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allerliebste Brosche in Form einer kleinen Mandoline aus hellblauen Mosaiksteinen hielt der Verkäufer Suse vor die Augen: »O bellissimo – schön, serr schön für kleines Signorina«, versuchte er sie zu überreden.

      Ei – der Suse gefiel die kleine Mandoline. Die hätte sie gar zu gern gehabt. »Vatichen,« bat sie, »kauf' doch dem armen Mann die süße kleine Mandoline ab. Er bittet doch so.«

      »Ausgeschlossen, Kind. Daran muß man sich hier in Italien gewöhnen. Die Händler und Bettler sind oft recht lästig. Kauft man ihnen etwas ab, wird man sie gar nicht mehr los. Man ersteht alles in den Geschäften billiger und reeller.«

      »Aber die Mandoline ist doch so niedlich, bitte, bitte« –, jetzt fing auch noch die Suse an zu betteln; denn der Italiener lief immer noch neben ihnen her, die kleine Mandoline verlockend in die Höhe haltend.

      »Nein, mein Herzchen. Du mußt dich daran gewöhnen, nicht gleich alles haben zu wollen, was du siehst.«

      Suse schob die Unterlippe vor; der erste Verweis vom Vater, wenn er auch in noch so liebevollem Tone gegeben war, ging ihr nahe.

      Zum Glück hatte sie nicht lange Zeit, der Mandoline und der väterlichen Zurechtweisung nachzutrauern.

      »Ach, sind das winzige Balkons hier in Neapel – wie Vogelbauer. Vater, warum haben die so häßliche, braune Vorhänge?« Herbert hatte seine Augen überall.

      »Gegen die heiße italienische Sonne, mein Sohn. Sieh nur, überall sind die Fensterläden gegen Staub und Hitze geschlossen.«

      »Gar keine Blumen sind auf den Balkons gepflanzt«, bedauerte Suse.

      »Nein, Balkonblumen kennt man hier nicht. Nur auf den größeren Terrassen werden Blumen angepflanzt. Schau, Suschen, die Blumenverkäuferinnen auf der Straße haben ihre Waren in Glaskästen, damit sie frisch bleiben.«

      »Suse, sieh bloß mal die ulkigen Gassen.« Herbert puffte die Schwester aufmunternd in die Seite. »Aus Steintreppen bestehen sie und so schmal sind sie. Sieh nur, Suse, da sind lauter Wäscheleinen kreuz und quer von einem Haus zum gegenüberliegenden gespannt. Da trocknen die Leute ihre Wäsche. Vater, können wir nicht mal solche drollige Straße hinaufgehen?«

      »Diese Gässchen sind nicht sehr einladend und appetitlich. Immerhin echt neapolitanisch.« Der Vater kam Herberts Bitte nach und bog mit ihnen in eine dieser mit Steinstufen zur Höhe klimmenden Gässchen ein.

      Puh – war das eine Luft da drin. Es roch nach verwesenden Küchenabfällen, welche die Bewohner dort einfach aus dem Fenster zu schütten pflegten. Überall sah man Bananen- und Orangenschalen auf dem Pflaster liegen. Dazu strömte aus den Häusern ein brenzliger Duft von in Öl gebackenen Fischen. Es wurde der Suse ganz übel zumute.

      »Vati, wir wollen hier nicht weitergehen, es riecht abscheulich.« Sie zog ihn zurück.

      »Hab' dich nicht, Suse«, ereiferte sich Herbert. »Käse riecht auch schlecht und schmeckt trotzdem gut. Sieh bloß mal, da kämmt eine Mutter ihr Kind auf der Straße vor dem Hause. Und da schält eine Frau Kartoffeln, und dort drüben steht sogar eine mitten auf der Straße am Waschfass und singt«, rief Herbert erstaunt.

      »Ja, das Leben des Volkes spielt sich hier in Neapel zum größten Teil auf der Straße ab«, bestätigte der Vater.

      »Dort macht ein kleines Mädchen Schularbeiten mitten auf der Straße«, rief auch Suse verwundert.

      »Wenigstens lernen jetzt die Kinder hier in Neapel Lesen und Schreiben. Es gibt hier noch alte Leute, die es nicht können. Öffentliche Schreiber und Vorleser auf den Plätzen waren hier früher von dem Volk, das nicht lesen und schreiben konnte, sehr gesucht«, erzählte der Vater den Kindern.

      »Wie können große Leute nur so dumm sein!« Herbert war wieder mal mit seinem Urteil fertig.

      »Seht mal, Kinder, die kleinen Nackedeis dort, die nehmen Sonnenbäder«, lachte die Mutter, auf eine ganze Horde kleiner brauner Kinder, die sich auf den Steinstufen der bergigen Gasse sonnten, weisend. Aber als die Fremden jetzt vorübergingen, streckten sie ihre schmutzigen Händchen aus und bettelten: »Un soldo – un soldo!« Sogar die ganz Kleinen, die kaum sprechen konnten, bettelten schon: »Un so – un so!«

      »Muttichen, haben wir nicht noch alte Sachen für die armen nackenden Kinder?« bat Suse, Tränen in den Augen. Ihr Mitleid war geweckt.

      »Die Kinder wollen deine Sachen gar nicht, Herzchen. Die gehen nackt, weil's ihnen bequemer ist, und weil die Mittagssonne heiß brennt. So, schaut euch noch die kleinen Makkaroni-Esser hier an.« Der Vater wies auf eine Gruppe bronzefarbener Jungen, die aus einem gemeinsamen Topf mit den Händen ihre Makkaroni herunterschlangen. Sie entwickelten dabei eine ungeheure Schnelligkeit und Geschicklichkeit. Es sah aus, als ob sie um die Wette äßen.

      »Wie unmanierlich die essen!« meinte Suse naserümpfend. »Ohne Gabel und ohne Serviette.«

      »Die kleinen Neapolitaner sind noch urwüchsig. Ihre Finger sind ihre Gabel«, lachte der Vater.

      Aber die Zwillinge waren doch froh, als sie aus der engen, stickigen Gasse wieder zu breiten, schönen Straßen zurückkehrten.

      Fruchthändlerinnen, bunte Kämme in den schwarzen Haaren, mit farbenleuchtenden Tüchern, boten allenthalben an den Ecken laut schreiend Südfrüchte aus.

      »Vati, ich habe Durst.« Herbert schielte zu den verlockenden Auslagen, Apfelsinen, Mandarinen, Feigen, Datteln und Bananen hinüber. Der gute Vater kaufte herrliche Orangen.

      »Hier werden schon aufgemachte Apfelsinen verkauft, nimm doch lieber die«, riet der praktische Sohn.

      »Nein, das ist ungesund! Die italienischen Verkäuferinnen sind nicht sauber. Ihr dürft nur Früchte essen, die in Schalen verkauft werden, wenn sie ungewaschen sind. Nie etwas ohne Erlaubnis von den Straßenhändlern kaufen. Versprecht mir das, sonst könnt ihr leicht krank werden«, verlangte der Vater.

      Das versprachen die Kinder und ließen sich die schönen, großen Früchte schmecken.

      Nachdem sie noch die Galleria Umberto mit ihren eleganten Magazinen und Cafés, das Königliche Schloß, Palazzo Reale genannt, bewundert hatten, merkte der Professor, daß nicht nur Suse blaß und müde aussah, sondern daß auch seine Frau allmählich von all dem Neuen abgespannt wurde.

      »Nun werden wir nach St. Elmo hinauffahren und dort essen«, schlug er vor. »Ihr habt vorläufig genug gesehen. Dort oben, von dem Belvedere des alten Klosters, hat man den schönsten Blick auf Neapel und Umgegend.«

      »Und der Hafen, Vater? Und das Aquarium? Du hast mir versprochen, daß wir heute hingehen.« Herbert und sein Bubi hatten noch lange nicht genug.

      »Ihr bleibt ja mindestens ein Jahr hier, Junge. Da müssen wir doch nicht alles gleich am ersten Tage erledigen. Zum Hafen will ich nachmittags mit euch. Jetzt brennt dort draußen auf der Mole die Sonne zu sehr. Soll ich einen Wagen nehmen, Fränzchen? Du siehst müde aus und Suschen ebenfalls.«

      »Au ja, einen Wagen, Vati!« Suse war plötzlich wieder ganz munter geworden.

      Und nun erholten sie sich bei einer herrlichen Wagenfahrt aus dem Stadtgewühl hinauf zu den Höhen. Den Corso Vittorio Emanuele ging es aufwärts, der in kühnen Windungen um die Höhe von St. Elmo herumführt.

      »Seht mal, Kinder, die Straße ist zum Teil auf Viadukten aufgebaut«, machte der Professor seine Familie auf den kühnen kunstvollen Bau der Straße aufmerksam.

      »Viadukt, was ist das, Vater?« erkundigte sich Suse gähnend.

      »Eine Art Brücke, die von Steinpfeilern getragen wird und eine Verbindung über ein Tal hinweg bildet.«

      »Eisenbahnviadukte gibt's auch, Suse.« Herbert spielte sich schon wieder auf, trotzdem er eigentlich auch nicht genau gewußt hatte, was ein Viadukt war.

      »Können die auch nicht einstürzen?« Die Suse war und blieb nun mal ein kleiner Angstmeier.

      In den Gärten, welche die Villen umkränzten, blühte es in

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