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Licht, das er von der See gesehen hatte!

       Er stand atemlos vor Überraschung, erlöste Freude wollte aufkommen und zerging wieder, alles verzerrte sich ins Unwirkliche, die hallohenden Hexen, die Hand, die vom Biß schmerzte, der nächtliche Kampf mit dem Kieferngestrüpp – und nun dies einsam glühende Licht in einer kleinen Waldöffnung, auf der es totenstill war.

      Trotzdem ging er leise näher, nun unterschied er den rechtwinkligen Umriß einer unverglasten Öffnung, hinter der es heller war von dem Licht. Aber sie saß hoch in einer Wand, an die er stieß. Er tastete sich um die Hütte. An einer Stelle griffen seine Hände gegen buckliges Glas, aber es war dunkel dahinter.

      Schließlich kam er an eine Tür. Er rüttelte daran, sie ging auf. Es war eine Art Scheune, Tenne, Stall, von allem etwas, es lag Heu hier und gedörrtes Schilf, es stand aber auch eine Kuh hier, die mit leisem Muhen ihm den Kopf entgegen hob.

      Er trat einen Schritt zurück, aber trotzdem das Licht des Kienspans über der Feuerstatt so schlecht war, er hatte es doch gesehen: es war eine Kuh, wie er sie nie geschaut. Keine Silberkuh, wie auch sollte ein Frigga heiliges Tier in dies Hexenhaus kommen?, aber eine ungeheure, knochige, schwarzweiße Kuh, mit einem großen staubigen Kopf und festen kurzen schwarzen Hörnern. Etwas wir Frohlocken erfüllte sein Herz, er war auf dem richtigen Wege, der erste Fund war gemacht.

      Er umschritt die Kuh. Sie war nicht ganz so groß, wie er in dem unsicher schwelenden Licht zuerst gedacht, aber sie war viel größer als die Kühe daheim. Er streckte eine vorsichtige Hand aus, berührte erst die Haut mit einem, nun mit allen fünf Fingern. Dann zog er die Haut prüfend von den Rippen, sie widerstand, sie war wie festgewachsen daran, es mußte eine uralte Kuh sein. Plötzlich dachte er an den Blick ihrer Augen, mit dem sie ihn angesehen hatte. Er ging wieder nach vorn. Jawohl, diese Augäpfel waren nicht dunkelsamtig wie bei andern Kühen, sie waren hell weißblau, sie ähnelten den Augenkugeln gekochter Fische. Die Kuh war blind.

      Dies erschreckte ihn nicht, es beruhigte ihn. Das Tier war zwar unzweifelhaft von den Hexen betreut, aber allen irdischen Gebrechen unterworfen und nicht verhext. Seine Unternehmungslust kehrte zurück. Er gedachte des großen weißen Euters mit den vier langen, wohlgebildeten Strichen, während doch die Melkerinnen daheim sich mit kurzen, ewig wegrutschenden Zitzen abquälen mußten, er beugte sich prüfend über das Euter ...

      Den beiden erschreckten, zerschlagenen Fräulein Nipperwiese an der Tür sank das Herz immer mehr. Eine Weile hatten sie schon glauben wollen, der nächtliche Eindringling auf ihrer Insel sei wirklich nur ein verfahrener Fischer, dem ein tüchtiger Nachtschrecken das Wiederkommen auf immer verleiden würde. Wer aber sich so mit einer Kuh abgab, wer so das Fell von den Rippen riß, um zu sehen, ob auch Fett dazwischen säße, wer so am Euter herumtastete, den kannten sie! Solche hatten sie oft genug, viel zuviel in des seligen Papas Viehstall gesehen. Sie waren zum Äußersten entschlossen, denn die alte Schwarzbunte war ihre rechte Nährmutter und Erhalterin. Nie sollte sie mit irgendeinem Gerichtsboten davongehen! Das sagte Friedas wie Elfriedes Blick.

      Während Frieda im Rücken des Mannes zum Kienspan huschte, schlich seitlich Elfriede zu der Mistforke, die drei Schritt weiter an der Wand lehnte.

      Plötzlich erlosch das Licht mit einem Funkenregen, als sei es aus dem Ring gestürzt. Der Bauer fuhr auf, horchte in die raschelnde Stille – da traf ihn der Stich der Forke in die Seite.

      Er brüllte auf, stürzte auf die hellere Türöffnung zu, rannte etwas, das leise und schmerzvoll aufseufzte, über den Haufen, gewann das Freie. Er taumelte, halb betäubt von Schmerz, erfüllt von wahnsinniger Angst, eine Art Pfad hinab, sich an Bäumen stoßend, sich an Bäumen haltend. Er war am Strand, kein Licht blinkte, aber etwas Schwarzes lag auf dem dunklen Wasser. Er stolperte darauf zu, er fiel hinein, er griff nach der Ruderstange, stieß das Boot ab ... Die Stange entglitt ihm, er wäre ihr beinahe nachgestürzt, aber das Boot trieb schon. Schwer aufseufzend setzte er sich auf den Boden, legte seinen Kopf gegen die Heckkiste, murmelte: Verfluchte Insel! Verhexte Hexen! Und wußte nichts mehr. –

      Der Leuchtturm von Barhöft steht toteneinsam auf dem äußersten Punkt einer Halbinsel nördlich von Stralsund. Auf ihn zielt von Norden der Vierendehlstrom, aber, ehe er an die Küste kommt, teilt er sich, und sein einer Ausläufer verliert sich südöstlich im Mühlentief, das an den Flundergrund stößt.

      Hier war an einem frühen Sonntagmorgen ein Mädchen allein mit einer sonderbaren Art Boot unterwegs. Es war geradeheraus gesagt nichts anderes wie eine große Waschbutte, und daß es die wirklich war, bewies der Pflock, der das Loch verschloß, aus dem die Weiber das schmutzige Waschwasser fortlaufen lassen. Nur war jetzt der Pflock nicht von unten, sondern von oben in die Butte getrieben, und da saß er nun recht schön zwischen den beiden Knöcheln des Mädchens. Das Mädchen hatte in seiner Butte oder Balje nichts wie ein kleines Plätscherruder, mit dem es vorsichtig zugleich ruderte und steuerte.

      Es war noch sehr früh am lieben Sonntagmorgen, kaum fünf, aber die Sonne schien schon lieblich, der Himmel war klar und die See so glatt wie ein sauber aufgelegtes Tischtuch. Das mußte sie aber auch sein und dazu mußte man auch noch so geduldig still sitzen wie dieses Mädchen, ohne auch nur ein einziges Zentimeterchen nach rechts oder links zu rücken, sonst würde die Waschbalje nur ein einziges Mal kippeln, rasch tief aufseufzen und leer sein. Es gehörte schon jahrelange Übung dazu, sich in solchem Ding so weit auf die See hinauszuwagen, und doch hätte es das Mädchen trotz aller jahrelangen Übung nicht getan, wenn es sich nicht endgültig und fürchterlich mit Onkel Walli verzankt hätte.

      Onkel Walli nun war der von der verstorbenen Elternschaft eingesetzte Verwalter des Hofes in Solkendorf (unterhalb des Leuchtturms von Barhöft), der Vormundschaft, Ackerbau und Viehzucht verantwortlich auszuüben hatte, bis dermaleinst Justine ihren Justus oder wie er eben heißen würde, heiraten und sich damit aus der einen in die andere Vormundschaft begeben würde.

      Nun war Onkel Walli ein Mann aus der Anklamer Gegend, wohl ein herzensguter Mann, aber was soll man von einem Mann aus der Anklamer Gegend erwarten? Er ist und bleibt ein Binnenlandmensch, und das sagt für einen Küstenmenschen, für einen Wassermenschen genug. Die Solkendorfer Kinder wurden gewissermaßen in der See groß, schon, wenn sie erst zwei oder drei Jahre alt waren, fingen sie an, rastlos in die Boote zu klettern, aus den Booten zu fallen und sich mit Rudern, dreimal so lang wie sie selbst, umzubringen. Und sie quälten immer ihre Mütter, ihnen zum Essen selbstgefangene Fische zu braten, von denen der längste so lang war wie ein Mittelfinger, wohlgemerkt wie der Mittelfinger einer Kinderhand.

      Justine, Stine hatte von dieser Solkendorfer Tradition keine Ausnahme gemacht, und die Grundlagen zu ihrer heutigen Waschbaljenfahrt hatte sie in einem Alter gelegt, wo man nicht zweiunddreißig, sondern erst zwanzig Zähne im Munde hat. Das ging, wie es ging, solange die Eltern lebten, je mehr Justine sich streckte, um so mehr streckten sich auch die Fische, die sie heimbrachte, sie schienen mit ihr zu wachsen.

      Aber Onkel Walli war nicht für Fische. Er hatte den Aberglauben vieler Binnenländer, daß Fische nach Tran riechen und schmecken, und er hatte den Privataberglauben dazu, daß es giftige und ungiftige Fische gäbe, und daß die ungiftigen sehr schwer von den giftigen zu unterscheiden seien, genau wie bei den Pilzen, die er auch nicht aß.

      In allen Dingen waren er und sein Mündel besten Einvernehmens, aber in diesem Punkt waren sie so verschiedener Meinung, daß das sonstige gute Einvernehmen darüber in die Brüche zu gehen drohte. Der Krieg wurde von Onkel Wallis Seite unter schamloser Ausnützung der ihm behördlich verliehenen Gewalt geführt: Fischgerät wurde beschlagnahmt und verbrannt, Boote an Ketten gelegt, die Fischer gegen das Mädchen aufgehetzt. Für Justine blieben nichts wie Tränen, Schmollen, Proteste und List.

      Am Tage zuvor war es Justine nun gelungen, Onkel Walli während seines Nachmittagschlafes die Schlüssel aus der Tasche zu stehlen. Eilig war sie damit entflohen, denn sie hatte eine Woche nicht auf dem Wasser gelegen, sie hatte ihre Angelschnüre zurechtgemacht, war hinausgerudert und hatte die Schnüre auf dem Flunderngrund ausgelegt.

      Als sie hereinkam von der See, hatte Onkel Walli sie schon am Strande erwartet, und der gute alte Mann mit den glupschen Augen, mit dem Walroßschnauzbart und dem Hosenboden faltig wie ein Elefantenhintern war zum

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