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und mit bleichen Lippen murmelte er einen Schwur vor sich hin: “Albrecht von Wettin. Dafür bist du verantwortlich. Dafür soll Gott dich bestrafen. Und du, Hero von Lingenburg, sollst in der Hölle schmoren. Ich werde meinen Vater rächen, und wenn es das letzte im Leben ist, was ich tue.“

      Er hatte sich in den Saal geschlichen, wo er erlebte, wie Albrecht den Lingenburger verbannte. Doch Genugtuung brachte ihm das keine, und er wiederholte im Stillen seinen Schwur, nicht ahnend, dass Gott sowohl den Lingenburger als auch Albrecht eines Tages ihrer gerechten Strafe zuführen würde. Später am Tag, als sich der Rittersaal langsam leerte und der Markgraf in seinen Gemächern verschwunden war, schlich sich Nicolas zu der kleinen Tür hinaus, die ihn letztlich zu dieser Dienstbotentreppe führte. Jetzt endlich würde es ihm gelingen, seinen alten väterlichen Freund Tassilo von Hohnberg zu befragen. Doch wie auch immer dessen Antwort ausfiel, in seinem Herzen würde für ewig das Feuer der Rache brennen.

      Kapitel 3

      Das Licht mehrerer großer Kerzen beleuchtete flackernd den Sarg, in dem der Leichnam Isberts von Lichtenwalde aufgebahrt lag. Seinen Körper verhüllte ein dunkler, hoch geschlossener Mantel. Auf dem Kopf trug er einen leichten Helm, der ihm bis in die Stirn gezogen war, so dass man seine schwere Verletzung kaum noch sehen konnte. Seine Züge wirkten friedlich, als ob er schliefe. Er hatte schon vor dem Kampf Frieden mit seinem Schöpfer geschlossen und das unausweichliche Ende des fürchterlichen Streites als Gottesurteil angenommen. In seinen Händen hielt er sein Schwert. Der Markgraf hatte bestimmt, dass es ihm mit in das Grab gegeben werden sollte, wohl aus Reue darüber, das Leben dieses edlen Mannes vergeudet zu haben.

      Am Fußende des Sarges lag Lioba im stillen Gebet. Nicolas schlich sich leise heran. Keiner sollte sehen, wie schwer es ihm fiel, seine Tränen zurückzuhalten, am allerwenigsten seine Mutter, für die er nur noch Verachtung empfand und die ihm kein Trost sein konnte. Doch sie spürte seine Anwesenheit und hob den Kopf. Ihre Blicke trafen sich. Nicolas hielt die Luft an, als er die tränenfeuchten Augen seiner Mutter sah, die ihn stumm um Vergebung anflehten. Nicolas wandte sich ab und beugte sich über den Sarg seines Vaters. Hier verharrte er einen Moment im stillen Gebet für die Seele des Toten – er schwor sich, dass es sein letztes sein würde, dass er jemals gen Himmel sandte – dann küsste er den Ring an dessen rechter Hand, der das Wappen der Familie Lichtenwalde trug, und rannte aus der Kapelle. Seine Mutter sollte er nie mehr wiedersehen.

      Im Stall wartete auf ihn Konrad von Blankenau, ein zehnjähriger Knabe, den Isbert von den Ländereien seines Vaters Markward mitgebracht hatte. Der Knabe war der Nachkomme fränkischer Siedler, die dem Ruf Barbarossas gefolgt waren und zusammen mit vom Kaiser eingesetzten Adligen den dunklen Urwald in dem wilden Gebirge an der Grenze zu Böhmen besiedelten. Konrads Vater war ein Dienstmann Markwards, und verwaltete ein kleines Gut nahe der reichsfreien Stadt Chemnitz. Doch Blankenau war arm und konnte kaum eine Familie ernähren, geschweige denn das Erbe von drei Söhnen sein. So war Konrad zum Dienst bei Isbert bestimmt worden, der ihn als Page mit sich nach Meißen nahm. Hier ließ er ihn zusammen mit seinem Sohn von seinem eigenen alten Waffenmeister Tassilo erziehen, der schon unter dem Vater Markgraf Albrechts diese Aufgabe innehatte. Ein anderer Bruder Konrads war Novize im Kloster Altzella. Sein ältester Bruder Wisbert würde später einmal den Gutshof erben.

      Konrad schaute Nicolas ängstlich an. Er wusste nicht so recht, was er dem älteren Jungen sagen sollte, der gerade seinen Vater verloren hatte.

      „Hast du schon die Pferde gefüttert, Konrad?“ fragte Nicolas etwas barsch. Froh darüber, dass sein Freund von so etwas Banalem, wie dem Füttern von Pferden, anfing, nahm er ihm den Tonfall nicht übel.

      „Ja, auch Basilius, das Pferd deines Vaters. Aber Falk hat gesagt, Basilius gehöre jetzt dem Markgrafen.“ Konrad warf dem Älteren einen unsicheren Blick zu. „Ich hatte Zeit, das Pferd zu füttern“, fügte er schnell hinzu, als er sah, dass Nicolas protestieren wollte. „Was meinst du, Nico, ob der alte Hohnsberg uns heute mitnimmt, wenn er mit den Rekruten nach Helmsdorf auf die große Wiese reitet?“ Schon öfters waren die beiden Jungen mit den Rekruten geritten, auch wenn ihre Ausbildung zum Knappen noch nicht begonnen hatte. Sie waren Pagen am Tisch des Markgrafen. Doch Tassilo sah es gern, wenn die Knaben der Ausbildung der jungen Krieger zuschauten. So konnten sie schon einiges über das Waffenhandwerk lernen. Auch wurde es nun langsam Zeit, dass Nicolas seine Ausbildung zum Knappen begann. Tassilo hatte Nicolas bereits vor Wochen versprochen, mit dessen Vater zu reden. Nun hatte sich alles geändert. Nicolas fragte sich, wer wohl von nun an über seine Geschicke bestimmen würde. Er hatte in dieser Sache bestimmt kein Mitspracherecht. Er wünschte sich fort von hier, in die fernen Wälder, von denen Konrad manchmal mit so viel Wehmut sprach. Ob er diese jemals sehen würde? Wie herrlich wäre es, mit Basilius unter den hohen Bäumen dahinzupreschen, dem Rauschen des Windes in den lichten Wipfeln zu lauschen. Er kannte nur die kleinen Gehölze, die am Ufer der Elbe standen. Zwar wurde er in der Stadt Freiberg nahe des großen Dunkelwaldes geboren, aber seine Eltern folgten bald dem Ruf Ottos des Reichen an dessen Hof, wo sein Vater zunächst in den Diensten des alten Markgrafen stand. Es war eine Ehre gewesen, die der Familie von Lichtenwalde anheimgefallen war. Oft erzählte der Vater ihm davon, dass sein Großvater ein enger Vertrauter des deutschen Kaisers Barbarossa gewesen war und dieser ihm reiche Ländereien unweit von Freiberg bis hin zum dunklen Wald für dessen Verdienste zum Lehen gegeben hatte. Nach dem Tod des alten Marquard erbte sein Vater all das, doch war diesem nie die Zeit geblieben, sich selbst um die Besitzungen zu kümmern. So übernahmen diese Aufgabe wiederum Lehnsmänner. Einer von ihnen war Konrads Vater.

      „Nein, ich glaube nicht, dass er das tut“, antwortete Nicolas nach einer Weile.

      „Was tut?“ fragte Konrad verwundert, der schon wieder ganz anderen Gedanken nachhing und eigentlich gar keine Antwort mehr auf seine Frage erwartet hatte.

      „Ich meine, dass er uns mitnimmt, auf die Wiese. Der Markgraf erwartet heute einen Gesandten vom König. Das habe ich in der Küche gehört. Dort backen und braten sie schon seit dem frühen Morgen. Da werden wir bei Tisch bedienen müssen. Eigentlich habe ich auch gar keine Lust auf irgendwelche Kämpfe… nicht heute.“ Nachdenklich starrte Nicolas auf das Stroh, was vor ihm in den Boxen lag.

      „Du warst in der Küche? Was wolltest du dort? Warum hast Du der Köchin nicht ein paar Küchlein vom Blech stibitzt? Der Hirsebrei am Morgen war wieder ohne Honig. Ich glaube, die junge Markgräfin wollte uns für unsere Sünden bestrafen.“

      „Konrad, was glaubst du…Ich hatte heute morgen bestimmt keine Gedanken für deine Kuchen“ brauste Nicolas auf. „Was sagst du da?, fuhr er etwas milder fort. „Die Markgräfin hat Euch für Eure Sünden bestraft? Warum? Was haben die armen Stallknechte getan?“

      Konrad schaute zu Boden und wagte nicht, den Blick zu Nicolas aufzuheben. „Sag es mir, Konni. Warum? Was für Sünden?“

      „Ich habe gehört, wie die alte Berthe, die den Morgenbrei bringt, zu einer der Mägde gesagt hat, es sei eine Schande, dass ein so tapferer Ritter wie Isbert umkommen musste, nur weil ein dahergelaufener Galan nicht seinen Hosenlatz zulassen kann. Und die Knechte im Stall hätten auch noch zugeschaut, anstatt die beiden aus dem Stroh zu jagen.“ Nicolas schnappte nach Luft.

      „Was ist los Nico? Weißt du, was sie gemeint hat?“

      Der Ältere strich dem Knaben mit der Hand über die blonden Locken und nickte langsam. „Du würdest es nicht verstehen.“ Aber er, er verstand es, er wusste, was sie gemeint hatten. Auch wenn er erst zwölf Jahre alt war. Oh, wie er seine Mutter hasste.

      Stimmengewirr riss Nicolas aus seinen Gedanken. Die Knappen, welche unter Tassilos Aufsicht standen, kamen, um ihre Pferde zu holen. Ein hochgewachsener Jüngling betrat als erster den Stall. Sein langes schwarzes Haar war zu einem losen Zopf geflochten und fiel ihm weit über den Rücken. Seine dunkelblauen Augen glitzerten im Licht der Stalllaterne kalt wie Stahl. Als er Nicolas sah, blieb er unvermittelt stehen und musterte ihn mit einem Anflug eines boshaften Lächelns. Obwohl nur zwei Jahre älter als Nicolas, überragte er diesen bereits um mehr als einen Kopf. In wenigen Jahren würde er zu einem stattlichen Mann herangewachsen sein. Doch ging von ihm bereits jetzt eine Kälte aus, die einen schaudern machte.

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