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einer Kugel aus seinem Scharfschützengewehr.

      Merlot lächelte. Er hatte ihn erledigt, bevor er irgendjemandem von dem erzählen konnte, was er in der vergangenen Nacht ausgeplaudert hatte. Dieser geldgierige Dilettant hatte sein Wissen in den Vatikan transportieren wollen.

      Wäre es ihm gelungen … Merlot wollte nicht daran denken. Obwohl, eine Seite der Schriften hatte Zanolla auf dem Chip seiner Digitalkamera, das hatte er ihm gestern Abend selbst erzählt. Aber, mein Freund, hatte er weiter geplaudert, ich habe alles mehrfach gesichert.

      Merlot wusste nicht, was Zanolla mit mehrfach gemeint hatte. Hatte er mehrere Kopien eines einzelnen Dokuments oder Kopien von mehreren Dokumenten gesichert? Zanolla hatte dichtgehalten, als er ihn diesbezüglich ausquetschen wollte.

      Du bist mein Freund, hatte Zanolla ihm lächelnd geantwortet. Aber auch für Freunde ist es gut, wenn sie manchmal nicht alles wissen.

      Merlot stieg aus seinem Fahrzeug aus und überquerte die Straße. Neben dem Eingang des Hauses blieb er stehen und sah sich um.

      Es war eine wenig frequentierte Straße, was den Fußgänger aber auch den Fahrzeugverkehr betraf. Niemand der wenigen Passanten, die mit sich selbst beschäftig zu sein schienen, schenkte ihm auch nur einen Teil ihrer Aufmerksamkeit und so fasste Merlot den Entschluss, die Wohnung Zanollas aufzusuchen.

      Er drückte gegen die Tür. Sie war verschlossen, automatisch verriegelt. Merlot wollte gerade seinen rechten Zeigefinger auf eine der zahlreichen Klingelknöpfe legen, als er im Flur Schritte hörte. Die Tür öffnete sich und an ihm vorbei stürmte ein etwa 15jähriger Junge mit einem Skateboard unter dem Arm, um dieses auf der Straße fallen zu lassen und sich selbst darauf zu schwingen, gekonnt, wie Zanolla feststellen musste.

      Dann hörte er das Schleifen der Haustür über den Fliesen und aus seiner Beobachtung gerissen, stemmte er sich gegen die Tür, gerade noch im rechten Moment. Es hätte kaum eines Zentimeters mehr bedurft und er hätte sich in der gleichen Situation wie zu Anfang befunden.

      Merlot mied den Aufzug und nahm die Treppe. Er ließ sich Zeit. In keinem Fall wollte er verdächtig erscheinen, falls ihm jemand begegnete.

      Niemand begegnete ihm auf dem Weg bis oben. Dann stand er vor Zanollas Wohnung. Er sah auf die Uhr. Seit dem tödlichen Schuss auf Zanolla waren nun eineinhalb Stunden vergangen. Er musste sich beeilen. Auch die Polizei würde sich für die Wohnung des Toten interessieren.

      Merlot nahm ein Etui aus seiner Jackentasche, öffnete es und nahm zielgerichtet zwei schmale Werkzeuge heraus. Eines davon schob er in den Zylinder des Schlosses, das andere führte er darüber ein und bewegte es einige Male seitlich hin und her. Ein leises Klick verriet ihm, dass seine Bemühungen von Erfolg gekrönt waren.

      Merlot sah sich noch einmal im Treppenhaus um. Keine Menschenseele weit und breit. Aus einem der oberen Stockwerke hörte er eine keifende Stimme und das ergebene Ja, ja eines Mannes. Die italienischen Frauen, dachte er und nickte. Fast wie bei uns in Frankreich. Ach was, wie überall eben.

      Er öffnete die Tür leise und mit einem letzten Blick auf die Treppe verschwand er in der Wohnung Zanollas.

      Es roch nach Bier, Schnaps und nach französischen Zigaretten, als er in das Zimmer trat, in welchem er mit Zanolla gestern Abend gesoffen hatte.

      Französische Zigaretten! Verflucht! Er musste den Geruch aus der Wohnung verbannen. Wenn die Polizei eintraf, durfte es nach abgestandenem Zigarettenrauch stinken, nicht aber nach abgestandenem französischem Zigarettenrauch. Man würde Schlüsse ziehen. Man würde nach einem Franzosen suchen, der die Bekanntschaft Zanollas gemacht hatte. Wenn alles gegen ihn liefe, würde man einen Bezug zu ihm herstellen.

      Merlots Blick huschte durch den Raum, als wolle er alles mit seinen Augen fotografisch festhalten. Dann eilte er zum Fenster und riss es auf. Beide Flügel. Er suchte nach dem Aschenbecher und fand ihn unter einer Illustrierten auf dem Tisch.

      Er sah aus dem Fenster. Nein, keine Chance zum Ausleeren. Er musste den Inhalt des Aschenbechers mitnehmen. Er riss eine Doppelseite aus der Illustrierten und schüttete den Inhalt auf das Blatt und wickelte ihn darin ein. Den gefüllten Papierballen verstaute er in seiner rechten Hosentasche.

      Dann sah er sich weiter im Raum um. Die Gläser, die Flaschen. Sie alle trugen Fingerabdrücke. Von Zanolla und … die seinen.

      Merlot sah erneut auf die Uhr. Wie viel Zeit blieb ihm bis zum Eintreffen der Polizei? Er beschloss, erst die Daten des Computers zu sichten und drückte auf den Startknopf des unförmigen Gehäuses. Während der PC hochfuhr, streifte sich Merlot ein Paar dünne Gummihandschuhe über und wischte mit seinem Taschentuch darüber, um alle Abdrücke zu vernichten. Dann räumte die leeren Flaschen in eine Plastiktüte, die neben einem der zerschlissenen Sessel lag.

      Die Gläser auf dem Tisch! Er musste sie auswaschen!

      Merlot lauschte auf. Eine Polizeisirene! Waren sie schon auf dem Weg hierher?

      Die Windows-Melodie erklang. Der PC war hochgefahren. Merlot sah auf die Gläser, auf den PC. Dann entschied er sich. Mit einer Bewegung seines Unterarms wischte er die Gläser vom Tisch und zertrat sie mit seinen breiten Sohlen zu winzigen Scherben, bis er sich sicher war, dass alle Spuren auf dem Glas vernichtet worden waren. Dann wandte er sich dem Computer zu und zog die Tastatur zu sich heran.

      Er brauchte nicht lange zu suchen, dann wurde Merlot fündig. Zanolla hatte sich nicht die Arbeit gemacht, die Dateien zu verschlüsseln, zu verstecken oder mit einem Schlüsselwort zu versehen.

      Wichtig, hatte er den Ordner genannt. Merlot lächelte. Wichtig. Etwas Dümmeres war Zanolla nicht eingefallen. Merlot öffnete den Ordner. Insgesamt fünf Dateien waren darin abgelegt. Bild1 bis Bild5 waren die Untertitel. Merlot öffnete die erste Datei.

      Verdammter Mist! entfuhr es ihm. Was sich ihm offenbarte war eine Schrift, die er nicht zu deuten wusste. Dass sie alt war, das sah er sofort.

      Merlot hatte gestern Abend darum gebeten, einen Blick auf das Schriftstück werfen zu können, doch Zanolla hatte nicht mit sich handeln lassen. Es reicht, was ich dir sage, mein Freund, hatte Zanolla geantwortet. Wenn es so weit ist, werden wir weitersehen.

      Merlot sah erneut auf seine Uhr. Im gleichen Moment hörte er draußen Autotüren schlagen. Vorsichtig sah er aus dem Fenster und wusste sofort, wer dort unten angekommen war. Er kannte diese Typen, ja er konnte sie riechen.

      Er zog einen Speicherstick aus seiner Jackentasche und begann, die Dateien zu überspielen.

      Merlot sah erneut aus dem Fenster. Zwei Männer in Zivil und einer in Uniform standen an der Haustür. Offensichtlich warteten sie darauf, dass man ihnen öffnete.

      Die Speicherung war zur Hälfte erfolgt. Merlot verfluchte den Computer Zanollas, ein veraltetes Modell, das einige Zeit für eine solche Aufgabe beanspruchte.

      Merlots Augen begannen zu flackern. „Komm schon!“, sagte er laut und umfasste den Stick, um ihn nach Beendigen des Speichervorgangs sofort entfernen zu können.

      Es verbleiben noch 30 Sekunden, las er die Mitteilung auf dem Bildschirm. Merlots Atmung wurde hektischer. Es kam ihm vor, als läge er als Legionär mit seinem Scharfschützengewehr irgendwo an einer Front. Sein Herz begann heftiger zu schlagen.

      Ein erneuter Blick aus dem Fenster sagte ihm, dass sich die Haustür geöffnet hatte. Ein Uniformierter betrat als letzter das Treppenhaus.

      Speicherung beendet. Merlot nahm die Mitteilung wahr und zog den Speicherstick aus dem Slot. Auf einer Anrichte sah er eine Briefmappe liegen. Zanollas Mappe. Mit einer schnellen Bewegung griff er zu. Dann schaltete er den Computer aus und öffnete die Tür zum Flur.

      Unten hörte er Stimmen. Die Männer unterhielten sich, während sie die Treppe hinaufstiegen.

      Nach unten war ihm der Weg versperrt. Merlot warf einen kurzen Blick auf die Treppe, die in die oberen Geschosse führte.

      Die Schritte von unten kamen näher. Er entschied sich. Leise die Tür hinter sich zuziehend schlich er lautlos zur Treppe und eilte die Stufen hinauf. Keinen Augenblick zu früh, denn vom

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