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Tasche. Ja, der internship-Vertag sei ja okay, aber leider steht da ja nicht meine New Yorker Adresse drauf. Ich wedelte hoffnungsvoll mit dem Mietvertrag, bei dem natürlich die Adresse genannt ist. Nein, das sei nicht offiziell genug. Er braucht eine offizielle ID mit der Adresse drauf. Als ich ihn bat, mir ein Beispiel zu nennen, was gelten würde, meinte er dann: „Ein Amazon-Rechnung zum Beispiel.” Aaaahja. Innerlich machte ich den Scheibenwischer, äußerlich lächelte ich lieb, bedankte mich und zog unverrichteter Dinge von dannen.

      So langsam knurrte mir der Magen. Das Frühstück war schon ein Weilchen her. Da ich als nächstes in den Central Park wollte, schwang ich mich beim Rockefeller Center in die subway und fuhr zum Columbus Circle. Dort befindet sich ein riiiesiger Whole Foods mit seinen sagenhaften Buffets. Ich stellte mir eine bunte Mischung zusammen: Ein bisschen Pak-Choi-Salat, ein bisschen Ingwer-Sesam-Prinzessbohnen, ein bisschen sesame-seaweed, ein bisschen scharfer Nudelsalat, ein bisschen chicken tikka masala, ein bisschen warmer asiatischer Kartoffelsalat und so weiter und so fort. Von allem, was mich anlachte, ein Löffelchen. Futtern wollte ich diese ganzen Köstlichkeiten dann im Central Park, genauer gesagt at the Mall. Hiermit ist nicht etwa ein Einkaufszentrum gemeint, sondern einer der – wie ich finde – schönsten Abschnitte des Parks. Mehrere Wege verlaufen parallel zueinander und sind jeweils von Bänken und Bäumen wie in einer Allee gesäumt. Dazwischen stehen Statuen und Büsten berühmter Dichter und Denker, beispielsweise auch von Friedrich Schiller.

      Außerdem gibt es auch hier wieder – Musik! Ich hatte auf ca. 30 Metern die Wahl zwischen jazzigem Saxophon, den Hip-Hop-Beats der Breakdance-Gruppe, die ihr Können vorführte, entschied mich dann aber für den Soundcheck der Band „City and Color”, die am Abend ein Konzert geben würden. Nachdem ich mein Mahl genossen und die Band den Sound ausgiebig gecheckt hatte, spazierte ich weiter. Die Stimme in meinem Kopf, die mahnte „du wolltest heute nicht viel rumrennen. Jetzt bist du im Central Park, was glaubst du, was du hier machen wirst?!” ignorierte ich und ergötzte mich stattdessen am Anblick der Bethesda Fountain, jenem Brunnen im Central Park, der in schätzungsweise 90 Prozent aller Filme, die in New York spielen, zu sehen ist. Dazu gab es – wie könnte es anders sein – Musik! Dieses Mal handelte es sich um eine wilde Mischung aus Geige und Gesang. Fiedeln und Sopran gepaart mit einem Indianer-Outfit. Sehr speziell. Sehr New York. Nebenan eines der unzähligen Brautpaare auf Fotosafari, das versucht, trotz der Touristenmassen um sich herum den Eindruck von Romantik und Intimität zu erwecken. Wer also gerne Brautkleider anschaut, ist im Central Park richtig. Wer gerne gehässig ist auch – denn der Anblick, wenn der Fotograf die Braut bittet, im wertvollen Gewand und zarten Schühchen die rauen Felsen hinauf zu kraxeln ist jedes Mal herrlich.

      Da ich am heutigen Tage eh schon musikalisch gestimmt war, führte mich mein Weg nun an einen sehr berühmten Ort innerhalb des Central Parks: die Strawberry Fields, ein kleiner Teil im Park mit Pflanzen aus aller Herren Länder, angelegt zu Ehren und zur Erinnerung an John Lennon. Ebenfalls dort befindet sich das schwarz-weiße „Imagine-Mosaik, ganz am Rande des Central Parks, nur wenige Schritte entfernt vom Dakota Building, dem mächtigen Apartmentgebäude, vor dem John Lennon einst erschossen wurde und wo Yoko Ono auch heute noch residiert.

      Als ich auf die Welt kam, war John Lennon bereits einige Jahre tot. Dennoch wuchs ich in meinem Elternhaus mit der Musik der Beatles auf. Bei meinem zweiten Besuch in New York hatte ich das Glück, in der damals noch in SoHo angesiedelten Rock’n’Roll Hall of Fame die von Yoko Ono gestaltete Ausstellung „John Lennon – The New York Years” sehen zu können. Es gab viel Film- und Bildmaterial, Liedmanuskripte und Ähnliches. Aber es wurde auch eine Papiertüte gezeigt. Jene Tüte mit den blutverschmierten Kleidungsstücken, die man durch ein Sichtfenster in der Tüte sehen kann, die Yoko Ono nach der Ermordung ihres Mannes aus dem Krankenhaus erhielt. An einer Tafel wurde erklärt, dass Yoko damals so geschockt war, dass alles, was von dieser Ikone einerseits und einem Menschen überhaupt übrig war, einfach in so einer profanen Papiertüte den trauernden Hinterbliebenen überlassen wurde. Auch für mich war der Anblick dieser Tüte ein schockierendes und irgendwie nicht greifbares Erlebnis.

      Dass aber doch mehr von John Lennon übrig geblieben ist, kann man Tag ein Tag aus rund um das „Imagine“-Mosaik beobachten. Strawberry Fields ist ein faszinierender Ort. Positiv wie negativ. Menschen allen Alters und jeglicher Herkunft strömen dorthin. Deshalb ist es auch ganz einfach zu finden – einfach den Leuten mit den Kameras nach! Und dort trennt sich dann die Spreu vom Weizen. Es gibt diejenigen, z.B. mittlerweile ergraute Herren, die dem Aussehen nach selber Rock’n’Roller waren oder sind, die ehrfürchtig bis andächtig dastehen, innehalten, sich auf einer der Bänke rund um das Mosaik niederlassen. Und es gibt die, die mit breitem Grinsen für die Kameras posieren – genauso wie sie es vor der Freiheitsstatue oder dem Empire State Building tun würden. Es ist in gewisser Weise absurd. Es gibt wenige Orte in New York, an denen man so viele Menschen des Typus Touri auf einem Haufen sieht, es so quirlig ist und ein stetes Kommen und Gehen herrscht. Und dennoch verbreitet der Ort etwas Besonderes. Oftmals klimpert jemand auf einer Gitarre Beatles-Balladen und viele Menschen summen – vielleicht sogar unbewusst – wenn sie wieder ihres Weges gehen „Strawberry Fields forever…” oder „Imagine there’s no heaven…”.

      Nachdem ich eine Weile dem Treiben zugesehen habe, steige ich an der 72. Straße wieder in die subway. Mein Ziel jetzt: Der Brooklyn Bridge Park, konkreter die Brooklyn Ice Cream Factory. An der High Street steige ich aus der U-Bahn und spaziere ein paar Meter durch das Viertel Brooklyn Heights, welches sich durch kleine Sträßchen und wunderschöne brownstone-Häuser auszeichnet. Ihren besonderen Charme entfalten diese Straßenzüge übrigens im Frühling, wenn überall pastellfarbene Blüten die Bäumchen in Straßen und Vorgärten schmücken. Daran schließt sich der Brooklyn Bridge Park an, von dem man einen tollen Blick auf die Skyline von Downtown Manhattan hat. Der Begriff park ist in New York übrigens sehr dehnbar. Ein park kann aus drei Bänken, zwei Bäumen und einem kleinen Brunnen bestehen, ein park kann eine Uferpromenade sein, ein park kann aber auch eine riesige grüne Oase sein wie der Central Park in Manhattan oder der Prospect Park in Brooklyn. Während ich mir meinen Weg zur Ice Cream Factory bahne (Hiiiilfe! Soll diese neue Holz-Schwebebrücke so schwanken?!), stoße ich auf Säulen, die etwas entfernt an Straßenlaternen erinnern. Darunter stehen Leute und schauen gelangweilt in der Gegend herum. „Was ‘n des?”, frage ich mich. Als ich näher komme, sehe ich es. Solarbetriebene kostenlose Auflade-Stationen für iPhone und Co! Da mein Handy-Akku auch bereits schwächelt, stöpsle ich mein Gerät gleich mal an und tue es den anderen nach: Schaue gelangweilt in der Gegend rum und immer wieder auf das Display. Dort wird zwar tatsächlich angezeigt, dass es lädt, aber auch nach einer gefühlten Ewigkeit zeigt es noch 24% Ladestatus an. Etwas enttäuscht, aber trotzdem begeistert von der Idee an sich, geht’s nun schnurstracks zur süßen Nascherei, einem scoop Schokoladeneis. Zum Glück wusste ich von früheren Besuchen in dieser Eisdiele, die aussieht wie eine kleine skandinavische Holzkirche, dass ein (!) scoop in Wahrheit ungefähr 2-3 Kugeln entspricht und man nicht den Fehler machen sollte, mal munter drei Sorten zu bestellen.

      Mit dem Eis in der Hand setze ich mich auf den Vorplatz. Die Brooklyn Bridge zur Rechten, dahinter die Manhattan Bridge und das Empire State Building lässt sich ebenfalls erkennen. Zur Linken bzw. direkt gegenüber Pier 17 und der neue Freedom Tower. Doch so schön der Ausblick ist, noch Schöneres – im wahrsten Sinne des Wortes – gibt es direkt vor meinen Augen zu sehen. Ein Foto-Shooting. Ob es um die Kleider oder die Schuhe oder am Ende gar ganz um etwas anderes ging, weiß ich nicht. Habe mich nicht getraut zu fragen. Aber auch so ist es mehr als interessant der Dame und dem Herrn bei der Arbeit zuzusehen – und damit meine ich natürlich nicht nur die Momente, in denen der Schnuckel in aller Öffentlichkeit die Hemden wechselt und frau so freien Ausblick auf einen wohlgeformten Oberkörper hat.

      Als die Sonne Anstalten macht, hinter der Südspitze Manhattans zu verschwinden, erhebe ich mich von meinem Ausguck, um Richtung Brooklyn Bridge und dann über selbige zurück auf die Insel zu marschieren. Atemberaubend schön ist der Blick auf Manhattan jedes Mal. Auch heute wieder, obwohl ich mittlerweile friere wie ein Schneider (nur im dünnen Sommerkleidchen ohne Weste aus dem Haus zu gehen, war nicht die beste Idee), meine Füße bei jedem Schritt wehklagen und man wegen der wie die Berserker fahrenden Radler jedes Mal um sein Leben fürchten muss.

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