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das Land zu verlassen. Über zwanzig Jahre haben sie bei einem Weinbauer gelebt und ihm den Haushalt geführt. Als dieser verstarb, wurden sie vom Sohn des Verstorbenen vom Hof gejagt.

      Er war ein Rassist, wie es schlimmer nicht sein könnte. So blieb ihnen nur die eine Möglichkeit, zu ihrer Familie in der Camarqué zurück zu kehren. Dort gibt es noch einen Schwager, der das kleine Anwesen etwas erweiterte und so seine Verwandschaft unterbringen konnte.

      Janine hat während der gesamten Zeit, als ihr Vater von alten Zeiten erzählte, Shoel betrachtet. Der Mutter Janines ist dies natürlich nicht entgangen und so fragt sie ganz spontan, ob Shoel nicht mit zu ihnen kommen will. Für ein Wohnmobil haben sie immer einen geeigneten Platz, erklärt der Vater. Shoel soll doch wenigsten solange am Ort bleiben, bis sich Janine von ihrem Unfall erholt hat.

      Shoel spürt, dass er nun nicht einfach weiterfahren kann. Die Familie von Janine hat ihn in seinen Bann gezogen.

      Wollte er nicht ausziehen um das Leben der Zigeuner zu studieren? Nun ergibt sich eine Gelegenheit, die er so schnell nicht wieder kommen würde, das ist ihm inzwischen klar geworden. So willigt er ein, ohne von seinem Vorhaben, ein Buch über das Zigeunerleben schreiben zu wollen, zu berichten.

      Er wird es zu einer passenden Gelegenheit erklären. Dann würden sie ihm vielleicht einen Einblick in ihre Lebensgewohnheiten geben. So zumindest ist seine Hoffnung.

      Ein Weg, denn eine richtige Straße ist es nicht, führt Shoel und sein Wohnmobil in eine abgelegene Gegend der Camarqué. Vom Hospital sind es gute zwanzig Kilometer, bis sie endlich vor einem Eisengitter zum Stehen kommen. Es ist die Einfahrt zu einem Anwesen, welches Shoel für die nächsten Tage noch einiges an Rätseln aufgeben wird. Aus dem weitläufigen Garten kommen Kinder mit viel Geschrei zum Tor gelaufen. Sie schieben die Gitter beiseite.

      So fahren der Vater mit seinem alten Citroen und Shoel mit seinem Wohnmobil durch den mit einem Bogen verzierten Eingang. Shoel bekommt eine Anweisung, wo er sein Fahrzeug abstellen kann. Im vorderen Bereich des Grundstückes, gibt es ein mit einer Gartenlaube verziertes Anwesen. Hier soll sein vorübergehendes Quartier sein. Er könne selbst entscheiden, ob er lieber in der Gartenlaube oder seinem Wohnmobil wohnen will.

      Shoel betrachtet sich das kleine Häuschen und stellt fest, dass es sogar eine Dusche gibt. Der Vater von Janine zeigt ihm auch gleich die Steckdose, die er für sein Wohnmobil so dringend benötigt.

      Nach und nach lernt Shoel die große Familie kennen. Alle scheinen zu wissen, das Shoel, der kleinen Janine, wie sie hier genannt wird, bei ihrem schweren Unfall geholfen hat.

      Ihm selbst war es zwar nicht so bewusst, aber widersprechen will er nun auch nicht. Dass es doch für ihn eine Selbstverständlichkeit war und so gibt es da doch eigentlich nichts mehr zu reden. Deshalb schweigt er auch und die jüngere Schwester von Janine führt ihn im Anwesen herum.

      Zwei riesige Wohnmobile stehen im hinteren Teil des Anwesens. Drei Wohnwagen sind in einer Reihe aufgestellt und miteinander durch Zeltplanen verbunden. Verschieden große Steinhäuser gibt es ebenfalls. Eines der Steinhäuser, muss früher eine Scheune gewesen sein. Nun ist sie aber ausgebaut und im hinteren Teil scheint eine Werkstatt installiert zu sein aus der man lautes Hämmern wahrnehmen kann.

      Ein Blick in den Raum verrät ihm, dass hier wohl eine kleine Autowerkstatt betrieben wird. Ein junger Mann ist damit beschäftigt, an einem Unfallwagen die Türe auszubauen. Dann aber steht auch schon Janines kleine Schwester hinter ihm und erklärt ihm, dass es wohl Essenszeit ist.

      Getafelt und so muss man es nennen, wird hier an einem langen großen Naturholztisch. Shoel spürt die Nähe zu den Zigeunern und er spürt auch, dass es ihm nicht unangenehm ist. In dem Gesicht einer älteren Frau, glaubt er Gesichtszüge seiner Tante zu erkennen.

      Er betrachtet sich die Tischplatte und überlegt, vielleicht war es zu früheren Zeiten mal eine Türe, zumindest deuten die noch vorhandenen Beschläge darauf hin. Nur das Schloss selbst hat man wohl entfernt, vielleicht wurde es an einer anderen Stelle des Hauses benötigt. Dafür klafft hier ein größeres Loch. Shoel schiebt verstohlen sein Tischset darüber. Eines der kleinen Mädchen beobachtet ihn dabei und meint: „Das Loch im Tisch gehört dahin, denn da sitzt normalerweise die Oma und wenn sie ihre Suppe verschüttet, läuft diese hier ganz einfach ab.“

      „Wie praktisch!“, meint Shoel zu dieser simplen Erklärung.

      Große Teller mit Salaten und Meeresfrüchten werden herausgetragen. Schnell ist der Tisch mit leckeren Speisen gedeckt.

      Zwei große Brotlaibe liegen zum Zerteilen auf dem Tisch. Der Hausherr greift zum Messer und beginnt mit der Aufteilung der großen Laibe.

      Die Frauen am Tisch verteilen die Salate mit den dazugehörigen Saucen. Ein Stimmengewirr, eine Lebendigkeit, wie Shoel sie bisher nicht erlebt hat. Shoel ist begeistert von diesem Treiben am abendlichen Tisch.

      Wie die Familien zusammen gehören hat er natürlich noch nicht herausgefunden. Er erkennt, dass es mindest noch drei weitere Schwestern von Janine geben muss. Dann gibt es drei ältere Frauen, die wohl für die Ordnung auf dem Anwesen zuständig sind. Oder ist vielleicht die Bezeichnung Chaos besser?

      Shoel kann nach einiger Zeit beobachten, dass es sich um zwei Familien am Tisch handelt. Sie sitzen zwar durcheinander, aber von den vier jüngeren Kindern gehören zwei zu Janines Familie, da sie zwischendurch Deutsch sprechen. Die Ähnlichkeit ist sofort zu erkennen. Nur eines haben alle gemeinsam, es sind die dunkelbraunen Augen. Zwei, für Shoel ältere Männer sind wohl die Familienoberhäupter. Sie sitzen über Eck am Tisch und haben wohl gerade einiges zu besprechen. Sie stecken ihre Köpfe zusammen und es scheint wichtig zu sein, das erkennt Shoel an der Mimik. Die jüngeren Kinder sprechen teilweise ein sehr deutliches österreichisch. Sie scheinen sogar dort zur Schule gegangen zu sein. So erklärt eine, wohl die ältere von vieren, wie eine Rechenaufgabe zu lösen ist.

      Zwei junge Männer stecken ihre Köpfe ebenfalls zusammen. Einen von beiden erkennt Shoel als den Burschen aus der Autowerkstatt. Soweit Shoel es versteht, kommt wohl in den nächsten Tagen ein weiterer Wagen, der für den Verkauf hergerichtet werden muss. Interessant ist für Shoel, dass alle reichlich zu tun haben. Eigentlich hatte er vermutet, dass sie von Staatlicher Hilfe leben würden, aber weit gefehlt, hier verdient jeder sein eigenes Geld.

      Die älteren Frauen betreiben mit zwei jüngeren Frauen zusammen eine Töpferei. Da fällt Shoel ein, dass er im Unfallwagen von Janine eine Kiste mit Töpferware gesehen hat. Leider ist sie nun nicht mehr für den Verkauf geeignet.

      Der Vater von Janine spricht Shoel auf den Unfall an. Die Polizei, die den Unfall aufgenommen hat, behauptet, Janine sei von der Straße abgekommen. Dagegen spricht aber, dass der zweite Wagen, der ebenfalls am Unfall beteiligt war, einen Schaden aufweist, der auf seine Schuld schließen lässt. Aber der Besitzer des zweiten Wagens kennt wohl einen der Polizisten, die den Schaden aufgenommen haben. So wurde der Unfall zu Gunsten des zweiten Fahrzeuges gedreht.

      Der zweite Beteiligte ist in der Gemeinde tätig und hat natürlich die erforderlichen Möglichkeiten den Fall zu beeinflussen. Janines Onkel meint, dass sie den Schaden wohl selbst bezahlen müssen. Nur gut, dass Janine eine ordentliche Krankenversicherung hat. Diese stammt noch aus der Zeit, als sie in Österreich wohnten.

      Die Tafel wird aufgehoben und Janines Vater bitten Shoel an seine Seite. Shoel vermutet, dass Janines Vater nun ein bisschen über sein Leben erfahren möchte.

      Auf die Frage nach Shoels Beruf, antwortet dieser, dass er Autor verschiedener Bücher sei.

      Die Enttäuschung ist Janines Vater anzusehen, er erhoffte sich wohl eher einen wohlhabenden jungen Mann. Shoel begreift schnell. Der Vater, der sich übrigens den Namen „Kaiser“ gibt, ist wohl auf der Suche nach einem geeigneten Schwiegersohn.

      Shoel fragt ganz direkt nach Janines Alter. „Dreiundzwanzig? Ist sie da nicht noch viel zu jung?“

      Der Kaiser, also Janines Vater ist fast verärgert, über diese Reaktion. So meint er mit grimmiger Miene, „Wie alt soll sie den noch werden. Normalerweise würden sich die jungen Frau schon mit neunzehn einen Bräutigam suchen.“

      Um

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