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Ich und der Fisch, der Fisch und ich. Dorothea Doris Tangel
Читать онлайн.Название Ich und der Fisch, der Fisch und ich
Год выпуска 0
isbn 9783738004403
Автор произведения Dorothea Doris Tangel
Издательство Bookwire
Ich wehrte mich, wie heute. Ich war immer dagegen, gegen alles und gegen jeden! Sogar gegen die Zeit und gegen den Ort! Nie war es das was ich wollte, nie war ich da wo ich sein wollte und morgen und gestern waren immer wichtiger als das Heute. Was war nur mit mir los? Wieso war ich immer unzufrieden, mit dem was ich hatte? Wieso tat nie das, was ich tun wollte? Ob das auch anders geht?
Ich habe das Pech, aber auch das Glück, heute mit der gleichen Familie von damals gestraft und gesegnet worden zu sein. Manche haben mir bis heute nicht verziehen und lassen mich natürlich auch jeden Tag spüren wie sehr sie mich verachten, ohne dass einer erklären kann warum sie mich so behandeln und wenige können auch glauben was da alles so abgelaufen ist. Aber ich bekam aber auch die Chance (bei einigen wenigstens), etwas wiedergutmachen zu können. Ich konnte vielleicht wieder etwas Vertrauen aufzubauen, das ich selbst einst zerstört hatte, indem ich heute da war als kein anderer da war.
Bei der Schwiegerschwester aus dem Ägyptenleben hatte ich sogar die Gelegenheit, in einer etwas ähnlichen Situation, hinter den Kulissen zu intervenieren, dass sie geschützt war und nicht fallengelassen wurde, als es um ihre Existenz ging. Ich brauchte es nicht dass einer davon erfuhr, ich war einfach nur froh mich nützlich gemacht zu haben. Sie hatte mir schon vor 1000 Jahren verziehen, ich mir bis heute nicht!
Als es vollbracht war, diese eine Aufgabe, speziell mit meiner Familie, spürte ich es ganz klar und deutlich, dass ich da etwas Karma wieder gut machen habe können. Es war eine spürbare Erleichterung und danach veränderte sich auch mein Gemütszustand merklich, quasi als Belohnung, diesesmal nicht weggerannt zu sein als meine Leute meine Hilfe brauchten.
Was hatte mich all die Zeit gequält? Die Geister die ich einst gerufen hatte? Jede Tat setzt eine Energie frei. Was hinterließ ich damals, als ich diese Untat beging? Ich schürte den Hass und ließ zu dass meine Missgunst die Oberhand gewann und andere in Bitternis zurückließ und der Verlust kaum zu verkraften war. Alles was wir tun färbt natürlich auch auf uns ab!
Schon mit 15 fiel mir auf daß ich ein Problem hatte und die anderen nicht. Denen machte es nichts aus, den Alltag so zu erleben wie er war und wenn einmal nichts im Haus war, um den Tag zu betäuben, wenn wir alle nach der Arbeit zusammen saßen, Schallplatten hörten und Gitarre spielten war es ihnen egal, aber ich drehte durch.
Ich konnte es nicht ertragen, auch nur einen Abend ohne Betäubung aushalten zu müssen. Ich war die einzige die jedesmal einen Aufstand probte, hysterisch Geld sammelte und noch extra in die Stadt fuhr, um etwas zu besorgen. Wir gingen dann immer zur Szene („Ssiehn“ gesprochen), ein kleiner Park mit See in der Frankfurter Innenstadt, gleich neben dem Stadtbad Mitte, um für 5 Mark ein „Piece“ Haschisch zu besorgen.
Damals war auch schon LSD im Umlauf, ein wirklich starkes Zeug das wir am Wochenende oft "einwarfen", um so richtig abschalten zu können. Nachdem jeder von uns die Woche auf einer Arbeit hinter sich gebracht hatte, die wir hassten und mit der wir nichts anfangen konnten, brauchten wir einfach den stärksten Kick der zu kriegen war.
Bei Alkohol war man nur besoffen und wusste am nächsten Tag nicht mehr viel, aber mit LSD gab es auch noch einen Film mitgeliefert. Die Halluzinationen waren erstaunlich und nachdem man sich, wenn der Trip begann erst totgelacht hatte, kam danach immer der Horror. Man war nicht in der Lage die Dinge auseinanderzuhalten und unterscheiden zu können was Fiktion und was real war. Gefährlich. Einer wollte uns einmal aus Spaß alle mit einer Ast zerhacken und lachte dabei hysterisch während wir alle um unser Leben rannten, weil er nicht schnallte dass das mit unserem Ableben einhergehen würde.
Mit 15 war ich schon jeden Abend zugeknallt und am Wochenende sogar 24 Stunden des Tages am Stück, da die meisten von uns in Jobs gesteckt worden waren, bei denen viele Erwachsene mit uns machen konnten was sie wollten. Wir waren zu jung, um uns zu wehren.
Wir hatten keine Wahl, denn wir gehörten zum „Abschaum der Gesellschaft“, wie unser Lehrer uns so gerne betitulierte als es darum ging uns auf Berufsleben vorzubereiten und wenn er uns mal wieder für seinen Lebensüberdruss bluten lassen wollte und sich an uns hochzog. Ihr seid die „unterste Schicht der Gesellschaft, sagte er dann immer „euch will keiner haben“ und fuhr sich mit seinen knochigen Fingern hektisch durch seine fettigen Alkoholikerhaare und riss dabei seine Augen so weit auf als wollte er uns alle mit einem Schwung verschlingen. Wahrscheinlich hatte er wieder einen Kater. Ich dachte, ich wäre in der Schule um etwas zu lernen. Aber wir sollten anscheinend flach gekloppt werden, wie ein Schnitzel damit wir in die Streichholzschachteln der Mächtigen passten.
Ich habe mich oft gefragt, warum ich mit Menschen mit Abitur so wenig Gnade habe, wenn sie durch ihre Position über mich urteilen und bestimmen konnten, die ich einen ganz anderen Background habe als sie, die sich ihren Beruf hatten aussuchen können.
Ich habe keinen Sozialneid, wie es so schön heißt, ich habe Abiturneid, obwohl die
meisten meiner Freunde und Freundinnen studiert haben. Aber ich muss zugeben, daß das alles meine eigene Schuld ist. Wie immer! Denn als sie mich mit 10 in der Schule fragten ob ich ins Gymnasium wollte, hatte ich Angst ich hätte keine Zeit mehr zum Malen! Also war es meine Entscheidung, auch wenn es meinen Eltern ganz recht war dass ich ihnen nicht noch die nächsten 14 Jahre auf der Tasche liegen würde, wie Kinder die studierten.
Keiner von „den Studierten“ kann sich vorstellen wie es ist, mit 14 einer Industrie ausgeliefert zu sein, der es nur um Leistung, Ausbeutung und Kostenreduzierung geht, bevor man überhaupt fertig gebacken ist. Wie soll so, etwas aus einem werden? Fehlgeleitet, mit voller Absicht, von Leuten die es besser wissen müssten! Der Starke sollte den Schwachen beschützen und nicht seine Unwissenheit ausnutzen um ihn abzuzocken! Das ist dickstes Mittelalter und plumpe Wegelagerei.
Wir mussten Job- mäßig nehmen was übrig war und hatten die Fresse zu halten. Arme Leut` sind wehrlos und junge erst recht. Wir hatten keine Stimme, wir hatten keine Lobby! Wen kümmerte es, was ein 14 jähriger auf der Arbeit auszuhalten hatte? Die täglichen Erniedrigungen mussten verkraftet, verdrängt und abgebaut werden, damit wir uns danach wieder wie "normale" bewegen und die Woche auf der ungeliebten Arbeit durchstehen konnten bis zum nächsten Wochenende, sonst wären wir geplatzt. Dann knallten wir uns wieder zu, von Freitag, sofort nach Feierabend durchgehend bis Sonntagnacht.
Ich ging Montagmorgen oft noch auf Droge und mit einer ganzen Menge Restalkohol im System zur Arbeit (Lambrusco, 2 Liter für 1,80 D Mark) und wenn ich am Wochenende LSD geschluckt hatte, fand ich die Muster auf den Formularen dann immer sehr faszinierend, sie bewegten sich sogar, wie schwimmende Wolken. Ich sah Farben. Wahnsinn! LSD braucht lange bis es abklingt und bei mir wirkte es meistens auch noch viel länger als 12 Stunden. Ich konnte 3 Tage auf Trip sein, wo andere am nächsten Morgen schon wieder klar waren.
Es dauerte auch bis ich begriff dass man Haschisch und Rotwein nicht gleichzeitig zu sich nehmen darf. Ich bekam davon jedesmal einen Kreislaufkollaps und hatte das Gefühl mein Herz bleibt gleich stehen, bis ich mich endlich übergeben konnte. Obwohl ich nur ein kleines Glas Rotwein getrunken hatte! Ich lag dann lange im Bad auf dem kalten Kachelboden und konnte nicht mehr aufstehen oder rufen und dachte, meine letzten Minuten werde ich also in einem Badezimmer verbringen, während meine Freundinnen draußen laute Musik hörten und lachten. Dasselbe habe ich auch bei anderen beobachtet, wenn sie diese 2 Sachen mischten, bis ich dahinter kam dass es diese beiden Komponenten sind, die irgendeine chemische Reaktion auslösen die wirklich gefährlich ist und einen Herzkasper bewirkt.
*
So dachte ich mich am Wochenende genügend abreagiert zu haben und wieder bereit für das „Arbeitsleiden“ zu sein. Dazu kam noch dass mich so ein alter Knopf aus meiner Abteilung immer bis aufs Klo verfolgte, weil er meinte mich kontrollieren zu müssen, damit ich nicht heimlich rauchte bevor ich 16 war. Was ich aber trotzdem tat. Ohne Nikotin eine Stunde durchzustehen schaffte ich dort nicht.
Besonders in einer so lieblosen Atmosphäre.