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      Marco Polo, der bürgerlich ein Otto Mayer war, drängte sich durch die Türe in das Extrazimmer. Er dealte schon seit der Schulzeit, mit allem, was ihm in die Finger kam und dies trug ihm dann den Spitznamen des venezianischen Händlers Marco Polo ein. Am Liebsten vertickte er Waffen mit herausgeschliffenen Seriennummern, denn da gab es so gut wie nie Schwierigkeiten, während bei Drogen immer wieder einmal eine Plaudertasche den Mund nicht halten konnte. Letzten Monat hätte er gern das Geschäft mit den Kalaschnikows abgeschlossen. Damit wäre er mit einem Male in der Spielklasse der Großen akzeptiert worden, aber dann gab es Streit und irgendeine banale Reklamation, wegen eines abgesägten Bolzens. Folglich platzte sein Vorzeigegeschäft im letzten Augenblick.

      Jetzt fehlte nur noch Ricky, der vielleicht schon hier sein konnte, aber niemand würde ihn erkennen, denn er hatte wieder eine Gesichtsoperation, die ihm schon einige Male die gesetzlichen Häscher vom Hals gehalten hatte. Inzwischen nahm er nur mehr Aufträge an, die ihm ein mindestens sechsstelliges Honorar einbringen würden, die Hälfte im Voraus und die andere Hälfte, wenn der Auftrag ausgeführt war, was man JFM nannte – ‚just for money‘. Nach den Händen und der Körpersprache zu schließen, saß er draußen neben Norbert und fachsimpelte wieder einmal über den perfekten Mord. Schließlich verstanden die beiden eine Menge davon. Sie hatten auch immer wieder verbesserte Ansätze, abgesehen von ihrer beruflichen Erfahrung, über die sie natürlich nie sprachen. Es waren immer nur fiktive Todesfälle, über die sie philosophierten.

      Fred und Max hatten inzwischen neben Howard Platz genommen, und wurden von diesem eingeladen, auch vom Kaviar zu probieren, was sie auch emsig taten.

      Irgendwer läutete dann die kleine Schiffsglocke aus Messing, welche im Hinterzimmer hing und die nun das Zeichen gab, sich zu sammeln. Eine sehr attraktive Brünette kam herein, aber Howard sagte nur zu Ihr: „Später Cindy, später seid ihr Mädels dran“ und drückte ihr einen größeren Geldschein, denn er lässig aus seiner rechten Geldtasche gezogen hatte, unauffällig in die Hand.

      Norbert und Ricky kamen ebenfalls herein und niemand wunderte sich über Rickys neues Erscheinungsbild, denn Ricky musste in seinem Beruf ein Chamäleon sein. Als alle Platz genommen hatten, erhob Howard das Wort, um die Gruppe ‚Kingsize‘ würdig zu begrüßen. Kingsize war das Ziel, welches sie sich vor Jahren selbst gesetzt hatten und welches langsam Form und Gestalt annahm.

      Howard unterbrach nochmals, weil die Türe aufgegangen war, aber da hatte sich wohl jemand verirrt, denn niemand kannte den Mann, der gerade in den Raum geguckt hatte – fast niemand, um genau zu sein. Norbert kannte dieses Gesicht, ohne es aber sofort zuordnen zu können. Er hatte den Mann schon einmal vor Gericht gesehen, als Zeuge. Norbert stand auf und ging neben die Türe, während ihm langsam dämmerte, dass der Fremde ein verdeckter Ermittler wäre. Er durfte damals ohne Preisgabe seiner Identität aussagen, und saß hinter einem Paravent. Nur zufällig hatte Norbert damals einen kurzen Blick auf den Mann werfen können, als dieser den Raum betreten hatte.

      Norbert drückte die Taste für den Feueralarm und Chin zündete schnell die Tischdecke an, damit es auch nach Feuer aussah. Alle wussten wo der versteckte Hinterausgang war, durch den fast alle den Raum verließen. Nur Norbert ließ es sich nicht nehmen, zum Vorderausgang hinaus zu spazieren.

      Howard verabredete sich noch schnell mit Max und Fred, nach Mitternacht, in einem anderen Lokal. Es lag in einem Vorort der Stadt, sodass sie davon ausgehen konnten, dort ihre Ruhe zu haben.

      Der Wirt wusste, dass er um die Konsumation nicht umfallen würde, denn er würde zu einem späteren Zeitpunkt fair entlohnt werden, und dies auch ganz ohne Rechnung.

      Chin und Chou hatten ihren Lexus ohnehin hinter dem Gebäude geparkt. Die Bodyguards bekamen eine detaillierte Beschreibung der Person, welche die Versammlung gestört hatte. Dies würde umgehend in Arbeit genommen, da brauchte es keiner weiteren Worte.

      So unauffällig wie die Runde zusammen gekommen war, zerstob sie auch in alle Richtungen und im Lokal war wieder gähnende Leere, nachdem das kleine Feuer gelöscht worden war.

      Die Gruppe Kingsize wusste in solchen Fällen genau, was sie tun hatte und es ab auch schon einen alternativen Plan B in sechs Wochen in Milano. Bis dahin wäre auch geklärt, ob unter ihnen ein Maulwurf wäre, sodass man nicht ein zweites Mal in eine solche Falle lief.

      Der erste Partner

      Das Lokal im Vorort der Stadt war sehr schwach besucht, Howard, Max und Fred trafen sich gegen 0 Uhr 30 und nahmen in einem der Separees Platz. Howard orderte Getränke und zog dann, als die Mädels mit ihren Stripshows begannen, die Vorhänge zu.

      Fred und Max berichteten Howard von dem, was sie üblicherweise taten, aber auch davon, was sie demnächst vorhätten. Über den Plan hatten sie schon eine Weile nachgedacht und daher konnten sie jetzt auch über viele Details Auskunft geben, was allerdings bei Howard immer mehr zum Kopfschütteln führte. „Leute, wenn ihr das so aufzieht, dann dauert es keine sechs Monate, bis ihr schwedische Gardinen seht!“ – und damit war Gefängnis gemeint.

      „Die Grundidee ist schon ausbaubar“ fügte er hinzu, „aber ihr seid komplett ohne Deckung und auch der Vertrieb kann so nicht funktionieren. Das muss man irgendwie anders aufziehen. Ich denke mal darüber nach“ ergänzte er noch. Fred mochte ihn in einigen Tagen anrufen, aber Howard lehnte neuerlich ab mit „bist du wahnsinnig? Ich werde mich bei euch melden und bis dahin haltet eure Füße still“.

      Die Nacht wurde noch recht gesellig, als sie nicht mehr über Geschäfte sprachen, und so wurde es ziemlich spät, besser gesagt früh, als sie nach Hause aufbrachen.

      Fred und Max wussten, dass sie bisher auf einer sehr anständigen Schiene unterwegs waren, aber es brachte ihnen auch nichts ein, jedenfalls keine Reichtümer, sondern nur die üblichen Gehälter als Beamte. Der Stein des Anstoßes war ein Kollege, der vor einigen Wochen bei einer Klettertour den Halt verloren hatte und damit auch sein Leben – und in weiterer Konsequenz auch die Existenz für seine Familie. Natürlich hatten sie im Amt gesammelt, aber das war alles nur ein Tropfen auf einem heißen Stein. Sich eine goldene Zukunft aufzubauen, ging aus der Perspektive dieses Berufes jedenfalls nicht. Es musste in absehbarer Zeit für Max und Fred einen merkbaren Aufschwung geben und in sechs Wochen könnte es losgehen.

      In den nächsten Wochen tat sich nichts von Bedeutung in dieser Stadt, wenn man von dem riesigen Bau absah, der sich mitten in der Stadt hochschraubte. Es würde wohl eine Bank oder Versicherung werden oder der Prachtbau einer Investitionsheuschrecke. In den tragenden Teilen hoch über der Stadt wurde der verdeckte Ermittler im Beton eingearbeitet, sodass er die nächsten 50 oder 100 Jahre die Stadt aus diesem Winkel gut und verdeckt beobachten konnte. Obwohl der Ermittler einst in der Olympiamannschaft schwamm, gelang es ihm nicht, im Betonmischer an die Oberfläche zu schwimmen. Sein spurloses Verschwinden fiel erst auf, als der Beton schon fast trocken war. Nun war er ein wirklich verdeckter Ermittler.

      Nicht ganz zwei Monate später machten sich Fred und Max auf den Weg zu einer Weiterbildungsveranstaltung und diesmal fuhren sie gemeinsam Richtung Süden ins Palazzo Parigi. Dort traf sich Howard immer mit seinen russischen Freunden, wenn er wieder neue Geschäfte einfädelte. Was Fred und Max nicht so gefiel, war das Rauchverbot in den öffentlichen und privaten Bereichen, aber gegen etwas bares ‚presente‘ würde sich das schon regeln lassen.

      Howard war schon vor Ort und als Stammgast bekam er auch all seine Wünsche erfüllt. Natürlich checkte er nicht unter seinem eigenen Namen ein, und auch für Fred und Max hatte er gefälschte Papiere, sodass ihr Aufenthalt später nicht nachvollzogen werden konnte.

      Es begann alles mit einem exquisiten Abendessen, bei dem Howard vorsorglich darauf achtete, die üppigen Trinkgelder, die er verteilte, aus seiner rechten Tasche zu nehmen. „Ich habe darüber nachgedacht, einige Telefonate geführt“, begann Howard seine Ausführungen, „ob an eurer Idee etwas dran ist.“

      Fred war ziemlich angespannt, weil ihm seine Frau ein großes Eifersuchtsszenario bei seiner Abreise gemacht hatte, welches ihm noch immer nicht aus dem Kopf gegangen war. Umso mehr war er nun auf einen greifbaren Erfolg aus, aber bis jetzt hatte er noch keine Signale für

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