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das Heilungsprinzip und Heilung abschaffen zu wollen!

      Damals verwehrten sich viele Menschen sich ihre eigenen, wahren Ängste und Gefühle klar zu machen. In Kriegszeiten und Hitlers Regime hatten sie bereits das Schweigen als Reflex und Abwehrmuster ausgebildet und blieben auch nach dem Krieg in dieser dann wiederum politisch begründeten reflexartigen Abwehrhaltung, die sich als generelle Lebensangst manifestierte: Sie schämten sich angesichts des Ausmaßes des geschehenen Unrechts. Schämt sich heute ein Mensch in Deutschland aufgrund des unter unseren Augen vollzogenen Abwertungsaktes mittels Verarmung, Niedriglohngruppen, Unterbezahlung – nein. Es scheint eher so zu sein, dass die Betroffenen sich schämen, da gelandet zu sein, wo sie nun sind – und die Übrigen haben Angst auch dort zu landen. Werden Menschen gefragt, wie sie das ausgehalten haben, mit der ständigen Angst während des Krieges zu leben, die Bombenangriffe auslösen müssen, dann kommt die Antwort, dass sie in den Keller oder Bunker gelaufen sind – wie alle anderen Menschen eben auch. Das Grauen und die Lebensbedrohung wurde zu etwas Gewöhnlichem, mit der man zu leben hatte – es ging allen so.

      Ich schließe mich dem Psychoanalytiker Ermann aus München an, der Fallbeispiele von im Krieg traumatisierten Menschen wie seine eigene lebensgeschichtliche Reflexion beschreibt. Eine Bedrohung, die so groß ist, dass man die eigene Angst nicht mehr spüren darf, weil man sonst, angesichts des Schreckens, wie gelähmt wäre und sich nicht retten könnte! Also lähmt Schock wie Trauma Gefühle und lässt die Lähmung der Gefühle als Existenzsicherungsreflex erscheinen.

      Die im Krieg freigesetzte zerstörerische Energie betrifft meiner Meinung nach nicht nur diejenigen, die den Krieg erlebten – sie wird über die seelisch Traumatisierten in den Familien der Nachkriegszeit an die Nachgeborenen weitergegeben. Diese Erlebnisse werden in psychogenetischen Konstanten, so will ich die konzentrierten Gefühlserfahrungen unterschiedlicher Form und Ausprägung bezeichnen, weitergegeben. Sie dienen dem Erhalt von Leben – aber man muss lernen, sie zu verstehen und zu lesen.

      In Angriffssituationen dient Angst der Aktivierung von Energie zur Flucht: Nur, flüchten vor dem Krieg konnte niemand – außer, man verließ das Land.

      Fazit: Die Traumatisierung wird in dem Fall zum Lebensretter, weil sie bewerkstelligt, das eigene Leben zu schützen. In diesem Vorgang wird die Angst abgespalten. Es ist davon auszugehen, dass Menschen einen Krieg nur aushalten können, wenn sie ihre Angst abspalten.

      Diese Abspaltung hört aber nicht „irgendwie“ von allein wieder auf. Zusätzlich gab es nicht eine Schreckensmeldung im Krieg, sondern viele: Bombenangriffe, Verfolgungen, Nahrungsmangel, Todesmeldungen der Väter und Söhne an die zurückgebliebenen Frauen und Mütter – und Judenverfolgung und Judenvernichtung. Ob Menschen sich an Grausamkeit und Todesangst gewöhnen, bleibt aufgrund des heute vorliegenden Wissens nur eine rhetorische Frage: Sie gewöhnen sich nicht. Das lässt sich aus den Berichten von Menschen, die den Krieg miterlebten, entnehmen: Sie erleben tiefe Schuld- und Angstgefühle, leiden unter Alpträumen und an fehlender Freude in ihrem Leben.

      Und heute? Wie gehen Menschen heute mit ihren Ängsten angesichts bürokratisch eingeleiteten Armutsverhältnissen und der Drohung an die Übrigen, sie könnten auch im deutschen Unten landen, um? Der aufgebaute Überwachungsstaat mit von allen Seiten gläsernen Bürgern, die im Fokus von Fiskus und Wirtschaft lediglich hinsichtlich finanzieller und wirtschaftlicher Zwecke in Erscheinung treten – und ansonsten kulturell, politisch und menschlich allein gelassen werden, glänzt in verharmloster Präsenz im ganzen Land. Welche Art von Freiheit in der Demokratie könnte dem gemäß auf dem Boden des Grundgesetzes bei uns im Lande herrschen? Die grenzenlose Freiheit, allein und selbst die sich aus dieser wirtschaftlich-politischen Konstellation ergebenden Probleme zu lösen?

      Damals wie heute wird das Grauen zur Normalität – nur in völlig anderen Formen. Unzählige Schicksale gäbe es zu beschreiben, wollte man diese Kriegszeit bewältigen. Wie es gegenwärtig zahllose Schicksale zu beschreiben gäbe, die erzählten, wie die wirtschaftlichen Globalisierungsentscheidungen Familien zerstören, Völker und Kulturen auseinander treiben und ebenfalls zerstören. Es wären Geschichten, die direkt an die Entscheidungen von Managern, die dieses Deutschland in den letzten fünfzig Jahren maßgeblich gestalteten, anzufügen wären.

      Ein höchst brisantes und – heute mehr denn je – vorrangig zu bearbeitendes Thema, nicht nur im Rahmen einer „formalen Vergangenheitsbewältigung“, sondern auch unter der Perspektive der Gewöhnung: Wie Existenzangst zur Normalität wird, über die sich kaum noch ein Mensch aufregt, weil sie ja viele Menschen betrifft. Damit wird eine Notwendigkeit im Hinblick auf die eigene Verantwortung für das eigene Leben und für das der eigenen Kinder in der Gegenwart abgeschafft. Heute.

      Erinnert sei noch einmal, dass traumatisierten Menschen nicht der Gefühlsradius zur Verfügung steht, um Nähe zu Familienangehörigen lebendig werden zu lassen. Sie können in ihrem Gegenüber, aber vor allem in ihren Kindern, den emotionalen Reflex von Sicherheit und Geborgenheit nicht entstehen lassen. Die Betroffenen leben nur einen Teil ihrer Lebenskraft – der Rest bleibt hinter der Wand der Traumatisierung gefangen. Kinder, die ihre Eltern so erlebt haben, spüren stets einen Mangel an Halt und eine gewisse existenzielle Unsicherheit in sich. Mitunter kompensiert von der Idee, andere zu retten (siehe Beispiel: Feuerwehrmann, Band 1, S. 171).

      Bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass die Vergangenheit in Deutschland nicht bewältigt ist. Und die Scham jedes Einzelnen nach dem Krieg über das, was in seinem/ihrem Leben, in ihrer Gegenwart passiert ist und worüber sie in Kriegszeiten, danach und vielleicht bis heute schweigen, hat zur Folge, dass die Deutschen angesichts aktueller Ungerechtigkeiten eher schweigen, als sich aktiv äußern oder wehren. Menschen, die Diktatur und Krieg erlebt haben, hatten nie oder zumindest selten die Möglichkeit der eigenen persönlich-emotionalen Aufarbeitung – dafür gab und gibt es zu wenig zugelassene Psychologische Psychotherapeuten. Gäbe es in Deutschland so viele zugelassene Psychotherapeuten wie es Ärzte im übrigen Gesundheitswesen gibt, wären vermutlich alle Menschen gemeinsam als Kollektiv in der Aufarbeitung weiter.

      Dennoch, die wenigen Psychotherapeuten haben Methoden entwickelt, von denen immer mehr Menschen Gebrauch machen und die in gewisser Weise zumindest gedanklich und verbal im Bewusstsein vorhanden sind (Beispiel: Traumatherapien, Trauerarbeit) – auch wenn sie qua politischer Entscheidung bezüglich der Etats der Krankenkassen und sozialen Einrichtungen absolut minimiert und budgetiert nur wenigen Menschen tatsächlich zur Verfügung stehen. Zusätzlich gilt: Sich seiner Traumatisierung zu stellen, ist ein langer, seelischer Prozess. Denn die Seele braucht – trotz allen Wissens um das Geschehene – Zeit. Zeit, um das komplexe Material von emotionaler Zerstörung und Zurückhaltung ins menschliche Bewusstsein treten zu lassen. Ebenso wie bei Missbrauch und Vergewaltigung, wie ich zu Anfang des Kapitels mitteilte. Auch in Fachleuten. Entsprechend kann behauptet werden, dass es in der Nachkriegszeit keine adäquate professionelle Hilfe geben konnte. Heute könnte es sie geben – und sie wird politisch nicht gegeben. Der Mainstream verkündet anderes.

      Zusammenfassung: Als der Krieg in Deutschland 1945 beendet war, waren Menschen arm – sie freuten sich über das Kriegsende und sie freuten sich, zu leben. Aber es gesellte sich sofort das Ausmaß dessen hinzu, was während der Hitlerzeit in Deutschland geschehen ist.

      Der tief empfundene und wenig formulierte Schmerz, geschwiegen und nicht gehandelt zu haben, selbst wenn sie tatsächlich nichts „gewusst haben“, geht in der Seele weiter. Die betroffenen Menschen hatten nach dem Krieg sowohl den Selbstverrat als auch, verschärfend, den Verrat durch die eigene Regierung zu verarbeiten. Der Missbrauch des Volkes durch das Hitlerregime, die zielgerichtete Manipulation durch die eigene Regierung, führte zur Beschämung und kollektiver Schuldübernahme im gesamten deutschen Volk. Mit seiner Befreiung erlebte es die Scham über den Verrat der Deutschen an den Deutschen: So standen sie da, die Menschen, zerlumpt und beschämt, gewillt, wieder gutzumachen, was geschehen war. Da Ausnahmen die Regel bestätigen und die Ausnahmen meistens in den oberen gesellschaftlichen Schichten fern der „normalen“ Norm zu finden sind, konzentrierte sich die Wirtschaft schnell wieder auf das Wesentliche: Auf den Aufbau aus den Trümmern des Krieges. Macht und Geld übernahmen weiterhin das Ruder

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