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Auferstehung. Лев Толстой
Читать онлайн.Название Auferstehung
Год выпуска 0
isbn 9783753196756
Автор произведения Лев Толстой
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Nechljudow war Frauen gegenüber sehr schüchtern, und eben diese Schüchternheit hatte in jener verheirateten Frau den Wunsch erweckt, ihn sich zu unterwerfen. Sie war die Gattin des Adelsmarschalls von dem Kreise, in welchem Nechljudow wählte. Und diese Frau hatte Nechljudow in ein Verhältnis gezogen, welches für ihn mit jedem Tage immer bindender und zugleich immer ab stoßender wurde. Anfangs hatte Nechljudow der Versuchung nicht widerstehen können; nachher, im Bewußtsein der Schuld ihr gegenüber, konnte er das Verhältnis nicht ohne ihre Einwilligung lösen. Dieses war eben der Grund, weswegen Nechljudow sich nicht für berechtigt hielt, auch wenn er es gewollt hätte, bei der Kortschagina anzuhalten.
Auf dem Tisch lag gerade ein Brief von dem Manne dieser Frau. Als Nechljudow die Handschrift und den Stempel erkannte, errötete er und empfand sofort jenen Zufluß von Energie, der sich bei ihm immer beim Nahen einer Gefahr einstellte. Aber seine Aufregung war unnütz: der Mann, der Adelsmarschall jenes Kreises, in welchem die Hauptgüter Nechljudows lagen, setzte den Fürsten davon in Kenntnis, daß zu Ende Mai eine Extrasitzung der »Landschaft« einberufen war. Zu dieser Sitzung bat er nun Nechljudow durchaus zu kommen, um bei den wichtigen Beratungen bezüglich der Schulen und Zufuhrwege, wo man eine starke Opposition von Seiten der Reaktionspartei erwartete, »donner un coup d’épaule.«
Der Adelsmarschall gehörte zu den Liberalen, kämpfte mit einigen Gesinnungsgenossen gegen die unter Alexander III. eingetretene Reaktion, ging im Parteikampfe ganz auf und wußte nichts von seinem unglücklichen Familienleben.
Nechljudow dachte an alle die qualvollen Augen blicke, die er in feinen Beziehungen zu diesem Menschen durchlebt hatte. Er erinnerte sich, wie er einmal geglaubt hatte, daß der Mann alles wisse, und auf ein Duell, bei welchem er in die Luft schießen wollte, gefaßt gewesen; er erinnerte sich an die furchtbare Szene mit ihr, wo sie in Verzweiflung in den Garten zum Teich hinunter gelaufen war, mit der Absicht, sich zu ertränken, während er ihr nachstürmte.
»Ich kann jetzt nicht fahren und kann nichts unternehmen, ehe sie mir geantwortet hat«, dachte Nechljudow. Vor einer Woche hatte er ihr einen entschlossenen Brief geschrieben, in welchem er sich für schuldig und bereit zu jeder Sühne erklärte, aber dennoch, in ihrem eigenen Interesse, seine Beziehungen zu ihr endgültig abgebrochen wissen wollte. Auf diesen Brief erwartete er eine Antwort, erhielt sie aber nicht. Daß eine Antwort nicht kam, war in gewisser Hinsicht ein gutes Zeichen. Wäre sie mit einem Bruch nicht einverstanden gewesen, so hätte sie schon längst geschrieben, oder wäre sogar selbst gekommen, wie sie es früher gethan. Nechljudow hatte gehört, daß augenblicklich irgend ein Offizier bei ihr sei, der ihr den Hof mache, und dieses quälte ihn mit Eifersucht und erfüllte ihn zugleich mit Hoffnung auf Befreiung von dem peinlichen Lügengespinst.
Ein anderer Brief war von dem Verwalter seiner Landgüter. Der Verwalter schrieb ihm, daß er, Nechljudow, selbst kommen müsse, um sich in seine Erbschaftsrechte introduzieren zu lassen, und außerdem auch, um nun die Frage zu entscheiden, wie die Bewirtschaftung der Güter weitergeführt werden sollte: ob in der Weise, wie es bisher geschehen war, oder so, wie er es schon der seligen Fürstin vorgeschlagen hatte und es jetzt ihm selbst, dem Fürsten, vorschlägt? In letzterem Falle müßte man das Inventar vergrößern und das ganze, den Bauern verpachtete Land selbst bewirtschaften. Der Verwalter schrieb, daß eine solche Art der Exploitation bedeutend vortheilhafter sein würde. Bei dieser Gelegenheit entschuldigte sich der Verwalter, daß er sich mit der Absendung der plan mäßig zum 1. fälligen 3000 Rubel verspätet hätte. Das Geld würde mit der nächsten Post abgefertigt werden. Aufgehalten sei die Sendung dadurch worden, daß er das Geld von den Bauern auf keine Weise habe eintreiben können; sie seien in ihrer Gewissenlosigkeit so weit gegangen, daß man sich, um sie zu zwingen, an die Behörden hätte wenden müssen.
Dieser Brief war Nechljudow zugleich angenehm und unangenehm. Angenehm berührte ihn das Bewußtsein der Macht über ein großes Besitztum, und unangenehm war das, daß er, während er in seiner Jugend ein eifriger Verehrer Herbert Spencers gewesen war, jetzt als Großgrundbesitzer durch den Satz der Sozialen Statik, daß die Gerechtigkeit einen Grundbesitz nicht zulasse, ganz besonders getroffen wurde. Mit der der Jugend eigenen Geradheit und Entschiedenheit hatte er damals nicht nur behauptet, daß der Boden kein Objekt des Privatbesitzes bilden dürfe, und darüber in der Universität einen Aufsatz verfaßt, sondern auch in der That damals ein vom Vater ererbtes, kleines Stück Land unter den Bauern verteilt, um nicht gegen seine Überzeugung Grundbesitzer zu bleiben. Jetzt, wo er durch Erbschaft Großgrundbesitzer geworden war, blieb ihm nur eines von beidem übrig: entweder seinem Besitze zu entsagen, wie er es vor zehn Jahren, bezüglich der zweihundert Deßjatinen väterlichen Bodens gethan hatte, oder durch stillschweigendes Eingeständnis alle seine früheren Ideen für irrig und falsch zu erklären.
Das erstere konnte er nicht, weil er, außer vom Grundbesitz, keine anderen Einkünfte hatte. In den Staatsdienst wollte er nicht treten, anderseits aber hatte er bereits luxuriöse Lebensgewohnheiten angenommen, von denen er sich nicht mehr freimachen zu können glaubte. Und es hätte auch keinen Zweck gehabt, da er nunmehr weder jene Kraft der Überzeugung, noch jene Entschlossenheit, noch jenen Ehrgeiz und Wunsch besaß, andere in Erstaunen zu setzen, die er in der Jugend hatte.
Das zweite aber, — sich von den Begründungen der Unrechtmäßigkeit des Grundbesitzes, die er damals aus Spencers Sozialer Statik geschöpft hatte und deren Bestätigung er viel später in den Werken Henry Georges gefunden hatte, sich davon lossagen, — das konnte er unmöglich.
Und daher war ihm der Brief des Verwalters unangenehm.
Viertes Kapitel
Nachdem Nechljudow Kaffee getrunken hatte, ging er in sein Kabinett, um im Vorladungsschreiben nachzusehen, zu welcher Zeit er im Gericht sein müsse, und um der Prinzessin zu antworten. Ins Kabinett mußte er durch sein Atelier gehen. Im Atelier stand auf einer Staffelei ein angefangenes Bild, das umgekehrt war, und hingen an den Wänden Studien. Der Anblick dieses Bildes, an welchem er sich zwei Jahre lang abgemüht hatte, der Studien und des ganzen Ateliers — alles erinnerte ihn an das, in letzter Zeit besonders stark zum Bewußtsein gekommene Gefühl des Unvermögens, in der Malerei fortzuschreiten. Er erklärte sich dieses Gefühl durch ein zu fein entwickeltes ästhetisches Empfinden, aber immerhin war ihm diese Erkenntnis sehr unangenehm.
Vor sieben Jahren hatte er den Staatsdienst aufgegeben, in der Meinung, ein Talent zur Malerei zu haben. Und von der Höhe seiner künstlerischen Thätigkeit hatte er mit gewisser Verächtlichkeit auf alle anderen Berufsarten hinabgesehen. Jetzt zeigte es sich nun, daß er dazu kein Recht gehabt. Und darum war ihm jede Erinnerung daran unangenehm. Mit einem drückenden Gefühl betrachtete er die luxuriöse Ausstattung des Ateliers und betrat in nicht besonders heiterer Stimmung sein Kabinett, ein großes, hohes Zimmer, mit allen erdenklichen Einrichtungen, Bequemlichkeiten und Schmuckgegenständen ausgestattet.
In der Schublade des großen Tisches fand er unter der Rubrik »Terminsachen« sogleich das Vorladungsschreiben, in welchem es hieß, daß er um elf Uhr im Gericht sein mußte. Dann setzte Nechljudow sich, um der Prinzeß einen Brief, des Inhalts, daß er danke und sich bemühen werde, zu Mittag zu erscheinen, zu schreiben. Aber als er den Brief geschrieben hatte, zerriß er ihn wieder, denn er schien ihm zu intim. Der zweite Brief war wieder zu kalt, beinahe beleidigend; er zerriß auch ihn und drückte auf den Knopf an der Wand. Ein nicht mehr junger Lakai mit finsterem Gesichtsausdruck, rasiertem Kinn und Kotelettes, in einer grauen Kalikoschürze, trat ein.
»Bitte, schicken Sie nach der Droschke.«
»Zu Befehl.«