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der frühen Nachtstunden zu genießen. In der Zeitung hatte ich gelesen, dass Frau Anders' Wissenschaftspark kürzlich um einen Neubau erweitert worden sei. (Die Bauarbeiten waren meiner Frau und mir nicht verborgen geblieben.) Der Neubau endete mit einer über fünf Stockwerke gehenden Fluchttreppe nur wenige Meter von unserem grünen Bachlauf entfernt.

      Neugierig näherte ich mich von der Vorderseite dem neuen Gebäude. Um mich herum nur Dunkelheit und Stille. Doch dann kam ich an den Bach, und für einen Moment denke ich, mich trifft der Schlag! Ich brauchte eine ganze Weile, um zu begreifen, was ich da vor mir sah: Das Ding — von zwanzig (20!) LED-Flutlicht-Strahlern gleißend hell erleuchtet —, das dermaßen auf mich einstrahlte, dass ich unwillkürlich beide Augen zusammenkneifen musste, war die tagsüber vollkommen harmlos aussehende Fluchttreppe des von unserer Geschäftsführerin betriebenen Wissenschaftsneubaus.

      Die Flutleuchten waren nicht etwa auf das Gebäude ausgerichtet — nein, sie strahlten fröhlich links und rechts an der Hauswand vorbei — deutlich mehr als hundert Meter den Bachlauf hinauf und denselben Bachlauf auch wieder hinunter. Selbst das nur durch einen kombinierten Rad- und Fußgängerweg vom Gebäude getrennte, vornehmlich dem Hochwasserschutz dienende Feuchtbiotop, in dem im Sommer zuvor ein menschenscheues Graugänsepaar gebrütet hatte, bekam noch eine ordentliche Portion Flutlicht frei Haus geliefert. Damit hatte unsere Geschäftsführerin ein Problem: Mich!

      Ich googelte ein bisschen und schrieb schon am nächsten Tag, einem Advents-Sonntag im Corona-Dezember 2020, eine E-Mail an die „sehr geehrte Frau Anders“, in der ich darauf hinwies, dass ich die Beleuchtung der Fluchttreppe an „ihrem“ Neubau als übertrieben hell empfinden würde, dass ich mich als Spaziergänger davon sehr gestört gefühlt hätte und nun in großer Sorge um die in dem angrenzenden Feuchtbiotop bis dahin weitestgehend in schützender Dunkelheit lebenden Wildtiere sei. Falls sie wider Erwarten nicht die richtige Ansprechpartnerin für mein persönliches Anliegen sein sollte, möge sie mir doch bitte mitteilen, an wen ich mich stattdessen wenden könne, um dieses Problem zu lösen.

      Da ich ein paar Tage auf ihre Antwort warten musste, hakte ich nach. Ein gutes Gefühl hatte ich nicht dabei, denn es waren nur noch wenige Tage bis Weihnachten und mir war vollkommen klar, dass Frau Anders sich als hauptverantwortliche Geschäftsführerin vornehmlich um den Jahresabschluss ihrer Wirtschaftsförderungsgesellschaft kümmern musste und ganz sicher keine Lust hatte, mit mir über Spaziergänger-Probleme und nächtlich zwangsbeleuchtete Feuchtbiotope zu diskutieren.

      In ihrer Mail-Antwort, die mich überraschenderweise doch noch im alten Jahr erreichte, beklagte sich Frau Anders dann auch folgerichtig darüber, dass ich ihr unterstellen würde, sie habe nicht die Absicht gehabt, zeitnah zu antworten. Für sie selbst sei die Sache vollkommen klar: Fußgänger hin oder her, die Treppe müsse so wie technisch ausgeführt beleuchtet werden, in dem Gebäude befände sich wertvolles Equipment, die Sicherheitsfirma habe das genau so und nicht anders verlangt.

      Das war natürlich überhaupt nicht das, was ich hatte hören wollen. Also war für mich der Stand der Dinge Weihnachten 2020: Der Fehdehandschuh liegt im Ring!

      Denn wie Sie inzwischen wissen, bin ich ein Mann, und einen derart offenkundigen, auf mich persönlich bezogenen Widerspruch kann ich gar nicht gut vertragen! :-/

      Die Präsidentin

       Bei uns macht jeder, was er will,

       keiner was er soll,

       aber alle machen mit!

      Albtraum oder Realität? Der Chef hat's in der Hand.

      Das zweite Beispiel genderspezifischen Führungskräfteverhaltens betrifft eine Gerichtspräsidentin mit dem typischen Problem (fast) aller Vorgesetzten: Sie muss den Kopf für einen Mist hinhalten, den ihre Untergebenen verbockt haben. Nennen wir sie daher „Die Unbeteiligte“ und schenken ihr (dem Alphabet folgend) den wie zuvor fiktiven Nachnamen „Berndt“.

      Viele, die in jungen Jahren nach der ganz großen Karriere lechzen, werden dieses Problems: höchstpersönlich selbst für die Arbeitsleistung der eigenen Mitarbeiter einstehen zu müssen, erst gewahr, wenn es schon zu spät ist. Dann nämlich, wenn sie bereits mit Führungsverantwortung gesegnet sind. Um es ganz klar zu sagen, bezogen auf die Mitarbeiterführung werden von einem Chef — egal ob männlich oder weiblich — im Allgemeinen genau drei Dinge erwartet:

      Erstens: Das Arbeitsumfeld so zu gestalten, dass die Mitarbeiter ihre Arbeit bestmöglich ausführen können (nicht nur bezüglich Mitarbeiterzufriedenheit, sondern auch bezüglich Qualität und Effizienz).

      Zweitens: Die Ursachen von Fehlleistungen — nicht nur der eigenen, sondern auch der der Mitarbeiter — aufzuklären und den oder die Kunden oder sonstigen Beschwerdeführer zufriedenzustellen, indem zu Recht reklamierte Mängel schnellstmöglich beseitigt werden.

      Drittens: Zu verhindern, dass sich dieselben Fehler ständig wiederholen. (Vor neuen Fehlern ist allerdings niemand gefeit!)

      Doch genau da fängt das Problem unserer Gerichtspräsidentin an: Sie muss den Kopf für ihre Mitarbeiter hinhalten, darf ihnen aber nichts sagen. Denn Richter, und darum geht es meistens an einem Gericht, sind laut Gesetz nur den gültigen Rechtsnormen und ihrem Gewissen verpflichtet, darüber hinaus aber niemandem in irgendeiner Weise Rechenschaft schuldig. Nicht einmal ihrer Dienstvorgesetzten, auch wenn sie die Präsidentin ist und mit Nachnamen noch ganz anders als „Berndt“ heißen sollte.

      Um es ganz deutlich zu sagen: Im Gerichtssaal können Richter machen, was sie wollen, solange sie nicht die sprichwörtlichen goldenen Löffel klauen. Daher die folgende Weisheit, die der Legende nach schon die alten Römer kannten:

      —> Vor Gericht und auf hoher See ist man allein in Gottes Hand.

      (Mit dem einzigen Unterschied, dass Gott auf hoher See eine Kapitänsmütze und im Gerichtssaal eine schwarze Robe trägt.)

      Scheinbar ist eine Gerichtspräsidentin also das, was man im Allgemeinen einen „Frühstücksdirektor“ nennt: Beim Frühstück führt er noch das große Wort, hat aber entweder keine Mitarbeiter oder nichts zu sagen.

      Erschwerend kommt im Fall der Frau Berndt sogar noch hinzu, dass sie ihre Aufgabe als Gerichtsvorsteherin wohl erst vor kurzem übernommen hat, also sehr wahrscheinlich noch nicht über dieselbe jahrzehntelange Erfahrung verfügt wie die davor erwähnte Geschäftsführerin. Wenn es an ihrem Gericht also so zugehen sollte, wie eingangs beschrieben, was macht sie dann? Was kann sie überhaupt machen, außer dass sie ihre Hände in den Schoß legt? Und für den Fall des Falles: Wie macht man das eigentlich richtig — die Hände in den Schoß legen? Als Führungskraft?

      Wir dürfen gespannt sein...

      Die Kammer

      „Die Kammer“, das könnte auch der Titel eines Horrorfilms sein. Doch keine Sorge: Sie ist hier nicht der Hort des Bösen, sondern für uns ist sie nur die Quelle eines weiteren Problems. Des zweiten nämlich, das wir abhandeln wollen. Sie ist diejenige Kammer am Gericht der Präsidentin, die ihr ein Verfahren beschert hat, in dem so ziemlich alles schiefging, was überhaupt nur schiefgehen konnte. Und dessen Ergebnis, das im Folgenden häufiger zitierte Urteil, alle an dem Verfahren Beteiligten außer mir selbst Stand heute höchstwahrscheinlich am liebsten in der Versenkung verschwinden sehen würden. Obwohl sie zuvor zum Teil hart für genau die hier reklamierten Inhalte dieses Urteilsspruchs gekämpft hatten.

      Ach, ich vergaß: Zur Kammer gehörten am 6. Juni 2019, dem Tag der mündlichen Verhandlung, drei Frauen und zwei Männer. Mehr oder weniger geschlechtsneutral also. Dass nun aber keinesfalls immer etwas mit Hand und Fuß dabei herauskommen muss, wenn Männer und Frauen dermaßen eng zusammenarbeiten, bewies schon das Vorspiel zu dieser Verhandlung:

      Alle Einladungen zu dem Prozess-entscheidenden und Urteil-stiftenden Event im Juni 2019 wurden nämlich

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