science Interview verdeutlich, macht er sich damit bei Donald J. Trump unbeliebt. Dr. Fauci lässt sich durch die Launen des amtierenden Präsidenten nicht beirren. Er bleibt auf seiner Position und er fasst komplizierte Dinge für das amerikanische Volk so zusammen, dass es die Wahrheit gut vertragen kann. Dr. Fauci ist klar, dass sämtliche Vorhersagen über Infektionszahlen, Ausgangssperren und österliche Kirchgänge zum jetzigen Zeitpunkt so stichhaltig sind wie Kaffeesatzlesen. Die Dynamik liegt weder in seiner Hand, noch in der Hand des amerikanischen Präsidenten, denn der Virus gibt den Takt vor.

      Menschen sind es gewohnt in linearen Dynamiken zu denken und zu handeln. Wir machen mehr Sport und fühlen uns besser. Wir schnallen uns beim Autofahren an und die Zahl der Unfalltoten sinkt. Wir verändern etwas in unserem Handeln und wir sehen einen Effekt und dieser tritt kurz nach der Intervention ein. Wir stellen eine neue Blitzanlage auf und die Menschen fahren langsamer. Wir machen Diät und unser Gewicht sinkt. Bei COVID-19 ist die Dynamik anders. Wir greifen tief in die Persönlichkeitsrechte und in die wirtschaftlichen Abläufe ein und die Infektionen steigen weiter. Es ist ein wenig frustrierend, gerade für Menschen deren Geduld schon in normalen Zeiten schnell auf die Probe gestellt wird. Dr. Fauci berücksichtigt auch den psychologischen Effekt, den eine Virus-Dynamik haben kann. Es kann zum Bug-Chasing führen, zum Drang sich zu infizieren, denn dann hört meine Sorge auf. Dann brauche ich mich nicht mehr darum sorgen, ob ich mich anstecke, denn ich habe den Virus ja bereits. Dr. Fauci versucht das amerikanische Volk davon abzuhalten sich wie die Lemminge ins Meer zu stürzen. COVID-19 ist zutiefst demokratisch, indem er keinen Unterschied zwischen den Personen macht. Gleichzeitig ist er der Grund für die Einschränkung unserer Freiheiten verantwortlich und damit zutiefst bedrohlich für unsere demokratische Ordnung. COVID-19 gibt den Takt vor in Deutschland, in den USA, Grönland, den Fiji-Inseln oder Ungarn.

      Natürlich möchten wir uns von einem Virus nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Wir lassen uns als große starke Jungs auch nicht von einem Kleineren gegen das Schienbein treten. Die Situation erinnert mich an die Geburtstagsfeier meines damals 6-jährigen Sohnes. Es war Januar und es lagen 20 cm Schnee. Also wurde eine Schneeballschlacht zum Partyknüller ernannt. Papa gegen etwa zehn Fünfjährige. Ich hatte keine Chance, diese kleinen Racker waren einfach in der Überzahl. Jedes Mal, wenn ich einen Schneeball formen wollte, flog mir ein Schneeball ins Gesicht, in den Nacken, traf mich am Arm. Denn wenn zehn Kinder gleichzeitig Schneebälle auf einen werfen, ist es egal, ob sie fünf oder 15 Jahre alt sind. Es sind einfach viel zu viele. Hätte ich nur damals kurz an meine systemwissenschaftliche Ausbildung gedacht, dann hätte ich den Vorschlag wohl nie unterbreitet. Allerdings ging diese Geburtstagsfeier in die Familiengeschichte ein. Was hat das mit COVID-19 zu tun? Aktuell ist COVID-19 uns haushoch überlegen. Er ist zwar klein und dennoch wächst seine Zahl rasant an. Wenn der Virus den Takt vorgibt, dann können wir ausschließlich diesem Takt folgen und versuchen die „Beats per Day“ zu reduzieren. So lange jedoch die Infektionszahlen weiter steigen, ist der Schmetterling weiter am Werk.

      Wir können also gerade wenig tun und sollten wenig tun. Geschäftigkeit bringt uns gerade nicht voran. Es ist die Zeit der Erwachsenen, nicht der drängelnden Kinder im Alter zwischen 5 und 65, die endlich wieder draußen spielen wollen. Dabei ist es egal, ob das Spiel „Fußball“, „Fangen“ oder „Großevent organisieren“ bzw. „Rollkofferflughafenralley“ heißt. Diese Spiele finden gerade nicht statt und quengeln hilft nicht. Der Virus gibt den Takt vor, nicht unser Bedürfnis nach Aufregung und Ablenkung. Der Virus gibt den Takt vor und nicht unsere Wirtschaftsbilanz. Der Virus gibt den Takt vor, nicht mein Wunsch danach, dass es den Virus nicht gibt. Die vertrauten Spiele nicht zu spielen, bedeutet jedoch nicht, dass wir gar nicht mehr spielen dürfen. Allerdings werden sich die Regeln verändern und es ist an der Zeit sich mit den neuen Spielregeln vertraut zu machen. Dazu hilft es, sich ein wenig mit non-linearer Dynamik vertraut zu machen und ein wenig mehr Chaos zuzulassen.

      Chaos und Ordnung

      Ich hoffe, der Zusammenhang zwischen Chaostheorie und Corona ist an dieser Stelle deutlich geworden. Es wird Zeit, sich ein wenig mehr mit ein paar einfachen Hintergründen zu beschäftigen. Fangen wir mit einfacher Mathematik an. Die Mathematik, die uns bekannt ist und die wir gut und leicht überschauen können, lässt sich in der Formel 2*16 zusammenfassen. Wir können es leicht im Kopf rechnen und befinden

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