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fertig war, schien sie nicht zu interessieren.

      »Wirst du heute wieder in die Stadt gehen?«, fragte Dana, während sie die unbenutzten Teller zurück in den Schrank stellte.

      »Ich weiß noch nicht. Weshalb fragst du?«

      »Weil du mir heute helfen könntest. Das Wetter ist gut, ich wollte ein paar Kleidungsstücke waschen und draußen zum Trocknen aufhängen.«

      »Sonntags?« Jills Stimme kippte vor Empörung.

      »Weshalb denn nicht? Als ob du dich an irgendwelche Tugenden hieltest.« Dana stieß ein kurzes Lachen aus.

      Jill konnte sich einen spöttischen Blick nicht verkneifen. »Und ich dachte immer, du wärest diejenige von uns, die so sittsam und korrekt ist. Gerade du, wo du doch nichts tust, das IHN dort oben verärgern könnte.«

      Dana schoss das Blut in die Wangen. Schnell wandte sie sich ab, doch Jill hatte es längst bemerkt. Sie gab sich noch nicht zufrieden, sondern holte zu einem weiteren verbalen Schlag aus. »Weshalb gehst du stattdessen nicht in die Kirche? Wenn du dich beeilst, schaffst du es noch rechtzeitig.« Jill wusste genau, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte, doch Dana gab sich tapfer.

      »Ich habe keine passende Kleidung«, presste sie mit dünner Stimme hervor.

      »Glaubst du, der liebe Gott interessiert sich für einen feinen Fummel? Ich denke, du schämst dich eher vor der Nachbarschaft.«

      Danas Lippen waren nun schmal vor Zorn. »Ich diskutiere mit dir nicht mehr darüber. Hilf mir beim Waschen, oder ich erzähle Vater, dass du dich weigerst.«

      Jill hatte weder Angst vor einer Standpauke ihres Vaters noch waren ihr die bissigen Kommentare ausgegangen, mit denen sie Dana noch stundenlang hätte ärgern können, doch ihr stand heute nicht der Sinn nach Streit. So fand sie sich eine Stunde später mit einem Korb voll Wäscheklammern im Hof wieder. Dana hockte neben ihr auf dem Boden und schrubbte eine Hose über ein Waschbrett, das in einer Zinkwanne mit Waschwasser steckte.

      »Wie lange willst du das eigentlich noch machen?«, fragte Jill. Sie streckte sich und befestigte die Wäscheleine an einer verkrüppelten Kiefer im Garten.

      »Bis die Hose sauber ist«, knurrte Dana.

      Jill stieß die Luft zischend durch die Zähne aus. »Du weißt genau, was ich meine. Wie lange willst du dich von unserem Vater noch schikanieren lassen?«

      Dana hielt die Hose prüfend in die Luft und suchte sie nach Flecken ab. Dann versenkte sie sie wieder im Waschwasser. »Habe ich eine Wahl?«

      Jill war nicht sicher, ob es Traurigkeit oder Ärger war, der in ihrem Tonfall lag.

      »Du könntest heiraten. Irgendwann bist du zu alt, dann will dich keiner mehr«, stichelte sie.

      Dana rollte entnervt mit den Augen. »Auf deine Ratschläge kann ich verzichten. Glaube mir, wenn ich irgendwie die Möglichkeit hätte, aus diesem Leben auszubrechen, hätte ich es längst getan.«

      »Du lässt dich von Brad gängeln und schlagen. Weshalb wehrst du dich nicht?«

      Dana reichte ihr die tropfnasse Hose. Jill wrang sie aus und klemmte sie an der Leine fest.

      »Lass mich einfach in Ruhe«, schnaubte Dana verärgert. »Weshalb befolgst du nicht deinen eigenen Rat und heiratest selbst? Dann kann dein Ehemann sich um dieses Haus kümmern und Geld für uns alle verdienen.« Dana schleuderte ein Hemd ins Waschwasser. Ein zorniges Funkeln glühte in ihren Augen.

      »Ich muss nicht heiraten, ich könnte für mich allein sorgen. Ich könnte zu Firio in die Scheune ziehen.«

      »Hoffentlich weißt du, dass Vater und ich dann den Hungertod sterben müssten. Wenn es dir so großen Spaß bereitet, uns leiden zu sehen, dann geh.« Danas Gesicht färbte sich rot vor Wut.

      »Ach Schwesterherz, du darfst nicht immer alles so ernst nehmen. Du bekommst noch Falten davon, und dann heiratet dich ganz bestimmt niemand mehr. Ich mache doch nur Spaß.« Jill konnte sich ein spöttisches Grinsen nicht verkneifen.

      »Ich wüsste nicht, was an unserer Situation so komisch sein sollte. Du musst langsam erwachsen werden.« Dana reichte ihr das letzte Kleidungsstück, welches sie nur noch lieblos durchgewaschen hatte.

      »Und du solltest langsam lernen, deine Naivität abzulegen. Mit Ehrlichkeit kommt man in dieser Welt leider nicht weit. Es ist traurig, aber leider wahr.«

      Ein Ausdruck der Empörung trat auf Danas Gesicht. »Willst du damit sagen, ich soll es so machen wie du? Nein danke. Ich weiß, dass wir ohne das Geld, das du nach Hause bringst, nicht überleben könnten, aber es bereitet mir Bauchschmerzen.«

      Dana zerrte die Wanne bis an den Zaun und kippte das Wasser in den Rinnstein. Jill legte den Korb mit den Wäscheklammern beiseite und trat vor ihre Schwester.

      »Das Leben ist ein Buffet. Du musst schon aufstehen und dir etwas von den Köstlichkeiten nehmen, sonst wirst du hungern müssen und ein anderer nimmt deine Portion.«

      Als Dana daraufhin nichts erwiderte, öffnete Jill das Gartentor und trat hinaus auf die Straße, ohne sich noch einmal umzudrehen.

      Sie hatte kein Ziel vor Augen, sie wollte bloß weit weg von Dana und ihrem Vater. Sie kannte sich aus in den Straßen von Haven, trotzdem trugen ihre Füße sie immer wieder an neue Plätze. Die Stadt war groß und es gab jederzeit etwas Neues zu entdecken. An einem Sonntag wie diesem bewegten sich nur wenige Menschen über die Gehsteige, selbst die Pferdebahnen und elektrischen Straßenbahnen verkehrten nicht. Sie seufzte. Ihr tat es leid, dass sie ihre Schwester wieder einmal verlacht hatte, trotzdem konnte sie einfach nicht verstehen, weshalb Dana ihr Schicksal nicht selbst in die Hand nahm. Sie musste dringend einen Mann finden, der den Hof übernahm, andernfalls bliebe auch Jill nichts anderes übrig, als weiterhin stehlen zu gehen. Sie sehnte sich nach nichts mehr als Unabhängigkeit und Freiheit. Vielleicht sollte sie tatsächlich in Erwägung ziehen, ihr Leben endlich selbst in die Hand zu nehmen …

      ***

      Als sie am Nachmittag in das Haus der Familie Tevell zurückkehrte, ahnte Jill bereits nichts Gutes. Sie hatte sich stundenlang in der Stadt herumgetrieben und ein paar Groschen erbeutet. Ihr Handwerk hatte sich heute als äußerst profitabel erwiesen. Sie hatte genug Geld ergaunert, um sich eine frische Pastete leisten zu können. Es war sogar noch so viel Geld übrig, dass sie sich ohne ein schlechtes Gewissen damit zuhause blicken lassen konnte.

      Doch ihre Stimmung sank sogleich, als sie die Küche betrat. Aus der Stube drangen das Gebrüll des Vaters und die wimmernde Stimme ihrer Schwester. Ein Knall ertönte, gefolgt von einem spitzen Schrei.

      »Du dummes Weib, was hast du mit dem Geld gemacht?« Brads laute tiefe Stimme fuhr Jill durch Mark und Bein. Vorsichtig näherte sie sich der Tür zur Stube.

      »Ich habe nicht mehr verdient, ehrlich! Ich habe nichts davon ausgegeben.« Danas Stimme zitterte.

      Die beiden bemerkten nicht, dass Jill den Raum betrat. Dana kniete vor dem Kachelofen, das Gesicht rot und verheult. Brad stand drohend über ihr, die krausen Haare wirr vom Kopf abstehend. Sein Gesicht konnte Jill nicht erkennen, denn er wandte ihr den Rücken zu.

      »Ich habe kein Geld. Ich habe es einfach nicht«, wiederholte Dana ihre Worte und schlug die Hände vors Gesicht. Gerade, als Brad zu einem weiteren Schlag ausholte, sagte Jill mit lauter Stimme: »Ich habe das Geld.«

      Der Vater fuhr herum. »Du hast das Geld? Das hätte ich mir denken können! Willst du auch ein paar Schläge?«

      »Wage dich, mich anzufassen, und ich schwöre dir, es wird dir nicht bekommen«, zischte Jill. Sie legte das frisch gestohlene Geld auf den Wohnzimmertisch. Als Brad es zählte, schien sich sein Gemüt wieder zu beruhigen.

      »Das ist mehr als ich erwartet habe. Wieso hast du nicht gleich gesagt, dass Jill es hat?«, fragte er an Dana gewandt.

      Dana hatte indes aufgehört zu wimmern, erwiderte jedoch nichts. Brad steckte das Geld in seine Tasche und verließ das Haus durch die Tür zum Hof,

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