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Nur ein Tropfen Leben. Christina M. Kerpen
Читать онлайн.Название Nur ein Tropfen Leben
Год выпуска 0
isbn 9783847686248
Автор произведения Christina M. Kerpen
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
David beißt die Backenzähne hart aufeinander. Sein Herz ist gerade wieder von einem spitzen Dolch getroffen und durchbohrt worden. Niemals hätte er es für möglich gehalten, dass der Verlust eines Menschen ihn so hart und dauerhaft schmerzhaft treffen könnte.
Er schaut Perkins offen an. Er kennt die Story, die sich vor einiger Zeit auf einer Viehauktion zwischen dem Sohn des alten Ranchers Johnson und seiner Carol zugetragen hat. Er weiß, dass Max damals durch sein schnelles und gezieltes Eingreifen verhindert hat, dass das Kind von Johnson Junior vergewaltigt wurde.
Der Indian beißt sich auf die Unterlippe, schaut Perkins aus kalten, dunklen Augen und ohne weitere Regung in seinem Gesicht hart an. „Du kennst unsere Carol schon lange! Du hast sie mal vor Schlimmem bewahrt, als Dein Juniorboss sie vergewaltigen wollte.“
Stirnrunzelnd schaut der Johnson-Vormann seinen neuen Boss an, dann klärt sich sein Gesicht und er meint heiter: „So ’ne hübsche, kesse Rothaarige, mit mehr Viehverstand, wie die Viecher selber, stimmt’s?“
Bitter nickt David: „Genau die!“
„Und wo ist der süße Käfer abgeblieben? Ihr werdet sie doch wohl nicht gefeuert haben, nachdem sie Euch mit so vielen guten Ideen versorgt hat? Oder hat sie das gesamte Tafelsilber geklaut und ist damit abgehauen? Ich meine nur, weil Ihr sie so totschweigt.“
Ohne Anzeichen irgendeiner Emotion brummt David gleichmütig: „Dem Mädchen geht es zur Zeit sehr schlecht. Das Leben hat ihr jahrelang hart zugesetzt und deswegen ist sie zur Erholung in ärztliche Obhut gegeben worden. Wir wissen nicht, wann und ob sie überhaupt zurückkehrt. Sie hat gerade in den letzten Monaten so furchtbar viel durchmachen müssen, wie wir zwei zusammen das im Leben nicht mehr schaffen können.“
Er macht eine kurze Redepause, dann brummt er: „Sie ist übrigens die Schwester von Blacky, der wegen des angeblichen Mordes an Fred Johnson fast unschuldig aufgeknüpft worden ist.“
„Ja, ich erinnere mich, wusste aber nicht, dass das Geschöpfchen Euer Cowgirl war. Ich dachte immer, die Blake Geschwister wären Verwandtschaft von Eurem Rancher. Scheiße! Na kein Wunder, dass sie ähm, krank geworden ist. Ich habe auch von dem Überfall auf den Postzug gehört. Schlimme Sache für die Kleine, war bestimmt kein Honigschlecken und mit Fisher hatte sie bestimmt keine Hilfe, sondern eher einen Klotz am Bein.“ Max schüttelt den Kopf und denkt: ‚Da kann man wirklich nur durchdrehen, wenn man unschuldig in so was rein gerät. Bestimmt ist sie in einem Irrenhaus gelandet, das arme Ding. Deswegen spricht kaum einer vernünftig von ihr.’
Die Version, dass Carol zur Erholung weggeschickt worden ist, ist die offizielle, in Ebony Town bekannte Geschichte. Es war die Idee von Dr. Steel und seiner Frau, den Leuten eine unverfängliche Geschichte zu präsentieren, damit das junge Mädchen unbelastet zurückkehren kann, wenn sie das irgendwann einmal möchte.
Der Mediziner hatte dann grinsend noch hinzugefügt: „Und für das Kind finden wir auch eine plausible Erklärung, denn bei Carol ist doch alles, einschließlich eines Findelkindes, möglich.“ Das Ehepaar hatte dann auch, unter dem Siegel der Verschwiegenheit natürlich, für eine rasche Verbreitung der Story gesorgt, um die Gerüchteküche möglichst kalt zu halten.
Kein einziger Stadtbewohner hat den geringsten Zweifel am Wahrheitsgehalt der Geschichte und jeder ist sich sicher, dass es für das Kind am besten war, für eine Weile zur Erholung weggeschickt worden zu sein. Ihre ganzen Abenteuer werden in Hunderten von Gesprächen immer wieder nacherlebt und schließlich ist sich jeder sicher, dass die arme Kleine einen Nervenzusammenbruch erlitten haben muss, insbesondere nach der schweren Erkrankung, die sie sich im Gebirge nach dem Zugüberfall zugezogen hat.
Außer allen Bewohnern nebst den altgedienten Cowboys der Willow-Tree-Ranch, dem Ehepaar Steel und Bill Fawkes, dem Sheriff der kleinen Stadt, weiß wirklich niemand von Carols Schwangerschaft und alle, die es wissen, halten erstaunlich dicht. Kein einziger geht mit dieser Sensation hausieren, obwohl er damit zum Star vorn Ebony Town werden könnte.
Nun kennt also auch Max Perkins die Version von Carols Erholungsurlaub und nunmehr wird wohl auch auf der Johnson-Ranch das Gerede über die junge Frau endlich ein Ende finden.
Für David ist das Gespräch mit seinem Kollegen damit beendet und er stapft von dannen, denn er will nicht weiter in seinen eigenen Wunden bohren.
Müde kehrt der Mann zur Willow-Tree-Ranch zurück. Immerzu muss er an das bezauberndste aller Mädchen denken, an das süße Kind, das ihm seine Jugend schenken wollte und welches ihm schon fast ganz gehört hätte, wenn er nur nicht so ungeduldig und so furchtbar unbeherrscht gewesen wäre. Die Sehnsucht nach dem reizenden Geschöpf ist besonders in den einsamen Nächten unbeschreiblich schmerzhaft.
Wenige Tage nach dem Gespräch zwischen den beiden Vorarbeitern erscheint ein aufgeregter Sheriff auf der Willow-Tree-Ranch. Er reitet sofort zu Mr. Carpenter, der am Corral steht und dort einige neu erworbene Pferde beobachtet, hinüber.
Fawkes erkennt, dass einige wundervoll rassige Stuten bei den Neuerwerbungen sind und er hört den Alten gedankenverloren murmeln, nachdem er von ihm begrüßt worden ist: „Nicht nur, dass uns Carol an allen Ecken und Enden fehlt, hier wäre auch für Silky was dabei. So schöne Stuten und der großartige Hengst, das gäbe Fohlen vom Allerfeinsten.“ Er seufzt und wendet sich mit einem Ruck dem Ordnungshüter zu. „Nun, Sheriff, was führt Sie zu uns? Sie waren lange nicht mehr hier draußen.“
Seit Carol nicht mehr da ist, zieht es den jungen Sheriff gar nicht mehr so häufig auf die große Ranch, das weiß er und er zuckt entschuldigend mit den Schultern, doch sofort kann er sich ein Strahlen nicht mehr verbeißen und er reicht dem Rancher ein Telegramm, welches auch diesen in nicht unbeträchtliche Aufregung zu versetzen scheint.
Mit einer für sein Alter unbeschreiblichen Wendigkeit dreht sich Carpenter zu einem jungen Cowboy um. „Hey, Jim, reite so schnell Du kannst zur Westweide. Dort sind Widefield und Blake. Sag ihnen, sie sollen alles stehen und liegen lassen und auf schnellstem Wege zu mir kommen. Sag ihnen, dass es brennt!“
Er schaut wieder auf das Telegramm und schüttelt dann, erleichtert aufatmend, den Kopf, während er den Text zum wiederholten Male überfliegt.
„War auf Reisen STOP Kann erst heute antworten STOP Gesuchte gesehen STOP Rote Haare, andere Umstände STOP Richtung Südwesten STOP Viel Glück STOP Wrighling STOP“
Der Alte seufzt: „Ich hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben, dass wir die Kleine jemals wiedersehen werden, aber das hier, “ er wedelt mit dem Papier, „das klingt doch recht vielversprechend.“
Fawkes nickt und meint plötzlich ernüchtert: „Schon, aber leider ist die Spur schon ziemlich abgekühlt. Mein Kollege war verdammt lange unterwegs. Außerdem kann es sich wieder um einen Irrtum handeln.“
„Kann, kann, kann. Was soll das, werfen Sie die Flinte ins Korn, bevor die Fährte aufgenommen wurde? Unsinn, wenn sich der Mann an eine Person erinnert, auf die Carols Beschreibung passt, werden es auch andere tun, besonders, wenn man endlich die richtige Richtung kennt, in der man suchen muss. Außerdem werden ja wohl nicht so sonderlich viele schwanger Kinder mit feuerroten Haaren unterwegs sein.“
Bill nickt mit traurigen Augen. „Das wollen wir doch nicht hoffen, Sir.“
Carpenter schaut den Sheriff scharf an, dann schmunzelt er: „Ich glaube, unser Hexchen hat Ihnen auch ein wenig den Kopf verdreht, mein Lieber.“
Der Sheriff schluckt: „Nicht nur ein wenig, Sir. Ich glaube, mich hat es sogar ziemlich schlimm erwischt. Aber ich fürchte, ich bin leider reichlich chancenlos.“
Der Alte lacht. „Trösten Sie sich, mein Junge, damit stehen Sie nicht alleine in dieser Stadt.“
Es dauert gar nicht lange, da stolpern seine beiden besten Cowboys in das Büro des Ranchers. Sie verpassen den Sheriff nur um eine knappe viertel Stunde und sind sehr gespannt darauf, was der Alte ihnen zu sagen hat, denn Jim