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Ich glaube, man will immer so weitermachen, wie bisher: Weil es immer so ging!

      Ich änderte meinen Lebensstil und schrieb, statt mit der doppelten oder dreifachen Anzahl von Patienten zu arbeiten: was, nebenbei bemerkt, kein Mensch kann. Auch wurde unser Honorar nicht von allen Kassen auf dem obigen Niveau gehalten: dennoch sind wir auf der absolut untersten Honorarstufe der Fachärzte innerhalb der KVen.

      Aber in Deutschland wird unzähligen Menschen das Unmögliche abverlangt. Und es wird zu wenig dazu gesagt und wird dennoch etwas gesagt, wird es verdreht und verstreut in alle Winde. Deutung wird gegeben und Zweifel werden gesät. Motiv und Interesse steuern Kommunikation. Wie es nun auch bei Horst Köhler versucht wird: Aber bei seiner Amtsniederlegung wird dies in der Wirkung nicht gelingen. Er hat sich mit seiner Frau an seiner Seite von seinem Amt verabschiedet. Die Frau gehört bei diesem Staatsakt des Bundespräsidenten dazu! Selbst bei eher lapidaren Anlässen wird Sicherheitspersonal bereitgestellt und Frauen werden zusätzlich nicht eingeladen, so wie bei der Einweihung des U-Turms in Dortmund, als Herr Winkelmann seine Video-Installationen das erste Mal öffentlich Ende Mai in Gang setzte. Vermutlich war es eine Vorsichtsmaßnahme, wie man munkelt, Frauen nicht einzuladen, weil Rüttgers auch zugegen war... Er sollte geschützt werden. Frage: vor wem oder was, vor den Frauen? Oder sollten Frauen geschützt werden, falls genau welche Situation unerwartet eintreten könnte? Und sie wurden und werden deshalb nicht eingeladen? Oder ist es doch nur wieder dieser Männerklüngel in Deutschland, bei dessen Treffen Frauen nichts zu suchen haben? Dieses Benehmen spiegelt unsere Männergesellschaft mit dem Aushängeschild für „Gleichberechtigung“ im Extrem wider. Auch dieses schlechte Benehmen konnte Horst Köhler qua Amt, wie jeder andere Bundespräsident auch, durchbrechen. Zum Bundespräsidenten gehört die Frau des Bundespräsidenten.

      Es wirkte nicht schwach, als er mit seiner Frau an seiner Seite zur Abgabe seins Amtes antrat. Auch andere Minister und offizielle Amtsinhaber lassen ihre Frauen inzwischen auf politischen Bühnen spazieren und natürlich möchten die Medien private und intime Details aus dem Leben in die Öffentlichkeit zerren. („Das Private rückt in den Vordergrund.“ In: Ruhr Nachrichten, 27.12.2010) Auch darüber, ob Frauen von Ministern (oder umgekehrt Männer von Ministerinnen) gleichzeitig in der Öffentlichkeit eine politische Funktion übernehmen sollten und übernehmen dürfen, sollte reflektiert werden.

      Worüber nicht diskutiert werden muss, ist die Wahrung des privaten Lebens für alle Menschen und somit auch der politischen Spitze in Deutschland und anderswo. Mit dieser Feststellung wird jedoch sofort das Thema Datenschutz in Deutschland angestoßen und die Frage, wie weit dürfen Bundesbürger gläsern gemacht werden und zu welchem Zweck? Inwiefern ist in Deutschland Bereitschaft vorhanden, die Psyche, die Seele und letztlich privates Leben von Menschen zu schützen und nicht nur die Gefahr von Hackern, die in staatliche Datennetze eindringen, abzuwehren? Hacker versuchen an interne politische, militärische und wirtschaftliche Daten zu gelangen, wie die Ruhr Nachrichten mitteilt. („Staatliche Datennetze in Gefahr.“ In: Ruhr Nachrichten, 27.12.2010, Titelseite) Diese internen Datensätze können politische Interessenslagen offen legen, wie sie möglicherweise offiziell dem Bundesbürger und Wähler nicht in Gänze kommuniziert werden. So verwundert es nicht, dass von Krieg im Internet im Dezember 2010 gesprochen wird und die Berichte darüber assoziativ an Science-Fiction-Filme erinnern: „Wie wird der Kampf gegen die Cyber-Attacken gesteuert? Zentral. Seit Mai dieses Jahres bündelt das ‚US Cyber Command’ die Einsätze an der Online-Front. Bislang hatten sich die Aufgaben auf vier verschiedene Geheimdienste verteilt. Der Kommandeur der ansonsten streng geheimen Truppe hat schon klargemacht, dass er die Zuständigkeit seiner Einheit sehr weit ausgelegt (sic). Zugriff auf E-Mails und soziale Netzwerke verlangt Armeegeneral Keith Alexander, um Amerika vor Angriffen aus dem Cyberspace zu schützen. Der Schock nach den Wikileaks-Enthüllungen gibt den Befürwortern einer stärkeren Kontrolle des Netz-Lebens zusätzlichen Auftrieb.“ („Neue Bedrohung für die USA?“ In: Ruhr Nachrichten, 27.12.2010) Es geht also um Wahrung geheimer oder intimer politischer Landesinteressen und den mit ihnen genuin verbundenen Motiven gegenüber anderen Ländern und – wird noch weiter spezifiziert und eingedrungen in politisches und wirtschaftliches Leben – um Geld und Kapital, das geschützt werden soll.

      Washington gibt viel Geld pro Jahr für die Abwehr der Angriffe aus der Cyber-Welt aus: Schätzungsweise sechs bis sieben Milliarden Dollar, teilt Joachim Rogge im selben Artikel der Ruhr Nachrichten mit. Frage: Wo werden Menschen, und abstrakter, das menschliche Wesen, die Seele und die Psyche von Menschen, mit so viel Geld und feinem Gespür für Intimität, weltweit geschützt?

      Köhler versuchte Brücken zu bauen zwischen Oben und Unten, versuchte, zu vermitteln. Kommunikation, der Worte und Gesten zugrunde liegen, die auf den Spalt in unserer Gesellschaft zwischen Oben und Unten zielen und ihn benennen, können einmal von Wahrheiten geprägt sein, und ein anderes Mal durch Verschleierung und Manipulation, um tatsächliche Motive zu verbergen und sie nebensächlich oder, sehr beliebt, „normal“ erscheinen zu lassen. Die Unterschiedlichkeit von Lebensbedingungen und wie sie zustande kommt, sprich, wie sie politisch und wirtschaftlich gebaut werden, soll nicht in Gänze ans Tageslicht kommen. Deshalb gibt es Krieg. Wie heißt es so schön: Im Krieg und in der Liebe sind bekanntlich alle Mittel erlaubt. Die Frage ist, wer kämpft auf welcher Seite für wen oder was?

      Es war Stärke von Köhler, das Amt niederzulegen. Es war weder Schwäche noch Tragik: es war die einzige Möglichkeit als Mensch, der ein Amt innehat, „Nein, so nicht“, zu sagen. Das geht so nicht! Nur ein Mann, in diesem Falle Gabor Steingart, kann von Köhler als dem „tragischen Präsidenten“ sprechen – das ist wahrlich tragisch. (Handelsblatt,1.6.2010, Titelseite).

      Ökonomisch begründete Arbeitsbedingungen in China fanden am 28. Mai 2010 ihren erneuten Zugang zur Öffentlichkeit. Ein weiterer Wanderarbeiter sprang in den Tod. Inzwischen sollen es bereits 30 Menschen sein, die in dieser Firma freiwillig – was in diesen Zusammenhängen äußerst fragwürdig erscheint - aus dem Leben schieden:

      „Der jüngste Selbstmord geschah am Mittwoch. Wie die meisten anderen Opfer sprang der 23-jährige Wanderarbeiter vom Dach eines Wohnheims auf dem Firmengelände. Wie fast alle Produktionsfirmen in Südchina, in denen junge Migranten aus den Provinzen im Innern Chinas arbeiten, kaserniert Foxconn seine Mitarbeiter. Sie dürfen das Firmenareal nur bei guter Leistung und meist nur am Wochenende verlassen.

      Apple, Hewlett-Packard und Dell wollen die Arbeitsbedingungen bei Foxconn untersuchen. Der erste Selbstmord, der die Firma vor einem Jahr in die Schlagzeilen brachte, geschah, weil ein Mitarbeiter einen ihm anvertrauten Prototyp des nächsten iPhones verloren hatte. Der Sicherheitsdienst bedrängte den jungen Mann derart, dass dieser keinen Ausweg mehr sah. Die Sicherheitsleute seien entlassen worden, meldete Foxconn danach. Manche Chinesen haben Apple für jenen ersten Selbstmord mitverantwortlich gemacht; mit ihren überrissenen Forderungen und einem manischen Zwang zur Geheimhaltung habe die Firma Foxconn in eine Sicherheitshysterie getrieben.

      (tagesanzeiger.ch/stichwort/autor/christoph-neidhart/s.html)

      Verzweiflungstaten aus existenziellen Gründen mehren sich nicht nur dort. Immer wieder werden Selbstmorde ganzer Familien in den Tageszeitungen in Deutschland mitgeteilt, oder es erscheinen Berichte darüber, unter welchen Bedingungen Menschen leben lernen sollen... Überall auf der Welt versuchen Menschen, das Unmögliche, wie es sich aus Diktaten von Arbeits- und Lebensbedingungen in unterschiedlichen Graden ergibt, dennoch zu verwirklichen, damit die Kasse Oben stimmt und die Gewinne weiter steigen. Man macht es so lange, wie es eben geht. Mehr, als aus dem Fenster springen, geht nicht. Mehr, als das Amt niederlegen, geht nicht.

      Ich bin Psychologische Psychotherapeutin und arbeite jeden Tag mit Menschen, die sich ihrer Seele erinnern, weil sie psychisch in dieser Kultur aus völlig unterschiedlichen Gründen an ihre persönlichen Grenzen kamen und kommen. Ich bin auf den einzelnen Menschen durch meinen Beruf konzentriert. Und ich sage: Kein Patient, keine Patientin, war wie der/die andere... keinen Patienten hätte ich durch einen anderen Patienten ersetzen können...! Aber oft ist zu hören, dass Menschen von sich selbst sprechen, als sei es nicht so wichtig, dass sie einer bestimmten Tätigkeit nachgehen:

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