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die meisten Rangstreitigkeiten.

      »Hund von einem Ungläubigen!« rief ein alter Mann, dessen schäbiger Mantel ebenso von seiner Armuth wie sein Schwert und sein Dolch nebst goldner Kette von seinem Anspruch auf Rang und Ahnen zeugten, – »infamer Hund! wagst Du einen Christen zu drängen, einen normännischen Edling vom Blute der Montdidier?«

      Diese rauhe Aeußerung war an niemand anders als an den Juden Isaak, unsern Bekannten, gerichtet, welcher reich, ja prächtig gekleidet, in einem mit Spitzen besetzten und mit Pelzwerk gefütterten Mantel in der vordersten Reihe für die schöne Rebekka, seine Tochter, einen Platz zu erhalten trachtete. Die Tochter war zu Ashby mit ihm zusammengetroffen und hing jetzt am Arme ihres Vaters, nicht wenig erschrocken über das allgemeine Mißfallen, welches ihres Vaters kühnes Auftreten erregte. Aber Isaak, obschon wir ihn bei andern Gelegenheiten furchtsam genug gesehen haben, wußte nur zu gut, daß er gegenwärtig nichts zu fürchten habe. An öffentlichen Versammlungsorten, in der Gemeinschaft mit Ebenbürtigen, wagte keiner der habsüchtigen oder boshaften Edlinge ihm etwas zu Leide zu thun. Bei dergleichen Versammlungen standen auch die Juden unter dem Schutze des gemeingültigen Gesetzes; und war dies auch immerhin eine schwache Bürgschaft, so fanden sich doch unter den versammelten Baronen einige, die aus selbstsüchtigen Motiven bereit waren, als ihre Beschützer aufzutreten.

      Dazu kam, daß Isaak augenblicklich mehr als gewöhnliche Zuversicht hegte, denn er wußte, daß Prinz Johann eben im Begriff war, bei den Juden von York eine bedeutende Anleihe zu machen, und ihnen dafür gewisse Juwelen und Ländereien zu verpfänden. Isaaks Antheil an diesem Geschäft war nicht gering, und so wußte er gar wohl, daß des Prinzen lebhafter Wunsch, die Anleihe zu Stande zu bringen, ihn bewegen werde, ihm in der schwierigen Situation seinen Schutz nicht zu versagen.

      Durch diese Erwägungen kühn gemacht, beharrte der Jude bei seinem Vorhaben und drängte den normännischen Christen ohne Rücksicht auf seinen Rang, seine Abkunft und seinen Glauben. Die Klagen des alten Mannes erregten jedoch den Unwillen der Umstehenden. Einer derselben, ein rüstiger untersetzter Landsasse, der zwölf Pfeile im Gurt, ein Schwertgehenk mit silbernem Schilde und einen sechs Fuß langen Bogen in der Hand trug, wandte sich rasch um, und während sein Gesicht, das vom Wetter wie eine Nuß gebräunt war, vor Aerger noch dunkler wurde, rieth er dem Juden, doch zu bedenken, daß aller Reichthum, den er durch das ausgesogene Blut seiner Schlachtopfer erlangt, ihn doch nur angeschwellt habe wie eine Spinne, die sich vollgesogen, und die man zwar übersehen könne, so lange sie sich in der dunklen Ecke halte, die man aber zertreten werde, sobald sie sich ans Licht wage.

      Diese mit fester Stimme und finstrem Ausdruck in anglonormännischer Sprache gemachte Andeutung bewirkte, daß der Jude zurückbebte, und wahrscheinlich würde er sich ganz aus einer so gefährlichen Nähe entfernt haben, wäre nicht plötzlich die Aufmerksamkeit aller auf den Eintritt des Prinzen Johann, der in diesem Augenblicke in die Schranken trat, gerichtet worden. Ein zahlreiches und bunt geschmücktes Gefolge, das theils aus Laien, theils aus Geistlichen bestand, die eben so leichtfertig in ihrer Kleidung und eben so munter in ihrem Benehmen waren wie die übrige Gesellschaft, umgab den Prinzen.

      Unter ihnen befand sich der Prior von Jorvaulx in dem ritterlichsten Aufzuge, in welchem ein Würdenträger der Kirche sich nur immer herausnehmen durfte zu erscheinen. Pelzwerk und Gold waren an seiner Kleidung nicht gespart, und die Spitzen seiner Stiefeln, welche die abgeschmackte Mode jener Zeit noch überboten, waren so weit in die Höhe geschlagen, daß sie nicht, wie bei anderen an den Knieen, sondern an seinem Gürtel befestigt waren, und ihn im eigentlichsten Sinne verhinderten, seinen Fuß in den Steigbügel zu setzen.

      Dies war indeß eine geringe Unbequemlichkeit für den ritterlichen Abt, der sich vielleicht über die Gelegenheit freute, seine vollendete Reitergewandtheit vor so vielen Zuschauern, besonders aber vor dem schönen Geschlecht zu zeigen, und der sich dieser Hilfsmittel eines furchtsamen Reiters daher gern begab.

      Das übrige Gefolge des Prinzen bestand aus den begünstigten Anführern seiner Miethstruppen, einigen raubsüchtigen Baronen und ausschweifenden Höflingen nebst einigen Templern und Johannitern.

      Es mag hier erwähnt werden, daß die Ritter dieser beiden Orden dem König Richard feindlich waren, und bei den langwierigen Streitigkeiten, die in Palästina zwischen Philipp II., August von Frankreich und dem löwenherzigen Könige Englands stattfanden, die Partei des ersteren ergriffen hatten. Die Folge dieser Uneinigkeit war gewesen, daß Richards wiederholte Siege fruchtlos gemacht und seine romantischen Versuche, Jerusalem zu erobern, vereitelt wurden, ja, daß die Frucht alles Ruhms, den er erlangt, ein ungewisser Waffenstillstand mit Sultan Saladin gewesen war.

      Mit derselben Politik, die ihren Brüdern in Palästina ihr Verhalten vorgeschrieben hatte, schlossen sich die Templer und Hospitaliter in England und der Normandie der Partei des Prinzen Johann an, da sie wenig Ursache hatten, Richards Rückkehr nach England oder die Nachfolge Arthurs, seines rechtmäßigen Erben, zu wünschen.

      In ihnen sah Prinz Johann seine wichtigsten Verbündeten, und darum verachtete er die wenigen bedeutenden angelsächsischen Familien, die noch in England existirten, und versäumte keine Gelegenheit, sie zu kränken und übermüthig zu behandeln, denn er wußte gar wohl, daß ihnen wie dem größern Theil der englischen Gemeinden seine Person und Anmaßung mißfielen, von denen sie bei Johanns ausschweifendem und despotischem Charakter noch fernere Eingriffe in ihre Rechte und Freiheiten befürchteten.

      Begleitet von diesem ritterlichen Gefolge, sehr gut beritten, in Carmoisin und Gold gekleidet, auf dem Haupte ein mit reichem Pelzwerk besetztes und mit einem Ringe köstlicher Steine geschmücktes Barett, unter dem sein langes lockiges Haar hervorquoll, das sich über die Schultern breitete, sprengte Prinz Johann, einen Falken auf der Hand tragend, auf einem muthigen Schimmel an der Spitze seiner jovialen Begleitung in den Schranken umher, lachte laut mit seinem Gefolge und beäugelte mit königlichem Kennerblick die Schönheiten, die die hohen Gallerien schmückten.

      Da lenkte sich seine Aufmerksamkeit auf die noch nicht beruhigte Bewegung, die dem Vordrängen des Juden zu den höheren Plätzen der Versammlung gefolgt war. Sein scharfes Auge erkannte Isaak sofort und wurde nicht wenig von der schönen Tochter Zions angezogen, die, durch den Tumult erschreckt, sich fest an den Arm ihres bejahrten Vaters schmiegte.

      Die Formen und der Wuchs Rebekkas konnten in der That mit denen der stolzesten Schönheiten Englands verglichen werden, selbst wenn sie von einem strengeren Richter als dem Prinzen Johann beurtheilt wurden. Ihre Gestalt war höchst symmetrisch gebaut und wurde vortheilhaft hervorgehoben durch eine Art orientalischer Kleidung, die sie nach der Frauensitte ihres Volkes trug. Ein Turban von gelber Seide paßte vorzüglich zu ihrer dunklen Gesichtsfarbe. Der Glanz ihrer Augen, die stolze Wölbung ihrer Brauen, ihr wohlgeformtes Adlernäschen, ihre weißen Zähne, ihr üppiges schwarzes Haar, das in einzelnen reizenden Ringellöckchen herab auf ihren lieblichen Hals und Busen fiel und beides bedeckte, so weit ein reiches Kleid von persischer Seide es sichtbar werden ließ – all dieses bildete ein so liebenswürdiges Ensemble, daß sie den schönsten Jungfrauen, die sie umgaben, in nichts nachstand.

      »Nun, bei der Glatze Abrahams,« sagte Prinz Johann, »die Jüdin dort muß das Muster all der Vollkommenheit sein, dessen Reize dem weisesten Könige, der je lebte, den Kopf verdrehten! Was sagst Du, Prior Aymer? – Beim Tempel jenes weisen Königs, den unser noch weiserer Bruder nicht zurückzuerobern im Stande war, sie ist die leibhaftige Braut des Hohen Liedes.«

      »Die Rose von Savon und die Lilie des Thales,« antwortete der Prior in schmunzelndem Tone; »aber Eure Hoheit muß bedenken, daß sie nur eine Jüdin ist.«

      »Ei,« fügte Prinz Johann hinzu, ohne auf ihn zu achten, »und da ist auch mein Mammon der Ungerechtigkeit, der Marquis der Marken und Baron der Byzantiner, der sich mit verlumpten Schuften, deren schäbige Mäntel keinen Heller in den Taschen bergen, um den Platz streitet. Beim Leibe des heiligen Markus, mein Subventionsfürst soll mit seinem liebenswürdigen Judenmädchen einen Platz auf dem Balkon haben! – Wer ist sie, Isaak, Deine Frau oder Deine Tochter, jene orientalische Houri, die Du so fest unter Deinem Arme verwahrst, als wäre sie Dein Schatzkästlein.«

      »Meine Tochter Rebekka, Eurer Hoheit zu dienen,« antwortete der Jude mit einer tiefen Verbeugung, ohne bei dem Gruß des Prinzen,

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