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      Topophobie – nie gehört

      Lampenfieber – wissenschaftlich „Topophobie“ - kennt jeder, und wenn es nur die Schmetterlinge im Bauch sind oder die Aufregung vor dem ersten Kuss, der ersten Begegnung mit der Traumfrau. Jeder ist dem Phänomen Lampenfieber in irgendeiner Form mehr oder weniger heftig schon einmal begegnet. Insbesondere dann, wenn wir im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen, versagt uns plötzlich die Stimme oder geraten wir ins Stottern.

      Schon der Schriftsteller Mark Twain sagte: „Das menschliche Gehirn ist eine großartige Sache. Es funktioniert vom Moment der Geburt an – bis zu dem Zeitpunkt, wo Du aufstehst, um eine Rede zu halten.“

      Lampenfieber wörtlich zerlegt bedeutet ja nichts anders als eine Reaktion unseres Körpers (Fieber) auf Lampen – auf einer Bühne, im Blitzlichtgewitter, im Rampenlicht: Wir sind plötzlich Herr des Geschehens, und alle Blicke sind auf uns gerichtet. Alle möglichen Gedanken schießen uns durch den Kopf: Wie denken die Leute über mich? Was bemängeln sie an mir? Sitzt mein Hemd, mein Jackett, mein Kleid richtig? Lacht mich vielleicht jemand aus? Reden die über mich und wenn ja, was? Wie finden die meine Rede, ist das alles am Thema vorbei oder treffe ich den richtigen Ton? Sie verhaspeln sich, sprechen plötzlich viel lauter, hektischer und irgendwie höher als im Normalfall?

      Plötzlich schießt uns alles durch den Kopf anstatt uns nur auf das zu konzentrieren, was wir sagen wollen. Dann bringen wir vielleicht auch noch unsere Spickzettel durcheinander – der letzte Halt ist weg! Wir schaffen es nicht, an den Blicken der Zuschauer einfach vorbei zu sehen und nicht durch irgendetwas im Publikum irritiert zu werden. Es ist völlig egal. Denn wir meinen sowieso zu wissen oder zu glauben, was in den Köpfen anderer jetzt vor sich geht, anstatt einfach nur unser Ding zu machen und abzuspulen, was wir können. Wir haben es ja zuvor hundertmal trainiert und uns überlegt, was wir sagen wollen. Also warum reden wir nicht einfach souverän, setzen unseren Körper mit Aufmerksamkeit erreichenden Bewegungen ein, suchen den Blickkontakt, überzeugen mit offenen Augen, zeigen durch Lächeln Sympathie und Begeisterungsfähigkeit. Es wäre so einfach, aber plötzlich im Rampenlicht versagen alle unsere Fähigkeiten. Wie von Geisterhand manipuliert ist alles weg. Gute Vorsätze schwinden dahin, zerfließen im Moment des Auftritts, und wir stehen vor dem Scherbenhaufen aller guten Vorsätze. Selbst das fällt uns nicht mehr ein, dann auch dazu zu stehen und dem Publikum einfach einzugestehen: „Ich habe Lampenfieber“, was ja nur allzu menschlich wäre. Denn so könnte man auch die Situation retten.

      Definitionsversuch

      Dabei gibt es nicht einmal eine eindeutige Definition von Lampenfieber. Lampenfieber nur als Redeangst oder Auftrittsangst zu bezeichnen, wäre zu wenig. Oft verwendet man Lampenfieber und Aufführungsangst synonym nebeneinander. Man grenzt auch beides gegeneinander ab:

       Lampenfieber als positiv leistungssteigerndes Auftrittsgefühl mit schöpferischem und gestaltendem Erleben

       Auftrittsangst, die sich negativ auswirkt als passiver Zustand, bei dem sich der Agierende eher als Opfer sieht.

      Manche Menschen werden ja schon nervös, wenn Sie nur irgendwo auf der Bühne, im Rampenlicht, in der Öffentlichkeit stehen. Hier kommen wir dann auch schnell zu den sozialen Phobien, in denen sich jemand schnell vermeintlich von anderen negativ beobachtet und bewertet fühlt.

      Man sieht es Menschen an, die sich unwohl fühlen, nicht wissen, wie und wo sie ihre Hände lassen sollen. Manche stecken sie lässig aus Unsicherheit in die Hosentaschen, verschränken sie oder halten eine Hand wie Napoleon ins Jackett. So macht es übrigens auch Kronprinz Charles aus England. Oder er spielt nervös an seinem Ringfinger. Man muss einfach mal Prominente genauer beobachten. Nicht jeder ist souverän genug und kann sein Lampenfieber geschickt überspielen.

      Wer oft im Rampenlicht steht, findet irgendwann zu seinem eigenen Weg, mit dem Lampenfieber umzugehen. Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl kullerte oft seine Augen in den Himmel hinein und war dann einfach mal weg – von den Blicken von Millionen an den Bildschirmen. Es gibt nur ganz Wenige, die diese Interaktion Publikum/Einzeldarsteller perfekt gelernt haben. Übrigens ist das natürlich auch Teil der Ausbildung von Schauspielern. Insofern müssen Politiker auch immer gleich Schauspieler sein. Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder beherrschte dieses mediale Spiel perfekt – ohne irgendeine Spur von Lampenfieber. Doch so mancher Politiker wirkt zeitlebens trotz aller Bemühungen buchstäblich wie der Ritter von der traurigen Gestalt. Es gibt eigens Crash-Kurse gegen Lampenfieber mit Personal-Trainer, gerade für Politiker und Wirtschaftsmanager (dazu später mehr).

      Was ist Lampenfieber ganz genau?

      Lampenfieber ist ein weit verbreitetes Phänomen, das Menschen jeder Altersklasse, jeden Geschlechts, jeder Stellung und in jeder Situation treffen kann – natürlich solche, die von Berufs wegen im Rampenlicht stehen, häufiger: Schauspieler, Sänger, Tänzer, Musiker, Politiker, Wirtschaftsbosse, Professoren, Lehrer – aber eben auch so genannte Gelegenheitsdarsteller wie Schüler, Studenten oder Wettkandidaten in Shows.

      Was läuft körperlich bei Lampenfieber ab? Die Steuerzentrale in unserem Gehirn, der Hypothalamus, löst eine Reaktion des Sympathicusnervs aus. Diese hat zur Folge, dass die Nebennierenrinde Adrenalin und Noradrenalin ausschüttet. Das kann ebenso positive wie negative Auswirkungen haben, wie wir unten näher erläutern. Jeder Mensch hat unterschiedlich mehr oder weniger Lampenfieber.

      Manche bleiben selbst bei großen Ereignissen auf der Bühne vor tausenden von Menschen noch ruhig und cool. Andere dagegen bekommen schon Lampenfieber, wenn sie im kleinen Familienkreis, der ja vertraut ist, nur probeweise vorsprechen. Es gibt aber durchaus Mittel und Wege, dem Lampenfieber Paroli zu bieten. Ja, man kann lernen, damit umzugehen, und man kann einen sicheren Auftritt hinlegen, so dass dem Publikum die innere Anspannung nicht auffällt und man nahezu perfekt erscheint. Wenn wir wüssten, wie es in so manchem Künstler brodelt, die uns als souverän vorkommen. Schauen Sie mal genauer auf deren Stirn und entdecken Sie dort die Schweißperlen: pures Lampenfieber!

      Um Lampenfieber anschaulich zu verstehen, genügt erst einmal eine ganz einfache Vorstellung: Sie stehen in der Küche und bereiten das Mittagessen vor (oder Sie sitzen an Ihrem Computer und schreiben etwas). Plötzlich öffnet sich die Tür und ein Leopard springt ins Zimmer. Welche Möglichkeiten haben Sie nun? Bevor Sie reagieren, bewerten Sie blitzschnell die Situation. Es gibt zwei Sichtweisen für diese Situation:

      Sie kennen den Leoparden, weil Sie ihn von Geburt an mit der Flasche aufgezogen haben. Sie freuen sich nun, dass er Sie wieder einmal besucht. Sie reagieren nicht hektisch, sondern vertraut. Jeder andere würde nun denken, dass Sie kein Raubkatzendompteur sind und der Leopard für Sie eine lebensbedrohliche Gefahr darstellt. Als bedrohter Mensch bleiben Ihnen nun zwei Möglichkeiten: Sie können vor dem Leoparden weglaufen oder Sie kämpfen mit ihm.

      Man bezeichnet das als Fight-of-Flight-Zustand. Der aktiviert sich in unserem Körper immer dann, wenn wir einer Bedrohung gegenüber stehen. Spontan aktivieren sich alle Kräfte im Körper auf Fliehen oder Kämpfen. Die Nebennierenrinde setzt die Stresshormone Adrenalin, Kortisol und Noradrenalin frei. Sie gelangen in unseren Blutkreislauf und schrauben alle Funktionen hoch, die dazu geeignet sind, zu fliehen oder zu kämpfen, zum Beispiel:

      Unsere Schmerztoleranz steigt an, um nicht im Kampf oder auf der Flucht von kleinen nebensächlichen Schmerzen abgelenkt zu werden.

      Unsere Blutgerinnung im Körper erhöht sich, um Verletzungen schneller abheilen zu lassen, die wir uns im Kampf oder auf der Flucht zuziehen.

      Unser Blutzuckerspiegel steigt. So setzt sich Energie für die Muskeln schneller frei. Erhöhte Herzfrequenz und ein erhöhter Blutdruck unterstützen das außerdem.

      Die Grundanspannung unserer Muskeln steigt. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes angespannt. So ist es bis zur wirklichen Anspannung der Muskeln, wie sie beim Kämpfen oder Fliehen nötig ist, nicht mehr weit und sie brauchen nicht den weiten Weg von der absoluten Entspannung hin zur notwendigen Anspannung, sie

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