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machen. Wir können nur versuchen, eine gute Arbeit zu leisten und somit ein wenig zu helfen. Mehr aber auch nicht.«

      Das klang zwar vernünftig, musste sich Kullmann eingestehen, doch er kannte Hübner. In den 5 Jahren, die sie zusammenarbeiteten, hatte er ihn bestens kennengelernt. Hübner konnte sich auf jede Situation bestens einstellen. Er war wie ein Chamäleon, das immer seine Farbe der jeweiligen Umgebung anpassen konnte, wo es auch war. Dadurch hatte es den Vorteil nicht entdeckt zu werden. In Hübners Fall war es ähnlich, sein wahres Gesicht wurde niemals entdeckt.

      »Willst du behaupten, dass ich keine gute Arbeit leiste, nur weil ich emotional veranlagt bin?«, hakte er gereizt nach.

      Hübner schüttelte den Kopf und schaute schuldbewusst unter sich. Er spürte wohl, dass er mit seiner Tirade zu weit gegangen war.

      »Gut. In gewisser Weise gebe ich dir sogar Recht«, gab Kullmann zu Hübners Erstaunen nach. Er hatte einfach kein Interesse daran, sich mit Hübner auseinanderzusetzen, da sie wohl kaum einer Meinung sein würden. Er musste Hübner einfach Zeit lassen, gewisse Dinge zu verstehen und er war sich sicher, dass dieser Zeitpunkt noch kommen würde.

      »Also, was haben wir über Elvira Reinhardt?«, fragte er, um somit seine Bereitschaft, das Kriegsbeil wieder zu begraben, zu zeigen.

      »Sie ist die einzige, die wir kennen, die Kontakt zu beiden Toten hatte. Am 14.6.1988 hatte sie schriftlich der Firma Schulz KG gekündigt, fristlos. War zwei Monate arbeitslos und fing dann bei der Firma Boh und Co an zu arbeiten. Das Seltsame daran ist, bei Schulz KG war sie führend in der Verkaufsabteilung und hatte eine große Verantwortung und bei der Firma Boh und Co, das ist eine Autovermietung, arbeitet sie nur als kleine Schreibkraft. Dieser freiwillige Schritt nach hinten ist mir suspekt«, berichtete Hübner.

      »Vielleicht ist sie nicht die Sorte Mensch, die gerne Verantwortung tragen, hast du schon mal daran gedacht?«, zweifelte Kullmann sogleich. »Deine Suche nach Verdächtigen ist ja schon zwanghaft.«

      »Sicherlich, aber irgendwo müssen wir ja einen Anfang finden.

      Ich glaube nicht, dass wir den in der Vergangenheit von vor 15 Jahren finden, sondern eher hier und heute«, stellte Hübner ironisch klar.

      »Aber es ist doch nicht auszuschließen, dass der Ursprung dort zu finden ist“, rechtfertigte Kullmann sich impulsiv. Er war diese ständigen Seitenhiebe dieses jungen Kollegen leid. »Wer weiß, wie viel Hass sich in all den Jahren angestaut hat. Jeder Mensch verkraftet sein Schicksal auf seine Weise, da gibt es keine Verhaltensregeln. Jeder Mensch handelt anders. Du kannst keinen in ein Schema pressen.«

      »Nun gut, aber es ist bestimmt kein Fehler, auch die Gegenwart nicht ganz zu vergessen. Immerhin hatte diese Elvira Reinhardt die beiden gekannt und ist seltsamerweise kurz nach einem Erlebnis, das sie wahrscheinlich ganz alleine mit Klos und Wehnert hatte, aus der Firma verschwunden. Könnte da denn nicht ein Zusammenhang mit dem besagten Abend und der plötzlichen Kündigung bestehen?

      Wie wir nun wissen, ist Klos nicht der, den er vorgegeben hat. Und wenn jemand vor Jahren es schon fertigbrachte, ein Mädchen zu vergewaltigen, der scheut sich vielleicht auch nicht vor einem weiteren Mal. Vielleicht finden wir ja, wenn wir weiter recherchieren, noch so einen Fall in Klos’ Leben. Man kann ja nie wissen.«

      »Da muss ich dir Recht geben. Vielleicht war ich emotional zu stark mit diesem alten Fall verbunden. Also – zurück zur Gegenwart: Es ist wohl das Beste, wir fahren zu Elvira Reinhardt«, gab Kullmann nach.

      Wieder versöhnt gingen die beiden nebeneinander durch den Flur an Ankes Büro vorbei, die immer noch vor diesen alten Akten saß. Kullmann schüttelte den Kopf bei diesem Anblick. »Dieses Mädchen verdirbt seine ganze Jugend mit alten Akten. Anstatt mit jungen Leuten auszugehen. So etwas verstehe ich nicht.«

      »Oh, so ganz verdrossen ist ihre Jugend nicht«, grinste Hübner.

      Kullmann spürte wieder, wie Ärger in ihm aufstieg. Aber er mäßigte sich. Sie hatten sich gerade wieder versöhnt; diesen Zustand wollte er nicht sofort wieder zerstören. Lieber schwieg er auf dem Weg zum Dienstwagen.

      Elvira Reinhardt wohnte ebenfalls im Stadtteil Malstatt. Inzwischen kannten die beiden Polizeibeamten dieses Viertel. Lieber war es ihnen stets gewesen, gerade Malstatt meiden zu können, da es dort bereits schwere Fälle von Verbrechen aufzuklären galt. Nun war es in kurzer Zeit bereits das dritte Mal, dass sie nicht umhin konnten.

      Nach einigem Suchen fanden sie das Haus, in dem Elvira Reinhardt wohnte. Sie hielten den Wagen im Halteverbot und gingen zur Tür. Als sie die Namen auf den Klingeln absuchten, fanden sie ihren nicht.

      »Was machen wir nun? Hier stehen 20 Namen, sollen wir alle anklingeln und nach Frau Reinhardt fragen?«, überlegte Kullmann.

      »Was bleibt uns anderes übrig?«

      Ein kleiner, dreckiger Junge stellte sich demonstrativ hinter die beiden Männer und rief: »Ihr seid ja Bullen.«

      Die beiden schauten sich entsetzt um, aber als sie den kleinen Jungen sahen, lachten sie.

      »Hast du was gegen uns?«, meinte Kullmann.

      »Ja, alle haben was gegen die Bullen. Ganz besonders mein großer Bruder.« Mit diesen Worten rannte er weg.

      Hübner wandte sich wieder der Klingel-Liste zu und begann, die erste zu betätigen. Nichts. Dann versuchte er es mit der nächsten. Wieder nichts. Nur ein Hund begann zu bellen. Er machte noch einige Versuche, doch außer einem ordinären Fluchen aus einem Fenster in der dritten Etage, konnten sie nichts erreichen. Daraufhin gaben sie sich geschlagen und fuhren wieder zurück.

      Kapitel 3

      Völlig unausgeschlafen war er an diesem Sonntagmorgen aufgestanden. Die ganze Nacht ging ihm der Bericht über den Tod von Herbert Klos und Jürgen Wehnert durch den Kopf. Es gelang ihm nicht abzuschalten. Auch nicht, nachdem sich die Sonne durch die dichten Wolken durchrang und dem Tag ein freundliches Gesicht gab. Er saß bereits seit Stunden am Küchentisch und rührte immer noch in seiner ersten Tasse Kaffee, die seine Frau ihm hingestellt hatte, ohne zu bemerken, dass dieser bereits kalt war. Die Regentropfen schimmerten wie Perlmutt auf dem Laub des Rhododendrons im Garten. Zwitschernde Spatzen flogen um den Busch herum und suchten emsig nach einem Landeplatz. Eine Siamkatze, die Katze seiner Frau, saß regungslos auf dem Boden und schaute den Vögeln zu, den richtigen Augenblick abpassend, um zuschlagen zu können. Doch während er seinen Kaffee weiter umrührte, bemerkte er diese kleinen Ereignisse in seinem Garten gar nicht.

      Dazu war er zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt.

      Immer wieder dachte er, so musste es kommen. Hatte er selbst nicht auch ein Stückchen dazu beigetragen, dass es so kommen würde. Es genügte ihm nicht, dass sein Erfolg ihm damals wichtiger war als alles andere. Seine berufliche Verbesserung war schließlich mit viel mehr Geld verbunden. Er hatte damals eine 20-jährige Tochter. Sie lebte in seinem Haus und bekam ein uneheliches Kind. Da konnte er jeden Pfennig nur zu gut gebrauchen. Jeden Tag sah er sie.

      Seine Tochter hatte das Haus niemals verlassen. Sie war lange Zeit unglücklich darüber, von dem Vater des Kindes verlassen worden zu sein. Alle Verwandten und Bekannten waren entsetzt über das Verhalten dieses Mannes. Er bekam die schlimmsten Titel angehängt, als sei das, was er getan hatte das schlimmste Verbrechen auf dieser Welt.

      Aber was wusste diese Familie schon von Verbrechen. Was wussten sie schon, was wirklich ein Verbrechen war. Heute war seine Tochter glücklich mit ihrem Kind und dem Mann, den sie später heiratete.

      Nathalie war ein hübsches Kind, lebhaft, voller Tatendrang und voller Ideen. Sie war 15, bald war ihr 16. Geburtstag. Ein Alter, das den alten Mann erschrecken ließ.

      Aber warum hegte er immer noch nach so vielen Jahren diese Hassgefühle? Es war nun 27 Jahre her und noch immer überkam ihn ein ganz seltsames Gefühl, wenn er nur an sie dachte. Lange dauerte es, bis er endlich erfuhr, wer der Täter war. Der Fall wurde schließlich ganz geschickt vertuscht. Durch Intrigen, die er selbst wohl am besten

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