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in Planung und das Innenleben des Berges weitgehend unbekannt. Irgendjemand muss die Zeichnungen vervollständigt haben.“

      Dankwart kratzt sich am Kopf, doch das führt natürlich auch nicht zu größerem Verständnis.

      „Seht mal: Hier enden im Haus der Heiler die Kammern, die wir bewohnten. Doch dahinter endet die Halle noch nicht. Der Raum ist noch um ein Vielfaches größer. Wer aber an dieser Wand steht hat nicht den Eindruck, dass diese durch einen Einsturz entstand. Diese Wand wurde ordentlich bearbeitet und geglättet und ein Tor oder ähnliches ist nicht zu entdecken.“ Dann zeigt er auf die Tür der Bücherhalle und meint: „Diese Tür ist deutlich eingezeichnet, weil es sie schon immer gab. Trotzdem haben wir sie fast zehn Jahre lang nicht entdeckt. Ich kann das einfach nicht verstehen.“ Erneutes Schädelkratzen. Dann schlägt er abschließend Band eins der Planbücher zu und streckt die Hand nach dem Zweiten aus. „Gebt mir bitte das Buch, damit ich sie ordentlich verwahre. Die werden auf jeden Fall nach Steinenaue mitgenommen.“

      Er erhebt sich und klemmt die beiden schweren Bücher unter den Arm. Er kann sie kaum umfassen, wegen der Größe. Das Gewicht ist für einen Zwerg noch nicht der Rede wert.

      „Lasst uns in den Gemeinschaftsraum gehen. Sicher ist Petrissa schon fertig und erwartet uns.“

      Während des Rückwegs sagt Carissima: „Eine wahrlich wundersame Ruine. Mich juckt es in den Finger, herum zu streifen und weitere Wunder zu wecken.“ Carissima ist von Abenteuerlust gepackt.

      „Wer weiß, was ihr zu bewirken im Stande seid, Prinzessin. Allerdings muss ich darauf hinweisen, dass dies keine Forschungsreise sein soll, sondern nur eine kurze Besichtigung. So verfügte es euer Vater.“

      „Er glaubt wohl, es sei alles schon entdeckt worden. Ich hingegen bin der Meinung, man müsse nochmals sein Glück probieren. Niemand kann wissen, was Gabbro für uns bereit hält. Sind die Bücher nicht der beste Beweis dafür?“

      „Wohl war, Prinzessin, das weiß niemand. Doch denke ich, das zu erproben sollten wir auf morgen verschieben. Es ist an der Zeit ein wenig zu ruhen. Erwählt euch eine Kammer, Prinzessin. Ich werde über euren Schlaf wachen.“

      „Ich beteilige mich natürlich am Wachdienst.“, vermeldet Anschild eifrig.

      Und auch Gernhelm sagt: „Ich werde persönlich über meine kleine Schwester wachen.“ Dabei beäugt er mit seinen grauen Augen den jungen Kleybercher eifersüchtig. Er richtet seinen muskulösen Körper deutlich auf, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.

      Die kleine Schwester passt Carissima überhaupt nicht. „Ich denke, es ist überhaupt keine Wache zu halten. Wir sind hier in der Festung und das Tor ist verschlossen. Was soll also hier drin passieren?“

      „Vielleicht euer Wunder, Prinzessin.“, bedeutet Anschild mit spitzbübischem Grinsen. Schade, dass man nun nicht seine Gedanken lesen kann.

      * * * * *

      Nach dem leckeren Abendessen aus Honigbrei, Wildbret und Fladenbrot, das Petrissa auftischte, setzt man sich noch ein wenig vor den Berg und geniest die milde Frühlingsluft. Nach dem kalten Winter ist es eine Wohltat. Dankwart hat sich ein Pfeifchen angezündet und blinzelt zum Mond hinauf, den kein Wölkchen trübt.

      „Eine klare Nacht liegt vor uns. Morgen früh wird es sicher noch recht kühl sein. Doch bis wir wieder zurück wandern, wird die Sonne wohl ordentlich wärmen.“, meint er zu seiner Gattin.

      „Was denn, schon morgen wieder zurück? Ich dachte wir bleiben länger, auch wenn es nur eine Besichtigung sein soll.“, protestiert Carissima. „Sicher wird sich noch was entdecken lassen.“

      „Ihr glaubt tatsächlich, zwei vergessene Bücher seien Wunder genug, länger hier zu bleiben. Nein, Prinzessin. Es ist leider nur ein Wunder, wie ich diese Bücher vergessen konnte. Euer Vater hat bestimmt, dass wir nur einen Tag hier verweilen sollen.“

      „Wie gemein.“, jammert sie trotzig. „Gernhelm, hilf mir doch.“

      „Und wie soll ich dir helfen? Ich kann Dankwart nicht befehlen, gegen unseres Vaters Willen zu handeln. Das Ackerjahr beginnt bald und es gibt viel zu tun. Nach dem Winter muss für neue Vorräte gesorgt werden. Es war dieses Mal zwar nicht knapp mit den Nahrungsmitteln, doch denk an den prophezeiten schlimmen Winter. Wer weiß, was noch kommen mag. Die Vorhersagen von Gilbert Steinschleifer trafen noch immer ein. In die Vorratskammern passt noch etwas rein. Und ich weiß noch nicht, wie viele der Kitze und Frischlinge des vorigen Jahres der Kälte zum Opfer gefallen sind; zusätzlich zu dem was die Wölfe sich geholt haben.“

      Dankwart nickt dazu und ergänzt: „Am Anfang kann man nie wissen, wie die Ernte ausfallen wird. Also muss man zuerst dafür sorgen, dass es ein gutes Jahr werden kann und den Grundstein dafür legen, indem man rechtzeitig die Saat in den Boden bringt.“

      „Das ist so ungerecht. Nur mal gucken, wo andere lange Zeit suchen und forschen durften.“

      Carissima ist eingeschnappt und geht in die Kammer zum Schlafen.

      Obwohl die Prinzessin recht hat, dass im Berg nichts passieren kann, verabreden sich die drei Männer Wache zu halten. Das Los fällt auf Anschild als Ersten, danach Gernhelm und zuletzt Dankwart. Bis auf den jungen Kleybercher ziehen sich alle in ihre Kammern zurück.

      Was dann von dieser Nacht berichtet werden wird, kann widersprüchlicher nicht sein und die Ereignisse sind bis heute nicht geklärt worden.

      Anschild behauptet eine ruhige Wache gehabt zu haben. Er hat im Eingangsbereich der Gemeinschaftshalle an einem Tisch gesessen und noch ein wenig die Karte von Kleyberch studiert. Am Ende sei er gegangen, Gernhelm zu wecken und sich selbst schlafen zu legen. Irgendwann später habe ihn Carissima abgeholt und sie seien in ihre Kammer und durch eine Tür in der Rückwand in den Berg gegangen. Erst am anderen Tag seien sie wieder richtig wach geworden.

      Gernhelm berichtet ebenfalls von einer ruhigen Wache. Um sicher zu sein, dass seiner Schwester kein Haar gekrümmt wird, bezieht er direkt vor ihrer Tür Posten. Keiner der anderen habe seine Kammer verlassen. Kurz vor Ende der Wache sei Dankwart erschienen und habe ihn abgelöst. Er war etwas früher wach geworden und so wurde Petrissa nicht versehentlich mit ihm geweckt.

      Auch in Dankwarts Wache geschieht nichts. Leise geht er zwischen den Kammern hin und her und überlegt immer noch, wie die zwei Bücher übersehen werden konnten. Er findet dafür aber keine Erklärung, außer an seiner eigenen Aufmerksamkeit zu zweifeln.

      Carissima hat fest geschlafen, als sie von Anschild geweckt wurde. Er hat ihr eine Tür in der Rückwand der Kammer gezeigt, durch die sie in den Berg gelangt sind. Sie sei dann erst am anderen Tag wieder wach geworden.

      Petrissa hat als Einzige nichts zu berichten. Sie hat geschlafen. Doch will sie im Halbschlaf eine schwere Tür zuschlagen gehört haben.

      Einzig nachweislich von allem bleibt die Tatsache: Carissima und Anschild sind seit dieser Nacht verschwunden.

      Unwahr gesagt?

      Das Ausbleiben des gefürchteten Winters erregt allseits Erstaunen. Eigentlich kann man die paar Tage nicht einen Winter nennen. Auch wenn es zeitweilig ungemein kalt wurde. Da hat man schon ganz anderes erlebt. Der Frühling hat mit Macht Wochen vor der üblichen Zeit begonnen. Viele stellen sich die Frage: Was mach ich nun mit den reichlichen Vorräten?

      Da gibt es vor allem einen, der ein sehr langes Gesicht macht; Laurentz, der Abt in St. Wolfgang. Immer wenn er an die Massen der eingelagerten Ernteerträge denkt, so wie jetzt, wird ihm speiübel. Nicht nur, dass er viel dafür bezahlen musste, die freien Bauern und Grafen hatten ihn ganz gewaltig geschröpft oder haben garnichts verkauft, weil sie durch die Zwerge von der Weissagung wussten. Jetzt droht auch noch bei dieser Wärme alles zu verrotten. Den Brüdern gelingt es nur noch unter größter Anstrengung, die Nahrungsmittel zu erhalten. Wie lange würde man den Erhalt noch leisten können? Anstelle der Messen sind schon Gebetsgesänge

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