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du tot, tot wie meine Schönheit?«

      In der Frühe des nächsten Morgens kam der große Gutsherr zu seiner Frau herein.

      »Sieh zu, daß du wieder Ordnung im Hause schaffest, Gustava«, sagte er. »Ich fahre hinüber, um Marianne zu holen.«

      »Ja, lieber Melchior, es soll alles wieder in Ordnung gebracht werden«, erwiderte sie.

      Damit war alles zwischen ihnen klar. Eine Stunde später befand sich der große Gutsherr auf dem Wege nach Ekeby.

      Man konnte keinen stattlicheren und freundlicheren Herrn sehen als Herrn Melchior Sinclaire, wie er dort in dem zurückgeschlagenen Kaleschenschlitten saß, in seinem besten Pelz und mit seinem besten Halstuch. Jetzt lag sein Haar glattgekämmt über dem Scheitel, das Gesicht aber war bleich, und die Augen lagen tief in ihren Höhlen.

      Und unbeschreiblich war auch der Glanz, der von dem wolkenlosen Himmel über den Februartag herabströmte. Der Schnee funkelte, wie die Augen der jungen Mädchen, wenn zum ersten Tanz aufgespielt wird. Die Birken streckten ihr Spitzengewebe von feinen rotbraunen Zweigen zum Himmel empor, und an einigen saß noch eine Franse von kleinen, funkelnden Eiszapfen.

      Es lag Festglanz über dem Tage. Die Pferde warfen tanzend die Vorderbeine in die Höhe, und der Kutscher mußte vor lauter Vergnügen mit der Peitsche knallen.

      Nach einer kurzen Fahrt hielt der Schlitten des großen Gutsherrn vor der Treppe zu Ekeby. Der Diener kam heraus.

      »Wo ist deine Herrschaft?« fragte Melchior Sinclaire.

      »Sie sind auf Jagd nach dem großen Bären in den Gurlita-Bergen.«

      »Alle zusammen?«

      »Alle zusammen, Herr. Wer nicht um des Bären willen mitgeht, der geht des Fouragesacks wegen mit.«

      Der Gutsherr lachte, so daß es über den stillen Hof schallte. Er gab dem Diener einen Taler für die Antwort.

      »Sage meiner Tochter, daß ich hier bin, um sie zu holen. Sie soll nicht bange sein, daß sie frieren wird. Ich habe einen Kaleschenschlitten, und einen Wolfspelz habe ich auch mitgebracht, um sie einzuhüllen.«

      »Wollen der gnädige Herr nicht eintreten?«

      »Nein, ich sitze gut, wo ich sitze.«

      Der Diener verschwand, und der Gutsherr schickte sich an zu warten. Er war an jenem Tage in so strahlender Laune, daß ihn nichts zu stören vermochte. Er hatte es sich wohl gedacht, daß er auf Marianne würde warten müssen; vielleicht war sie noch nicht einmal aufgestanden. Er konnte sich indessen die Zeit vertreiben, indem er ein wenig um sich blickte.

      Dort am Dachfirst hing ein langer Eiszapfen, mit dem die Sonne große Mühe hatte. Sie fing von oben damit an, schmolz einen Tropfen los und wollte nun, daß er an dem Eiszapfen entlang laufen und herabfallen sollte. Ehe aber der Tropfen den halben Weg zurückgelegt hatte, war er schon wieder erstarrt. Die Sonne machte beständig neue Versuche, hatte aber niemals Glück damit. Endlich aber war da ein eigenmächtiger Strahl, der sich an die Spitze des Eiszapfens festhängte, ein ganz winzig kleiner, der vor Tatendrang blitzte, und ehe man sichs versah, hatte er sein Ziel erreicht: ein Tropfen fiel klatschend zur Erde.

      Der Gutsherr sah das und lachte. »Du warst nicht dumm, du!« sagte er zum Sonnenstrahl.

      Der Hof war still und leer. Aus dem großen Haus drang kein Laut bis zu ihm heraus. Aber er wurde nicht ungeduldig. Er wußte, daß die Damen viel Zeit gebrauchen, bis sie fertig sind.

      Er saß da und betrachtete den Taubenschlag. Der war vergittert. Die Tauben waren eingeschlossen, solange der Winter währte, damit der Habicht sie nicht rauben sollte. Von Zeit zu Zeit kam eine Taube und steckte ihren weißen Kopf durch das Drahtnetz.

      »Die wartet auf den Frühling!« sagte Melchior Sinclaire; »aber da muß sie Geduld haben.«

      Die Taube kam so regelmäßig, daß er seine Uhr herauszog und achtgab. Präzise jede dritte Minute steckte sie den Kopf heraus.

      »Nein, mein Herzchen,« sagte er, »glaubst du, daß der Frühling in drei Minuten fertig wird? Du mußt es lernen zu warten!«

      Und er selber mußte warten, aber er hatte Zeit genug.

      Die Pferde scharrten anfangs ungeduldig im Schnee, dann aber wurden sie müde vom Stehen und von der Sonne, die ihnen in die Augen schien. Sie steckten die Köpfe zusammen und schliefen. Der Kutscher saß steif auf dem Bock, Peitsche und Zügel in der Hand, das Gesicht der Sonne zugewandt, und schlief, so daß er schnarchte.

      Aber der Gutsherr schlief nicht. Er war niemals weniger zum Schlafen aufgelegt als jetzt. Selten hatte er sich wohler gefühlt als in dieser frohen Wartezeit. Marianne war krank gewesen. Sie hatte nicht früher kommen können, jetzt aber kam sie sicher. Ja natürlich kam sie. Und alles sollte wieder gut werden.

      Jetzt mußte sie ja sehen können, daß er ihr nicht mehr zürnte. Er war ja selber gekommen, mit der Kalesche und mit zwei Pferden!

      Auf dem Brett, das vor dem Flugloch des Bienenkorbes angebracht war, hatte sich eine Meise eine wahrhaft satanische List ersonnen. Sie wollte ihr Mittagessen haben, deswegen pochte sie mit ihrem kleinen, scharfen Schnabel gegen das Brett. Drinnen im Bienenkorb aber hingen die Bienen in einem großen schwarzen Klumpen, alles ist in der strengsten Ordnung; die Schaffner teilen die Rationen aus, der Mundschenk läuft mit Nektar und Ambrosia von Mund zu Mund. Die, welche ganz nach innen hinein hängen, tauschen in einem ewigen Gewimmel ihren Platz mit den außen hängenden Genossen, so daß Wärme und Bequemlichkeit gleichmäßig verteilt sind.

      Da hören sie das Pochen der Meise, und der ganze Bienenkorb ist ein Gesumme von Neugier. Ist es Freund oder Feind? Droht Gefahr für den Staat? Die Königin hat ein schlechtes Gewissen; sie kann nicht in Ruhe warten. Ist es der Geist der ermordeten Drohnen, der da draußen spukt? »Geh hinaus und sieh nach, wer da ist!« befiehlt sie der Pförtnerin. Diese geht. Mit einem: »Es lebe die Königin!« stürzt sie hinaus, und schwapp! fällt die Meise über sie her. Mit vorgestrecktem Hals und Flügeln, die vor Eifer zittern, fängt sie sie, zermalmt sie, verzehrt sie – und niemand bringt der Herrscherin Kunde von ihrem Tode. Aber die Meise klopft nochmals, und die Königin fährt fort, ihre Türhüterinnen auszusenden, und sie verschwinden alle. Nicht eine kehrt mit der Meldung zurück, wer es gewesen, der da pochte. Hu! es wird unheimlich in dem dunklen Bienenkorb. Es sind die Rachegeister, die da draußen ihr Spiel treiben. Wer nur keine Ohren hätte! Wer nur seine Neugier unterdrücken könnte! Wer nur ruhig warten könnte!

      Der große Gutsherr lachte, so daß ihm die Tränen in die Augen traten, über die dummen Frauenzimmer im Bienenkorbe und über den schlauen Kavalier da draußen auf dem Brett.

      Es ist keine Kunst, zu warten, wenn man seiner Sache sicher ist und wenn man so vielerlei hat, womit man seine Gedanken ablenken kann.

      Die Sonne begann, sich den Bergen im Westen zuzuneigen. Melchior Sinclaire sah nach seiner Uhr. Es war drei, und die Mutter hatte das Mittagessen zu zwölf Uhr bereithalten wollen.

      Im selben Augenblick kam der Diener und meldete, daß Fräulein Marianne mit ihm zu sprechen wünsche. Der Gutsherr hängte den Wolfspelz über den Arm und stieg in strahlender Laune die Treppe hinan.

      Als Marianne seine schweren Schritte auf der Treppe vernahm, wußte sie noch nicht, ob sie mit ihm heimkehren wolle oder nicht. Sie wußte nur, daß diese lange Wartezeit ein Ende haben müsse.

      Sie hatte gehofft, daß die Kavaliere nach Hause kommen würden; aber sie kamen nicht. So mußte sie denn selber dafür sorgen, daß diese Sache ein Ende nahm. Sie konnte es nicht länger ertragen.

      Sie hatte gedacht, daß er voller Zorn wieder fortfahren würde, sobald er zehn Minuten gewartet hatte, daß er die Türen einschlagen oder das Haus in Brand stecken würde.

      Aber da saß er ganz ruhig und lächelte und wartete. Sie empfand weder Haß noch Liebe für ihn. Eine innere Stimme aber warnte sie, sich wieder in seine Macht zu geben. Auch wollte sie ihr Gösta gegebenes Wort halten.

      Wäre er nur eingeschlafen oder unruhig geworden,

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