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aus anderen Gebieten, Einführung neuer landwirtschaftlicher Geräte verhilft er den verwahrlosten Ostgebieten zum Aufschwung.

      Gegenüber der Königin Sophie Dorothea und der wachsenden Kinderschar (14 an der Zahl), von denen viele in jungen Jahren sterben, ist er, zumindest in den Anfangsjahren, ein liebevoller Gatte und Vater.

      Der König und sein Volk bleiben indes von Schicksalsschlägen nicht verschont. „Ein unheimliches Sterben unter den Regimentern war angebrochen (481), „durch Potsdam ging ...der Würgeengel“, Teuerungswellen kamen über das Land.

      Intrigen, Emporkömmlinge und Günstlinge, die sich überschätzen, machen Friedrich Wilhelm I. oft das Leben schwer. Immer wieder findet er unzuverlässige Berater, was ihn wiederum tief verletzt. Der König führt die Briefzensur ein, als er glaubt, dass eine Verschwörung gegen ihn im Gange sei. Schuld an diesem Gerücht ist der Abenteurer Michael Clement, der ihm gefälschte Briefe vorgelegt und ihn in große Unannehmlichkeiten gegenüber den europäischen Höfen gebracht hat. Den König schmerzt dies besonders, weil er Clement persönlich vertraut hatte.

      Am Ende beugt sich der Rebell vor der Königsmacht als Inbild göttlicher Majestät und ist bereit, den Frevel, die bestehende Ordnung in Gefahr gebracht zu haben, mit dem Tode zu sühnen. Denn Clement erkennt schließlich, nachdem er zum Tode verurteilt ist, Größe und Tragik des Königtums an: „Könige, Majestät, Könige im Glauben, sind wandelnde Gleichnisse unter den Menschen, sind Hüter der heiligen Ordnung Gottes, für die er sich in seinem Sohne hingab. Haushalter seiner Geheimnisse sind die Könige der Erde – auch dort, wo sie morden.“ Der König aber fragte sich: „Was hatte Gott mit einem Menschen vor, den er vom Rebellentum zu solcher Demut vor der Ordnung führte?“

      Könige sind, heisst es an einer Stelle: „Sachverwalter des Glaubens auf Erden“. „Ihr Wandel sei voller Gleichnisse; Tod und Leben, Gnade und Gericht und alle Ordnung sei in ihre Hand gegeben.“ Zu dieser Ordnung gehören freilich auch Folter und Hinrichtungen.

      Frevler, die wie der Abenteurer Clement die bestehende Ordnung in Gefahr gebracht haben, müssen mit dem Tode sühnen, und daher darf der König nicht wie ein Privatmann einfach vergeben. Er wird darüber schwer krank. Den Prediger Roloff, der von seiner Gemeinde skeptisch betrachtet wird, aber sozusagen als gewissen des Königs hier auftritt, dem es schwer fällt, „den Menschen die Botschaft von Gottes Gnaden zu bringen, denn vor dem frohen Boten stand das Kreuz“ – wählt sich der König zum Hofprediger. Er steht dem König an den existentiellen Stationen des Königslebens bei.

      Die Beziehung des Königs zu Roloff und anderen Geistlichen (Pater Bruns) findet Klepper vorgezeichnet in der Bibel, in der Beziehung König und Prophet: Saul / Samuel 1. Sam 9-15, David / Nathan 2. Sam 12, Ahabs / Elia 1. Könige 17, Jerobeus II. / Amos 2. Sam 12, Ahas / Jesaja 7.

      Wie ein roter Faden zieht sich durch Kleppers Roman von Anfang an das tiefe Unverständnis der Königin Sophie Dorothea gegenüber ihrem Mann – und vor allem für die Entwicklung des Verhältnisses zwischen dem König und dem Kronprinzen, dem späteren Friedrich dem Großen, der unbedingt eine männliche Erziehung erhalten soll, obwohl seine Neigungen in eine ganz andere Richtung tendieren.

      Mit psychologischer Einfühlsamkeit schildert Klepper die Gefühlswelt Friedrichs, der zwischen Vater und Mutter geradezu zerrieben wird, denn auch die Mutter nimmt Einfluss auf seine Erziehung und das durchaus nicht im Sinne ihres Mannes.

      Als dies dem König bewusst wird und er entdeckt, dass Friedrich der Kronprinz Schulden gemacht hat, dass sich in der Bibliothek des Sohne kein Neues Testament befindet, wird Friedrichs Musikunterricht eingeschränkt, die „geliebten französischen Romane“ weggeschlossen, der Sohn wird stattdessen auf die Jagd geschickt und hart angefasst. Durch diese Erziehungsmethoden gewinnt der König nicht unbedingt das Herz seines Sohnes.

      Vater und Sohn entfernen sich immer mehr voneinander und sind am Ende geradezu tödliche Feind geworden.

      Der König selbst wird immer strenger und verhärtet sich. Er lässt sich sogar zu Tätlichkeiten hinreißen, schlägt seine Untertanen, prügelt sie, wenn es sein muss, auch mal mit dem Stock, selbst den Kronprinzen traktiert er auf diese Weise. Gleichzeitig steigert sich seine Schwermut ins Unerträgliche. Als er entdeckt, dass der Sohn das Land verlassen wollte, er nennt es desertieren, will er den Sohn sogar hinrichten lassen. Am liebsten hätte er auch seine älteste Tochter, die in Friedrichs Pläne eingeweiht war, vors Gericht gestellt. Eine Mitwisserin Friedrichs wird öffentlich ausgepeitscht und Leutnant von Katte, ein enger Vertrauter des Prinzen, zum Tode verurteilt und unter dem Fenster des Thronfolgers hinrichtet. „Aber da war kein Zorn in ihm, und er war nur vom Schmerz übermannt.“

      Der König hatte in seinem Sohn „den Gefährten in der Schwere des Amtes“ gesehen, er hatte versucht, ihn in die erkannte Gottesordnung zu zwingen. Die Flucht war Ausbruch aus dieser Ordnung, die Strafe ihre Wiederherstellung. Davon handelt vor allem das Kapitel „Der Gott von Geldern“. Hier hat Klepper den ansonsten in strenger Konsequenz und historischer Verantwortung nachgezeichneten Lebensweg Friedrich Wilhelms I. verlassen. Am 19.August 1937 schreibt er an die befreundete Familie Meschke: „Der Gott von Geldern ist für mich die einzige Lösung gewesen, Theologie in Epik umzuwandeln und in der Bildersprache zu bleiben, das irre Herumfahren auf dieser Reise ist historisch, die Begegnung mit dem Gott von Geldern aber Erfindung, an der ich schwer laborierte.“

      Klepper schildert, wie Friedrich Wilhelm in Geldern während eines Gottesdienstes auf die Pièta des schmerzensreichen Vaters stößt, deren Anblick ihn „ins innerste Herz“ trifft. Der Vater hält den toten Sohn auf den Knien, der sich im Gehorsam opferte, den der Vater aus Liebe geopfert hat.

      Angetan von den „Leiden des ewigen Vaters“ wendet sich Friedrich Wilhelm an den Gemeindepastor, der sein Anliegen jedoch genau so wenig begreift wie die daraufhin um Rat gefragten Kantoren und Lehrer. Einzig der Erzbischof von Köln erfasst, „was in dem König vorgegangen war“ und gibt ihm den Rat: „Züchtige deinen Sohn, solange Hoffnung da ist, aber lass deine Seele nicht bewegt werden, ihn zu töten.“ Doch beim König vollzieht sich noch keine innere Wandlung, für ihn ist der Sohn schuldig geworden, weil er desertieren wollte. Dazu kommt noch ein weiteres „Verbrechen“, das den Vater wohl am meisten trifft. Es ist der „Hochverrat, der an seinem Herzen verübt worden war. „Er ist für mich tot“, sagt der König. Die Oberhofmeisterin von Kameke warnt ihn: „Bis jetzt taten Sie sich etwas darauf zugute, ein gerechter, frommer König zu sein, und dafür segnete Sie Gott. Nun wollen Sie ein Tyrann werden – fürchten Sie sich vor Gottes Zorn. Opfern Sie Ihren Sohn Ihrer Wut; aber seien Sie dann auch der göttlichen Rache gewiss.“

      „Unabänderlich ist das Gesetz“, sprach der König, „und um der ewigen Ordnung willen muss es bestehen; denn alle Ordnung spiegelt Gottes ewiges Maß.“ „Einer muss um der verletzten Ordnung willen sterben.“

      Um der Gerechtigkeit und der Ordnung willen ist der Preußenkönig bereit, seinen Sohn zu opfern, so wie einst Abraham seinen Sohn Isaak.

      Der in der Bibel lesende König – Klepper arbeitet die Bedeutung der Heiligen Schrift für den König immer wieder klar heraus – meint aus der Schrift entnehmen zu müssen, das zur Wiederherstellung der „verletzten Ordnung“ ein Opfer von ihm gebracht werden müsse. Seine Krone war ihm zur Dornenkrone geworden und sein Zepter zum Kreuz. Der König meint, es sei besser, dass ein Mensch stirbt, als dass die Justiz aus der Welt komme. Das Kriegsgericht entzieht sich indessen der Aufgabe, den Sohn zum Tode zu verurteilen und hinrichten zu lassen. Es ist der von Gott gegebene Auftrag an die Könige, dass sie das staatliche Recht in dieser Welt hochhalten, glaubt der König lange Zeit und erkennt dann doch, nach vielen Qualen und inneren Kämpfen, dass Gott sein Opfer nicht wollte. Durch den Versuch, seinen Sohn nach seinem Bilde zu formen, hatte er seinen Königsauftrag, Diener Gottes zu sein, aus den Augen verloren. Ganz allmählich wird dem König bewusst, dass er zu weit gegangen war, er ist „zu Tode erschrocken“, als er merkt, dass er versucht hat, sich mit Gott zu messen, statt ihm zu dienen. Er erkennt: Der König ist nicht Gott, und die Ordnung ist zuletzt nicht sein Werk, sondern Abbild, irdisches Gefäß und bleibt offen für Gottes unbegreifliche Freiheit, Neues zu schaffen.“

      „Gott ließ sich nichts abtrotzen. Gott allein vermochte Menschen zu

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