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des Mehrwerts. Und nun führt die Mehrwertschaffung direkt in den lebendigen Leib des Menschen hinein – durch die Gesundheitswirtschaft. Eigentlich, so könnte man sarkastisch formulieren, ist das Gros der Menschen aus Sicht des „Oben“ entmenschlicht. Der Mensch ist ausschließlich zum Objekt, zu Material für Profit degradiert. Insofern ist der Minimalstandard an Bildung, Chancen und Gesundheitsfürsorge ausreichend. Das ist für Niemanden wirklich neu und wurde zig Mal in unterschiedlicher Form bereits von anderen gesagt. Damit richtet sich das wirkliche Problem in der Demokratie auf die Frage, wie Bürger, Patienten oder generell Menschen sich mitteilen können, um gehört zu werden. Politische Entscheidungen erweisen sich, gelinde gesagt, in der Umsetzung oft als Erniedrigungen.

      Bei Familienpolitikern war 2007 besonders das folgende afrikanische Sprichwort beliebt:

       „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“

      Die deutsche Umsetzung in der Praxis belegt das Gegenteil: In dem neuen Steuerminderungsantrag für Kinderbetreuung müssen die Eltern, die Familienmitglieder zur Betreuung einsetzen, völlig widersinnig glaubhaft machen, dass Mutter/Vater, Tante/Onkel ihren „Job wie Fremde“ ausführen! Können sie dies nicht glaubhaft darlegen, dann, man ahnt es schon, gibt es keine Steuerminderung. Wo bleibt da die „Familienideologie“? Oder misstraut man dem Bürger schon wieder? (Abgesehen davon, dass der Begriff „Dorf“ darauf schließen ließe, es handele sich um eine Gemeinschaft von Menschen, die sich gut kennen und die einander vertrauen!) Doch die Familienministerin bzw. der anonyme Gesetzgeber legt Wert darauf, dass es sich bei Kinderbetreuern um Fremde und wie Fremde agierende Personen handelt.

      Dieses kleine Beispiel macht deutlich, wie sich qua Bedeutungshorizont der Sprung von Vertrauen (Dorf) ins bürokratische Misstrauen (Familie) vollzieht. Wollte man mit dem Zitat belegen, dass fremden Menschen, also Nicht-Verwandten, zu vertrauen ist? Mehr als der eigenen Familie? Spiegelt sich hier ein geschichtlich nicht gelungener Wandlungsprozess vom Fremdenhass aus der Hitlerzeit zu Fremdenbevorzugung in der Nachkriegszeit bis heute wider? Ist der eigenen Familie nicht mehr zu trauen? Oder ist dem System Familie im Verhältnis zum Staat nicht mehr zu trauen, weil der „Clan“ den Staat betrügen könnte? Wobei tatsächliche Clans aus anderen Kulturen sich in Deutschland ohne Einschnitt mittels Regeln und Überprüfung ausbreiten konnten (siehe Heisig, 2010). Dann allerdings muss weiter gefragt werden, warum die Politik Familien anderen Lebensgemeinschaften gegenüber in vielerlei Hinsicht vorzieht.

      Ist dieses Beispiel als genereller Mistrauensantrag von Politik und Staat an Menschen in Deutschland zu verstehen? So oder so, in der deutschen Auslegungspraxis wird differenziert und ausgegrenzt, wobei, nebenbei gesagt, die Wurzel des politischen Motivs im Misstrauen und nicht im Vertrauen aufzuzeigen ist:

      Das heißt, Deutschland versteht sich nicht als großes Dorf, in dem ein Mensch dem anderen Menschen über den Weg trauen kann. Dies sei mal „nebenbei“ festgestellt …

      Die Bürokratie fungiert auch hier als grobes Sieb, durch das viele Antragsteller fallen werden. Meistens geben Bürger bereits im Vorfeld auf; denn sie kennen diese Prozedur schon und wissen, dass die gesetzlich verankerten Vergünstigungen auf sie nicht zutreffen werden. Und da wären wir dann wieder: Minimalstandard für das „Unten“ reicht. Das hehre Ziel der Gleichbehandlung verkommt zum bloßen Lippenbekenntnis. Da hilft auch keine Schuluniform – die von Kindern von oben und von unten gleichermaßen getragen werden! Aber die Bürger müssen geschützt werden: durch Anti-Terrorgesetze – mit denen die Bürger gleichzeitig kontrolliert werden können. Wandelt sich unter unseren allen Augen die Demokratie zur Staatspolitik, um die vermeintlich demokratischen und ambivalent wirksamen Werte zugunsten der Wettbewerbsideologie der kapitalistischen Wirtschaftsform zu garantieren? Doch auch die Großunternehmen zeigen sich brüskiert, weil sie meinen, in ihrer wirtschaftlichen Freiheit beschnitten zu werden.

      Wer in diesem Deutschland, ob auf der Manageretage oder der Arztpraxis, denkt eigentlich noch an seinen Nachbarn im Dorf? Wo wird gearbeitet, gelebt und gesund gepflegt? Wie will man mit einer ökonomischen Zielrichtung Krankheiten heilen? Eine solche Kultur heilt nicht die vorhandenen Krankheiten, sondern bringt neue hervor: Suchterkrankungen, rheumatische Symptome und Wirbelsäulenerkrankungen, psychosomatische Erkrankungen, Krebs und nicht zuletzt Aids und Ad(H)S. Denn wo Armut und Arbeitslosigkeit herrschen, wird Sexualität als Ablenkungsmanöver und Ersatz für ein lebensunwertes Leben instrumentalisiert. Sex ist heute über die Medien jederzeit abrufbar. Für die Politik fungiert Sex als allgemeines, kostenloses Beruhigungsmittel und die Wirtschaft verdient sehr gut daran.

      Zu Zeiten Sigmund Freuds sollte auf Sexualität verzichtet werden. Sie sollte als Kraft und Energie in die Arbeit fließen und der Gesellschaft zu Gute kommen. Sigmund Freud sprach von Sublimieren. Er hat seinerzeit bedacht, Sexualität durch die kulturell notwendig zu leistende Arbeit im Menschen sublimieren zu lassen. Aber er hat nicht bedacht, fehlende Arbeit und Lebenssinn durch kulturell notwendig zu produzierende Sexualität zu sublimieren! Ein verantwortungsbewusstes Gesundheitswesen hätte sich um diese Dinge ebenso zu kümmern wie eine fürsorgliche Politik. Voraussetzung wäre jedoch eine klare Werteorientierung. Wo sind Verantwortlichkeit und Menschlichkeit versandet? Wie viel Leid, Schmerz, Katastrophen und Krankheiten kann sich der Kapitalismus noch leisten? Man leiste(te) sich zusätzlich Ausuferungen von Aggression und Gewalt in Familien und konkurrierenden Interessensgruppen aller Schattierungen – mit verheerenden Auswirkungen, die von der kleinsten Zelle der Gesellschaft, der Familie, und noch kleiner, bis in jeden Menschen, und noch kleiner bis in die Zellen von Menschen hinein einerseits und andererseits bis in die Hierarchien, und letztlich am Kontostand gemessener Konkurrenz im so spielerisch klingenden Wort „Wettbewerb“, reichen. Selbstredend unter Mitwirkung von Wissenschaft und Gerichtsbarkeit wird der große Geist gegenwärtiger Kultur genährt, gehegt und bewahrt.

      Die Semantik von Kultur assoziiert mit einem Gefühl, als säße man noch im Sandkasten, hätte alle Freiheiten, mal eben mit der Schüppe und Händchen Welten erstehen zu lassen, ist eine lukrative Feder, die Menschen immer wieder glauben lässt, es ginge ihnen gut. Zumal Feuerwerksspektakel nicht mehr nur auf Silvester beschränkt bleiben, sondern zu allen Gelegenheiten am Himmel leuchtend ein Gefühl der Extraklasse vermitteln: Gefühlen kann freier Lauf gelassen werden. Gereinigt wird mittels Feuer ganzjährig und der alte Geist zieht durch die Lande, getrieben durch den Wind des Wettbewerbs, der ihn auf Fußballplätzen dem Licht aussetzt: Fußballspieler, eine moderne, höchst teure und empfindliche Ware, an der natürlich verdient wird.

      Man darf auf Zeiten hoffen, in denen ebenso um Patienten, die man tatsächlich gut zu behandeln vermag, so dass sie gesunden und geheilt auferstehen, gezankt und geboten wird? Sarkastisch muss hinzugesetzt werden: Weil an Patienten und Kunden nicht wie an Fußballspielern verdient wird, klappen menschliche Existenzen wie menschliche Körper gegenwärtig wie Kartenhäuser ebenso spielerisch leicht zusammen wie Banken. Kultur ist ein Vehikel des Geldes und leider keine Form gelungenen Gemeinschaftsleben: Kultur und kulturelle Veranstaltungen werden zum Joker, indem mit den Gefühlen, mit den Universalien des menschlichen Wesens, gezielt gespielt wird. Es wird der Schein durch Pokern um Gefühle erweckt – und man glaubt ihm, man hätte Kultur.

      Die bisherige medizinische Forschung hat in dieser kapitalistischen Kultur eine Unzahl iatrogen verursachter (durch ärztliche und medikamentöse Behandlung verursachte) Erkrankungen hervorgebracht, die dringend einer kritischen Analyse bedürfen. Entsprechende Veröffentlichungen und generell zum Gesundheitswesen mehren sich unaufhaltsam.{2} Alle Berichte zeigen und belegen, dass ein anderer Wert als Heilung von Menschen zugrunde gelegt wurde. Die Untersuchungen zeigen, es ging immer um Geld. Aber ändert sich etwas dadurch?

      Was oder wie sollte noch kommuniziert werden, dass diese Stimmen gehört werden, sprich Umsetzung hin zum Besseren für Menschen erfahren? Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten sind aufgrund der Flut an Informationen über politische Entscheidungen bzw. Reformen und das Erleben ihrer Auswirkungen in Mensch und Kultur seit Jahren persönlich und beruflich emotional überfordert. Ihre Existenz wird in Frage gestellt, um wirtschaftspolitische Ziele zu verwirklichen. Mediziner, Psychologische Psychotherapeuten und Patienten müssen nun die Folgen der jahrzehntelangen ärztlichen

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