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      Rainer Adamaszek

      Warum gerade jetzt?

      Warum gerade hier?

      Warum gerade so?

      Die Arbeit der Biographik

      Einleitung

      1 Die vier Dimensionen der Liebe

      1.1 Eine geglückte Therapie?

      1.2 Liebe und Arbeit

      1.3 Unerfüllte Liebe, Macht und Schuld.

      2 Biographik und Psychoanalyse

      2.1 Die biographische Überwindung der Theoreme von „Ödipuskomplex“ und „Narzissmus“

      2.2 Die biographische Unterscheidung von Sterben und Töten

      2.3 Warum gerade jetzt, warum gerade hier und

      warum gerade so?

      2.4 Präzisierung der Sprache über „Liebe“„Schuld“, „Macht“, „Gefühl“ und „Vernunft“

      2.5 Der Nachweis, dass die menschliche Sterblichkeit das vierte und fünfte Gebot zur Geltung bringt

      3 Genographische Analyse

      und Rekonstruktionsarbeit

      3.1 Moratorien der Liebe und Sollbruchstellen von Lebensläufen

      3.2 Choreographie der Versöhnung und Grammatik der Gefühle

      3.2.1 Die Botschaft der Gefühle

      3.2.2 Biographische Bahnung von Heilungsprozessen

      3.2.3 Das Zusammenwirken der biographischen Fragestellungen

      4 Gefühl und Vernunft im Einvernehmen

      Zusammenfassung

       Zwei Anlagen

      Quellen

      Literatur

      Text: © Copyright by Rainer Adamaszek

      Umschlaggestaltung: © Jens Adamaszek 2021

      Verlag:

      Dr. Rainer Adamaszek

      Ual Saarepsway 26

      25946 Norddorf/Amrum

      Herstellung: epubli, ein Service der neopubli GmbH, Berlin

      Einleitung

      Der Arzt Viktor von Weizsäcker gelangte nach dem Aufkommen der Psychoanalyse und unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs zu der Überzeugung, dass die Zukunft der Medizin von der Entwicklung der biographischen Methode abhängt. Nach dem Zweiten Weltkrieg und nach Beendigung der Hitlerdiktatur, als er in Heidelberg auf den für ihn errichteten Lehrstuhl für „Allgemeine klinische Medizin“ berufen wurde, trat er sein Amt an, um das erforderliche Forschungsvorhaben umsetzen. Es bestand darin, der Medizin die hermeneutisch begründete Zukunft zu verschaffen, die ihr gebühre. Sie dem Schicksal zu überlassen, das ihr unter dem Zugriff ausschließlich naturwissenschaftlicher Orientierung drohte, hieß zuzusehen, wie sie – weiterhin – als Vorreiterin der Waffenindustrie fungiert.

      Ob diese Befürchtung eingetroffen ist, kann jeder selbst beurteilen, der es wissen will. Weizsäckers Projekt jedenfalls ist zu seinen Lebzeiten nur bis zu einem Stadium gediehen, die das Urteil provozierten, es sei an seinen Anspruch gescheitert. Dieser ist in einem einzigen Satz zusammenzufassen:

      Eine entfaltete „Biographik“ werde dazu befähigen, in Hinblick auf Entstehung und Verlauf von Erkrankungen drei Fragen verlässlich zu beantworten: „Warum gerade jetzt?“, „Warum gerade hier?“ und „Warum gerade so?“ (1)

      Weizsäcker selbst hat aber zwei Sätze formuliert, die sich anhören, als wolle er selbst bereits den Grund seines Scheiterns durch einen ganz anderen Anspruch angeben: Er erklärte kurzerhand, dass die Biographik nicht ohne eine vollständig neuartige Definition des Begriffs von Wirkung auskomme.

      Seinem Gesamtwerk ist zu entnehmen, dass ihr die Aufgabe zufalle, die Medizin aus der Umklammerung durch naturwissenschaftliche Prinzipien zu befreien. Statt sich am Ende aber darauf zu beschränken, dies Ziel noch einmal ausdrücklich zu benennen, tat er einen völlig anderen, nicht zu erwartenden Schritt: Er gab bekannt, dass er die biographische Definition des Arbeitsbegriffs bereits vorgenommen habe, und zwar durch die beiden Behauptungen:

      1. „Wirksam ist das ungelebte Leben.“

      2. „Verwirklicht wird das Unmögliche.“ (2)

      Damit erweckte er bei seinen Zeitgenossen den Eindruck, als bestünde seine Absicht darin, das Ringen um Entwicklung der biographischen Methode den Kriterien wissenschaftlicher Bewährung zu entledigen und sie den offenen Armen der Esoterik zuzuführen. Er hielt gar nicht mit dem eigenen Bewusstsein hinterm Berge, dass diese Positionsbestimmung der Biographik „wissenschaftlich anstößig“, für heuristische Zwecke also ungeeignet erscheinen werde. Um als Lehrsätze zu dienen, müssten sie logische Stringenz aufweisen und experimentell bestätigt sein. (3) Da sie beide Voraussetzungen nicht zu bieten hatten, ließ sich im Rahmen der akademischen Medizin darauf anscheinend keine Schule mehr gründen.

      Tatsächlich aber hatte sich am Ende seines Lebens herausgestellt, dass ihm Gewissheit, mit seinem Ringen um die notwendige Erneuerung der Medizin auf dem richtigen Weg gewesen zu sein, nicht davor bewahrte, die wirkliche Aufklärung, die ausstand, als sein Vermächtnis zu behandeln. Denn diese Aufklärung hätte durch den Nachweis erfolgen müssen, inwiefern seinen drei diagnostischen Grundfragen Relevanz innewohnt und inwiefern sein biographischer Begriff von Wirkung den Schlüssel zur Lösung therapeutischer Probleme liefert. Anders gesagt: Die biographische Forschung konnte nur dadurch Wurzeln treiben, dass sie die Fruchtbarkeit ihrer sowohl unerreichbar als auch widersprüchlich anmutenden Hypothesen unter Beweis stellte.

      Dieser – durchaus nicht wahrscheinliche – Fall ist inzwischen eingetreten, und zwar infolge der Entdeckung, dass eine gesetzmäßige Korrelation von zwei spezifisch biographischen Beobachtungskriterien besteht und zur Einführung der Begriffe „Altersrelation“ und „Stellvertretungsordnung“ veranlasst. Damit war freilich die Antwort auf die erste Frage. „Warum gerade jetzt?“ noch nicht gegeben und die Eintrittspforte zur Entwicklung der darauf beruhenden Methodologie noch nicht eröffnet. Zwar hatte sich gezeigt: Menschen werden zu bestimmten Zeiten krank, nämlich gerade dann, wenn sie so alt wurden, wie ihre Eltern und Großeltern waren, als in deren Leben Anlässe zur Verzweiflung aufgetreten waren. Offenbar machten sich im Leben der Nachfahren gerade dann unbewusste Lebensthemen als unerfüllbare Anforderungen geltend, die Vergangenheit zu korrigieren.

      Es war, als ob zu diesem Zeitpunkt (also im Rahmen derartiger Altersrelationen) an dem Ort, wo sich diese nachfolgende Person gerade befand, auf schicksalhafte Weise das Thema eines Besinnungsaufsatzes vergeben würde. Die Art der Entstehung und des Verlaufs von Symptomen schien die Frage zu beantworten, dass bzw. wie die an diesem Ort dafür zur Verantwortung gezogene Person die erforderliche Besinnung auf ihre eigene historische Situation zustande bringt. In solcher Herausforderung spiegelte sich – so die Konsequenz des biographischen Ansatzes – offenbar eine wesentliche thematische Gesetzmäßigkeit menschlicher Lebensläufe wider. Doch warum dies geschieht, ist die Frage nach dem Inhalt, durch die gesetzmäßige Form also noch nicht beantwortet. Diese Lücke wurde durch die Hypothese gefüllt, dass die Lebensthemen eines Menschen unbewusst durch die Liebe bestimmt seien, welche ihn mit seinen Eltern und Großeltern verbindet.

      Dadurch wurde die Aufgabenstellung, die sich symptomatisch manifestiert, als unvergleichlich komplizierter eingeschätzt, sofern man sie derjenigen gegenüberstellte, womit Lehrer ihre Schüler konfrontieren, um sie zur Auseinandersetzung mit willkürlich gewählten Themen zu veranlassen. Aus dieser Perspektive bieten sich der biographischen Forschung schicksalhaft vorgegebene, gewissermaßen wie Implosionen anmutende symptomatische Einbrüche dar, worin sich eine unerfüllte Liebe nachträglich geltend

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