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hinter Sparberg. Aber er habe einen guten Ruf in der Zentrale gehabt. Man habe ihm zugetraut, wieder Schwung in die IBM-Deutschland zu bringen.

      Henkel macht die deutschen Standortnachteile, die hohen Lohn- und Lohnzusatzkosten, die hohen Steuern, die Mitbestimmung, die starren Flächentarifverträge, die 35-Stunden-Woche zu seinem Top-Thema. Henkels öffentliche Kritik über nicht mehr akzeptable Steuerlasten hat Erfolg. Stoltenberg, damals Finanzminister, sorgt dafür, dass durch ein Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA, die IBM und andere Firmen, auch deutsche Firmen mit Niederlassungen in den USA, von hohen, doppelt zu zahlenden Steuern befreit werden. In einer nervenzehrenden Auseinandersetzung mit der IG Metall erreicht er, dass IBM aufgrund einer Ausnahmegenehmigung den Vier-Megabit-Chip in Baden-Württemberg an sieben Tagen in der Woche produzieren darf. Die deutschen Standortnachteile kann Henkel jedoch nicht beseitigen. Er muss ein IBM-Werk umstrukturieren, drei andere aus Kostengründen schließen.

      Die IBM-Zentrale räumt Henkel als Deutschlandchef große Freiheiten ein. Ohne Rückversicherung tritt er aus dem Arbeitgeberverband aus, verlegt den juristischen Sitz der deutschen IBM wieder nach Berlin, strukturiert das Werk in Hannover um. Die IBM-Europa steht hinter ihm, die Mitarbeiter sind wieder motiviert und die Wiedervereinigung sorgt für eine Sonderkonjunktur. Das ist ein Glücksfall für ihn. Die blendenden Ergebnisse werden Henkel gutgeschrieben. Mit hanseatischem Understatement hält er in seinen Erinnerungen fest: „Unter den gegebenen Voraussetzungen fiel der Erfolg allerdings so leicht, dass selbst Mickymaus als Chef der IBM Deutschland ihn hätte erzielen können“.

      Das Deutschland-Geschäft boomt, aber der IBM-Konzern insgesamt gerät in eine Krise. Die Aktionäre machen dafür den damaligen IBM- Chef John Akers verantwortlich. Henkel befürchtet, mit Akers einen wichtigen Verbündeten zu verlieren.

      Er erhält das Angebot, Vorstandschef eines weltweit renommierten deutschen Großunternehmens zu werden. Der Vertrag enthält jedoch eine Klausel, eine Art Maulkorberlass, die Henkel nachdenklich stimmt. Seine Ankündigung, möglicherweise die IBM zu verlassen, alarmiert die Zentrale. IBM-Boss Akers verspricht, Henkel bald zum Chef der IBM Europa zu ernennen. Henkel entschließt sich, bei IBM zu bleiben und dem deutschen Unternehmen abzusagen.

      Lou Gerstner, Akers Nachfolger an der IBM-Spitze, löst das Versprechen ein, Henkel zum Chef der IBM Europa zu befördern. Henkel trägt nun die Verantwortung für neunzigtausend Mitarbeiter. Gerstner dramatisiert nach Henkels Einschätzung die Krise der IBM durch eine riesige Abschreibung, aber er zerschlägt die IBM nicht, wie es viele Analysten erwarten, sondern führt eine neue, zentralisierte Organisationsstruktur ein, die der Globalisierung besser entspricht. Henkel muss diese vertikale, hierarchische Verantwortungsstruktur, die die Länderchefs entmachtet, in Europa durchsetzen. Anders als Gerstner es in seinem Memoiren darstellt, habe er diese neue Struktur nicht boykottiert, sondern nur einige Auswüchse nicht mitgemacht. Dies habe ihm Gerstner jedoch als Obstruktion ausgelegt, wehrt sich Henkel gegen die Boykottvorwürfe.

      Nach einundeinhalb Jahren ist die IBM so umstrukturiert, dass Henkel in der Produktion nichts mehr zu sagen hat. Immer mehr Entscheidungen laufen an ihm vorbei, werden im IBM-Hauptquartier in Armonk getroffen. Henkel fragt sich, was er in Paris, in der IBM-Europa-Zentrale eigentlich noch macht. Immer öfter schaut ihm jemand aus der Zentrale über die Schulter, immer häufiger muss er kurzfristig an Meetings und Präsentationen in Armonk teilnehmen. Henkels großes Reich der Freiheit schrumpft zu einem Kleinstaat. Henkel: „Ich glaube, ich habe schon einmal auf jedem Sitz in jeder Concorde gesessen“. Seine eigenen Termine kann er immer seltener wahrnehmen. Das erste Mal in seiner IBM- Karriere ist er unglücklich. Das merkt man ihm an. Es macht ihm zu schaffen, dass das Bild des mächtigen IBM-Europa-Chefs der Realität immer weniger entspricht.

      An einem Frühlingstag im Jahre 1994, Henkel sitzt in einem Meeting in Armonk, wird er aus der Sitzung herausgerufen, um einen wichtigen Anruf entgegen zu nehmen. Tyll Necker, damals zum dritten Mal Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie, ist am anderen Ende der Leitung. Henkel und Necker kennen sich von vielen Gelegenheiten. Necker sitzt auch im Aufsichtsrat der IBM-Deutschland. Er fragt Henkel, ob dieser sich vorstellen könne, sein Nachfolger zu werden. Henkel ist überrascht und amüsiert, nennt das zunächst eine reichlich verrückte Idee, bittet um Bedenkzeit und verspricht eine Antwort in einer Woche. Schließlich hat er bislang noch nie eine Funktion in einem Verband innegehabt und war zudem noch Manager einer amerikanischen Firma. Andererseits ist weithin bekannt, dass Henkel einer der härtesten Kritiker der deutschen Standortschwächen ist. Er hat auch schon Vorträge vor BDI-Gremien gehalten.

      Henkel vermutet, dass ihn Edzard Reuter, der damalige Daimler-Benz- Chef, bei Necker ins Spiel gebracht hat. Reuter hätte ihn gern als DASA-Chef in seinen Konzern geholt, schätzte seine internationale Erfahrung und seinen Mut, die Standortschwächen beim Namen zu nennen. Allerdings ist Necker bei seinem Angebot an Henkel nicht mehr so frei wie es scheint. Es spricht einiges dafür, dass Necker auf Vorschlag des damaligen BDI-Hauptgeschäftsführers von Wartenberg das Präsidentenamt bereits dem Chef der Hamburger Holsten-Brauerei und Präses der Handelskammer Hamburg, Klaus Asche, angeboten hatte. Das weiß aber Henkel nicht. Er ruft Necker nach einer Woche an und sagt zu, wundert sich jedoch darüber, dass eine freudige Reaktion Neckers ausbleibt. Necker hatte wohl gehofft, interpretiert Henkel Neckers Verhalten, dass er von selbst absagen oder die Botschaft erhalten würde, die Präsidentschaft laufe auf einen anderen zu. Das geschieht aber nicht. Im Gegenteil, Henkel hat schon die Zentrale in Armonk von dem ehrenvollen Angebot unterrichtet und eine Auseinandersetzung mit Gerstner in Kauf genommen. Die Trennungsgespräche mit der IBM-Mutter verlaufen für Henkel enttäuschend. Es bleiben ihm nur ein Teil seiner angesammelten Optionen und die für IBMer übliche Pension. Zugleich legt IBM Wert darauf, dass er seinen Sitz im Aufsichtsrat der deutschen IBM und im Beirat der IBM-Europa behält. Das Ausscheiden bei IBM ist für den 1. Januar 1995 vereinbart, damit er sich im November 1994 der Wahl zum BDI- Präsidenten stellen kann.

      Schon seit einigen Wochen hat Henkel keinen Kontakt zu Necker. Eines Morgens traut er seinen Augen nicht. Die Wirtschaftswoche verkündet, Neckers Nachfolger sei gefunden. Klaus Asche werde für die BDI-Präsidentschaft kandidieren. Necker habe gehofft, kommentiert Henkel die peinliche Situation, das Problem würde sich von selbst lösen: „Sein Fehler war, keine schlechten Nachrichten übermitteln zu können“.

      Bei IBM zu bleiben, wäre für Henkel nur mit einem Gesichtsverlust möglich gewesen. Eine solche Blamage will er vermeiden und so nimmt er die Herausforderung einer Kampfkandidatur an. Es gelingt ihm, sich der Findungskommission des BDI, die den neuen Präsidenten ausguckt, vorzustellen. Die Kommission lehnt Henkel ab, aber er weiß, dass die eigentliche Vorentscheidung von den sieben BDI-Vizepräsidenten getroffen wird.

      Auch für den Bundeskanzler Helmut Kohl ist es nicht gleichgültig, wer an der Spitze des BDI steht. Er hat sich häufig über Necker geärgert und befürchtet vom Regen in die Traufe zu kommen, wenn sich der BDI für Henkel entscheiden sollte. Henkel erfährt, wie das Kanzleramt zugunsten Asches und gegen ihn in dem Findungsprozess interveniert. „Die Zeit von Juni bis September 1994“, schreibt Henkel in seinen Memoiren, „war vermutlich die härteste Zeit meines Lebens. Ich hatte die Stelle aufgegeben, auf die ich jahrzehntelang hingearbeitet hatte, und mich im Gegenzug zum Spielball eines mir unzugänglichen Gremiums gemacht, das über mein Schicksal entschied.“

      Henkel sucht einige Vizepräsidenten auf, die er gut aus seiner IBM-Zeit kennt. Er gewinnt schließlich unter den Vizepräsidenten eine Mehrheit. Diese kippt das Votum der Findungskommission und schlägt mit einer Mehrheit von einer Stimme Henkel als BDI-Präsidenten vor. Asche erfährt durch Necker erst davon, als er von einer Kreuzfahrt aus Asien zurückkehrt. Der Bauereichef ist empört, zieht seine Kandidatur zurück. Die Mitgliederversammlung wählt Henkel mit 95 Prozent der Stimmen. Nach seiner Wahl durch die Mitgliederversammlung sucht Henkel Asche auf und spricht sich mit ihm aus. Er bleibt für sechs Jahre Präsident des BDI. Hundert Prozent der Stimmen erreicht er auch bei den folgenden Wahlen nicht.

      Der Kampf um das Ehrenamt des BDI ist für ihn eine Frage der Selbstachtung gewesen. Die mit dem Amt verbundene Chance, in Deutschland etwas zu bewegen und Reformen anschieben zu können, haben ihn gereizt. Keiner konnte ihn mehr zum Rapport bestellen. Henkel genießt die Freiheit, die Aufgabe macht ihm Spaß. Der BDI wird sein Hobby. Als Ziel, für das er häufig bis in die Nacht arbeitet,

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