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Eva und das Paradies. Dominik Rüchardt
Читать онлайн.Название Eva und das Paradies
Год выпуска 0
isbn 9783738009972
Автор произведения Dominik Rüchardt
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Doch Jasiri war schon nur noch halb da. Die Spannung in seinem Körper verriet: Im Geiste war er schon unterwegs. Unterwegs in die andere Welt.
„Ich muss diesmal alleine fahren.“ Ernst blickte Jasiri über die Wiesen. „Das macht es schwieriger, deshalb muss ich schon so früh los.“
„Was war mit Quasiz? Ich habe ihn noch nie gemocht, aber wenn er Dir fehlt − ich kann ja mitkommen. Irgendwann will ich auch nach Bawesi, überhaupt nach Afrika.“ Sie wusste, dass das nicht ging.
„Ich konnte ihm nicht mehr vertrauen.“ – Jasiri warf ein Steinchen die Kuppe hinab, wollte verbergen, dass er sich ärgerte. „Aber mit ihm war das Reisen einfach.“ Das stimmte. Für Eva wäre es viel komplizierter. Sie war nicht anonymisiert, sie könnten sie überall aufspüren. Und dann wüssten sie, wie sie ihren Nachschub bekämen. All das wusste sie. Leider. Hinzu kam die afrikanische Sicht auf ihre Beziehung. Europäerin und, noch schlimmer, Ehefrau – ablehnen würden sie sie in seinem Dorf.
„Diese verfluchte Anonymisierung! Die macht alles nur noch schlimmer.“ Begleitet von einem Schnauben flog dem Steinchen ein Stöckchen hinterher. „Sie saugt Dich aus meinem Leben“, Eva suchte nach Worten, „wenn Du weg bist, bist Du verschwunden, wie ein Gespenst.“ Ganz eng rückte sie an ihn, einen Arm um seinen Rücken, den Kopf an seine Schulter gedrückt. Sie hielt ihn. „Mein schwarzer Mann verschwindet in einem schwarzen Loch – und ich bleibe hier.“
„So ist es nun mal“, Jasiri seufzte, während er sich sanft befreite. Er bemühte sich, sie seine zunehmende Abwesenheit nicht spüren zu lassen. Doch er sprach schon wie aus einer anderen Welt. „Wir haben diesen Weg gewählt, ich weiß keinen besseren.“ Und er hatte Recht. „Wir brechen Grenzen und Regeln, tauchen ins Niemandsland. Leben zwischen den Welten. Mit allen Abgründen.“
„Ist es so schlimm?“
Von weit weg blickte er sie an. „Nicht immer.“ Und dann erzählte er: „Nur − die Leute, die du dort triffst, sind nicht alle gut, und manchmal erlebst du Dinge, von denen du lieber nichts wüsstest. Man muss aufpassen, dass sie dich nicht hineinziehen.“ Jasiri schüttelte sich. Fast unmerklich. Nur ein Zucken spürte Eva. Er löste sich.
„Ich muss gleich los. Ich will heute noch bis Rom kommen.“
„Wann kommst Du wieder?“
„Wenn alles gut geht, bin ich in acht Tagen zurück.“
Sie küssten sich noch einmal. Eva hauchte ihm ein „pass auf Dich auf!“ ins Ohr und flüsterte: „Ich denke an Dich.“
Er zog sie noch einmal an sich, sie schlang sich um ihn, sie sanken herunter ins Gras und für einen wunderbaren Moment war es wie vor acht Jahren.
Als sie wenig später wieder auf den Hof gingen, kam auch schon das Rufauto. Langsam, wie es für den fahrerlosen Betrieb vorgeschrieben war, rollte es über den Hof, hielt an, blinkte. Jasiri nahm seine Tasche, sendete mit seinem Kommunikator den Mietcode und das Auto öffnete sich, er setzte sich ans Steuer, winkte und fuhr los.
Weg war er. Mal wieder. Allein blieb Eva auf dem Hof stehen und sah ihm nach. Es tat weh, ihn gehen zu sehen. Auf seinem Weg durfte er keine Spuren hinterlassen. Solange er fort war, würde er sich nicht bei ihr melden.
Sie wusste das alles. Ihr Kopf wusste es, Ihr Körper wusste es, ihr Herz. Das war ihr Leben. Schmerzhaft war es trotzdem. Und zu allem Übel genoss sie den Schmerz sogar. Schließlich half er ihr, ein Gefühl zu verdrängen, das sie verunsicherte. Sie bewunderte Jasiri, ihren Anführer, Ideengeber und Beschützer. Sie brauchte ihn, sie war in ihn verliebt, doch was war es, was nun tatsächlich mit ihr verwachsen war? Jasiri? Oder eher das Projekt ihrer Farm? Da war auch eine winzige, blöde, eigenartige Erleichterung, die seine Abreise immer in ihr weckte. Das erschreckte sie. Doch wie jedes Mal verdrängte sie diesen Gedanken, ließ den Schmerz hinter sich und machte sich ebenfalls auf den Weg.
Zurück im Haus, machte sie sich an ihre Arbeit. Die Leitung der Schule verlangte jede Menge Verwaltung. Sie musste genau dokumentieren, was sie den Kindern beibrachten und welche Ergebnisse sie erzielten. Es verlangte viel Fingerspitzengefühl, glaubwürdig zu sein und nichts zu berichten, was auf Regelverstöße hinwies. Das gleiche galt für alles andere. Vor ihr lagen Broschüren, die an die Kleinbauern gingen, meist Stadtbewohner, die Balkone und Dächer bepflanzten.
Das Formulieren machte ihr Freude. Hier ergänzten Jasiri und sie sich wirklich gut. Er, der ungestüme Regelbrecher, sie, die Vorsichtige, die alles so darstellte, dass es nicht angreifbar war.
Konzentriert machte sie sich an die Arbeit. Von draußen drangen die Farmgeräusche durch das Fenster und sie vergaß die Zeit, ging auf im wuseligen, rebellischen Betrieb, der inzwischen so gut funktionierte, mit Jasiri als Oberrebell und ihr als Rebellenbraut. Die Finger flogen über die Tasten, ein Lächeln flog über ihr Gesicht. Sie fühlte sich wohl.
Die Nachricht – Afrika, Dorf Bawesi
Die drei Afrikaner gaben ein friedlich geschäftiges Bild ab. Rijad Eberegbulam Bawesi, Pflanzenzüchter im Dorf Bawesi im mittleren Afrika, Uzuri Yaya Bawesi, Jasiris Schwester, und Toma Bawesi, der aus Prinzip keinen Zweitnamen trug, saßen auf Eberegbulams Terrasse am See. Es war heiß, die Nachmittagssonne brannte. Sie waren das gewohnt. Unter einem Sonnendach aus Schilf sortierten sie an einem großen Tisch Stecklinge.
„Leg die kleinen hier nach links, die mit den runden Enden, und die anderen, etwas größeren, die aussehen wie aufgeplatzt, dorthin“, mahnte Toma mit heiserer Stimme. Uzuri tat wie geheißen, aber es kam ihr immer noch sinnlos vor, wie ein Kinderspiel, um sich die Zeit zu vertreiben.
„Das ist doch idiotisch. Pflanzen säen, auskeimen lassen, wieder herausreißen und sie dann nach Europa schicken.“ Verständnislos schüttelte sie immer wieder ihren Kopf. „Was ist der Unterschied? Samen sind doch viel haltbarer. Irgendetwas stimmt nicht mit Euren Europäern.“
Eine Weile sprach niemand. Bis Rijad Eberegbulam in einer Art Singsang antwortete. „Ja, sie sind seltsam, die Europäer. Sie haben für alles Gesetze. Für die Liebe, für die Farbe deines Urins und dafür, welche Pflanzen wachsen dürfen. Sie sind gesetzsüchtig. Das Einzige, was sie nicht regulieren, ist das Nachwachsen von Gesetzen. Und vor lauter Gesetzen gehen ihre Pflanzen kaputt. Sie schmecken nicht, sie halten von alleine nichts aus, sie sind billig.“
Er verstummte, hob aber wenig später in anderem Ton wieder an und wandte sich direkt an Uzuri: „Aber sie erfüllen die Gesetze. Fremde Samen sind verboten, fremde Pollen sind gefährlich. Also hat Jasiri eine Farm gegründet, auf der er statt Samen unsere Setzlinge anbaut. Es ist verrückt, aber es ist nun mal so.“ Gut gelaunt sortierte Eberegbulam weiter. Jasiri und er machten das inzwischen im großen Stil. Sie wurden immer besser darin, Setzlinge so zu züchten und zu bearbeiten, dass sie haltbar waren und in Europa später fast keine Pollen verstreuten.
„Hier, die sind alle neu“, versonnen zeigte Toma auf eine Reihe schrumpeliger, sehr kleiner Setzlinge und fing an aufzuzählen: „Das sind Tomaten, das sind Kürbisse, das dort hinten ist Paprika ...“
„Und Toma ist unser Genie. Unser Erfinder. In seinen Händen machen die Pflanzen genau, was er will. Neue Setzlinge, neue Methoden. Jasiri wird staunen.“
„Ich könnte ja mal über Euch schreiben: ‚Geschäft mit Europa wächst wieder – Afrikas Züchter versenden ausgekeimte Samen als Kassenschlager‘ oder so.“ Uzuri sprach das mehr so vor sich hin. Eigentlich war sie Tänzerin und Tanzlehrerin, mit viel Fleiß hatte sie sich aber eine zweite Existenz aufgebaut. Sie schrieb nun auch für eine überregionale Zeitung und wurde dabei immer besser. Inzwischen konnte sie sich ihre Themen aussuchen.
„Bloß nicht. Jasiri würde Dir den Kopf abreißen. Viel zu gefährlich.“
„Bestimmt nicht. Nicht er und nicht mir.“ Sich stolz zurücklehnend,