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Eva und das Paradies. Dominik Rüchardt
Читать онлайн.Название Eva und das Paradies
Год выпуска 0
isbn 9783738009972
Автор произведения Dominik Rüchardt
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Erschrocken wich der Regionalbeauftragte zurück. „Natürlich, Professor Chiang, wir werden das berücksichtigen. Wir sind ja auch von Ihrer Einrichtung überzeugt. Wir hielten es nur für klug, dafür zu sorgen, dass die Europäer unser Vertrauen in Ihre Schule übernehmen. Es werden daher in den kommenden Wochen einige europäische Vertreter Ihren Lehrveranstaltungen beiwohnen.“
„Heißt das, Sie wollen meine Lehre überwachen?“
„Ich würde lieber sagen, kennenlernen.“
Zhaoming wurde unwohl. Die Freiheit der Lehre war ihm, dem Gebrandmarkten, besonders wichtig. Nach der Aufspaltung Amerikas und der Gründung der Christlich fundamentalistischen zentralamerikanischen Staatengemeinschaft war er immer strenger überwacht und schließlich verstoßen worden. In der Philosophieschule war daher auch jede Art von Aufzeichnungen verboten. Das war nach den neuesten Datenschutzgesetzen zum Übergang des Eigentums von Gedanken und deren Auslegung in einer Kommunikation immerhin möglich.
„Kann ich mich dagegen wehren?“
„Das können Sie natürlich, aber ich bin nicht sicher, ob das eine gute Idee wäre. Manche Veränderungen kommen einfach, und wir müssen sehen, wie wir das Beste daraus machen.“
Damit hatte Doktor Homolka recht. Zhaoming wusste das.
Aber das hieß, es wäre womöglich bald aus mit der Autonomie seiner Philosophieschule. Er würde zwar jede Menge Ruhm und Ehre einsammeln, müsste sich aber im Gegenzug vermehrt mit Menschen herumschlagen, deren Ziele und Charaktere ihm auf die Nerven gingen. Ehrgeizige Selbstdarsteller, die sich bevorzugt im Erfolg anderer sonnten und gleichzeitig mutige Taten blockierten. Er war sich nicht sicher, ob er das wollte, aber erst einmal hatte er keine andere Wahl.
Bedrohung – Biofarm am Wiener See
Im Verwaltungsbüro der Biofarm wurde es immer stickiger. Fliegen summten in der heißen Luft, die ein müder Ventilator mit trägem Flattern im Raum verteilte, ihre solarbetriebene Klimaanlage.
Kemal Deixner und Mirco Nemec waren dabei herauszufinden, was zu tun sei, um den Betrieb der Farm sicherzustellen. Nun, wo Jasiri angeblich plötzlich ausfiel. Sie waren deutlich im Verzug mit dem Nachschub, also den Setzlingen für die kommende Saison. Und da sie im Moment weder die Nachricht noch die offenen Fragen zur Zukunft der Farm verbreiten wollten, hielten sie Türen und Fenster geschlossen, was sonst nicht ihre Art war.
Mirco Nemec hatte bereits seine dünne Sportjacke ausgezogen, die er sonst immer trug, und saß im Unterhemd da. Mit seiner kompakten Statur und seinem runden, von wenigen blonden Haaren umkränzten Kopf wirkte er schmuddelig. Aber er war schnell, und misstrauisch. Das war in seinem Job hilfreich. Kemal Deixner war das Gegenteil von Nemec. Sein kleiner Kopf mit den dunklen Knopfaugen saß halslos auf einem mächtigen Oberkörper, von dem ebenso große Arme wie Beine abgingen. Sein schiefer Mund wirkte, als pule er ständig an einer Fischschuppe herum. Neben Nemec wirkte er gutmütig und träge, was aber täuschte. Kemal hatte sein eigenes Reich im Stadtbüro der Farm, das er genau überblickte.
Nemec saß über den Bestandstabellen und verglich diese mit dem Jahresplan, während Deixner ihre Liefervereinbarungen und die Eingangsplanungen mitgebracht hatte.
„Im Moment stehen wir noch gut da“, erklärte Nemec schließlich und streckte sich. „Die Lager sind immer noch voll und bis zum Sommerende erwarten wir gute Erträge. Allerdings müssten spätestens Ende August die Winterpflanzen in den Treibhäusern sein und im September die Vorbereitungen für das kommende Jahr starten.“
„Das passt zu meiner Berechnung“, bestätigte Kemal Deixner, während er sich mit seiner riesigen Hand am Kopf kratzte und seinen Zettel anstarrte. „Die Lieferungen an diplomatische Einrichtungen, Restaurants und Läden sind bis zum Spätherbst sicher, der Rest geht über den Hofladen. Das Programm mit den Anbaukästen können wir von mir aus gerne verschieben.“
Er legte den Zettel zur Seite.
„Die sind mir sowieso unheimlich. Die ganzen jungen Frauen aus der Stadt. Sie belagern in letzter Zeit ständig mein Büro, wann sie endlich die Kästen für ihre Balkone bekommen. Die gehen mir auf die Nerven. Alles viel zu öffentlich. Ich habe Jasiri schon gewarnt, das mit dem Kleinbauernverband ist unkontrollierbar, aber er hat mich nur ausgelacht.“
„Dann könnten wir die Setzlinge für die Anbaukästen stattdessen für die Winterpflanzen nehmen?“ Nemec setzte an, das zu notieren.
„Theoretisch ja, aber zu riskant.“ In der Tat. Die Setzlinge für die Anbaukästen konnten sich fortpflanzen. In der Stadt war das kein Problem, aber hier oder in den Treibhäusern, umgeben von ESCO Land, könnte das gefährlich werden.
„Da hast Du recht.“ Nemec ließ den Stift wieder fallen. „Wenn uns da die Patentpolizei draufkommt, beschlagnahmen sie alles und verbieten den Betrieb, bis sie alle Felder überprüft haben. Und sie werden sich Zeit lassen.“ Ärgerlich schob er seine Zahlen zur Seite.
Kemal Deixner zuckte mit der Lippe, sein Fischschuppenzucken, das er immer machte, wenn er etwas nicht mochte. „Ich hab allerdings nie kapiert warum. Wir können den Genpflanzen doch eh nichts tun.“
„Warum, kann ich Dir sagen. Das ist das Qualitätsschutzgesetz.“ Nemec kippelte am Stuhl bis er fast umfiel, diese Frage hatte er schon hundertmal hin und hergewendet. „Da geht es um Sachen wie das genetische Tor. Die würden so lange suchen, bis sie einen Samen finden, der auf die Industrieäcker fliegen kann. Das sind ja hochempfindliche Anlagen, supersteril und mit einem Giftcocktail genau abgestimmt. Wenn da fremde Samen einfliegen, können die Unkraut erzeugen, dem das Gift nichts macht, und schon haben die auf ihren Feldern Pflanzen mit drin, die da nicht hingehören. Dann stimmen die Zertifikate nicht mehr und sie können das Zeug nicht mehr verkaufen. Und im für die schlimmsten Fall könnten wir wegen des Patentschutzgesetzes außerdem Anspruch auf einen Teil ihrer Ernte erheben, weil sie Sachen verkaufen, in denen das Erbgut unserer Pflanzen steckt.“
„Ist das denn wirklich so gefährlich für die?“
„In Wirklichkeit ist das Risiko nicht groß, aber die nutzen das aus. Um uns zu bekämpfen. In Echt sind wir für die nur deshalb eine Gefahr, weil immer mehr Menschen den Industriefraß nicht mehr essen wollen. Wir zeigen, dass es auch anders geht. Und wenn nun irgendwann die Klagen wegen Allergien und so losgehen, dann wird es möglicherweise richtig teuer für ESCO. Deshalb wollen sie uns eigentlich erledigen und hetzen uns, wann immer möglich, die Patentpolizei auf den Hals.“ Nemec hörte auf zu kippeln und ließ sich nach vorne fallen. Den Rest kannte Kemal. So lange ESCO nur vermuten konnte, was hier passierte, und sie ihnen keinen Grund gaben, sie wegen des Patentschutzgesetzes oder des Qualitätsschutzgesetzes anzuzeigen, waren denen die Hände gebunden. Das blöde war nur, dass die Importe aus Afrika ebenfalls unter das Patentschutzgesetz fielen. Deshalb mussten sie schmuggeln.
Er schaute konzentriert auf den Tisch und fing eine Fliege mit der bloßen Hand.
„Wusstest Du eigentlich, dass die Patentpolizei früher Zoll hieß und extra gegen Schmuggel unterhalten wurde? Erst mit den Freihandelsabkommen, als der Zoll abgeschafft wurde, haben die ihre ganze Organisation ausschließlich auf Patente konzentriert. Na ja, für die Industrie war das ein echtes Geschenk, die haben nun eine kostenlose Privatarmee, die fleißig nach Gründen für ihr Dasein sucht.“ Vorsichtig öffnete er die Faust und die Fliege flog, leicht benommen, davon.
„Ja, ich habe das auch gelesen“, knurrte Deixner. „Aber auch wenn die nicht mehr so auf Schmuggel achten, geht da unser Problem los. Jasiri hat das alles alleine gemacht. Ich habe keine Ahnung, wie wir die nächste Lieferung organisieren können.“
„Wie, Du hast keine Ahnung, was heißt das?“
„Ich kenne nur