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Eva und das Paradies. Dominik Rüchardt
Читать онлайн.Название Eva und das Paradies
Год выпуска 0
isbn 9783738009972
Автор произведения Dominik Rüchardt
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Nach dem Besuch – Berlin, Kohlbogen
Einige Stunden später, es war bereits dunkel und der Empfang nicht mehr besetzt, brachte Helmut die Besucher zum Lift, der direkt zum Ausgang auf die Straße ging. Im Monitor sah er, wie ein Chauffeur vorfuhr und sie einstiegen. Ein teures Elektrofahrzeug, wie es von gehobeneren Taxiservices eingesetzt wurde. Dieses allerdings war ohne irgendeine Aufschrift, vermutlich ihr interner Firmenservice. Aus Gewohnheit merkte er sich die Autonummer und verfolgte die Abfahrenden aus dem Fenster.
Diese Leute gefielen ihm nicht. Er war es gewohnt, Interessen aller Art aufzugreifen und mit anderen Interessen zu verflechten, bis etwas für alle Beteiligten Interessantes entstand. Seine Fähigkeit, diese Interessen zu erkennen und so zu vermitteln, dass Vertrauen entstand, war sein eigentliches Kapital. Die Leute glaubten ihm und daher konnte er Dinge bewegen, die anderen unmöglich erschienen. Bei diesen Leuten aber wusste er nicht, ob er ihnen trauen konnte, geschweige denn, was es bedeutete, sich mit ihnen einzulassen.
Ihr Anliegen, sie nannten es ‚Sahara Projekt‘, ließ ihn schon zweifeln, ob er es unterstützen wolle. Doch ihre Argumente waren stichhaltig und gut durchdacht. Vielleicht zu stichhaltig. Lauter zwingende Ereignisse und Schritte, als ob es gar keine Alternative gäbe. Sie verstanden es, einem einzureden, man hätte gar keine andere Wahl, als ihnen zu folgen.
Sie hatten außerdem Geld. Viel Geld. Geld in anderen Geschäften, die wiederum für seine Kunden von großer Bedeutung waren. Das hatten sie auch erwähnt, obwohl er es natürlich wusste. Ein weiteres alarmierendes Zeichen.
Und wenn Helmut Montensacken etwas nicht mochte, dann war das, wenn ihn jemand unter Druck setzen wollte. Solche Leute mussten schnell und ohne viel Schaden besiegt werden. Nur: schnell und ohne viel Schaden, das war bei diesen Leuten nicht so leicht.
Nachdenklich räumte er alle vertraulichen Dokumente weg, tippte ein paar Tasten, orderte ein Premium-Taxi, sperrte die Kommunikatoren und stieg in denselben Lift wie vorher seine Gäste.
Das Taxi war schon da. Der Fahrer saß vorne, abgetrennt von der Passagierkabine. Er teilte ihm durch eine Sprechanlage sein Ziel mit, seine Privatadresse.
Er fand das eigentlich affig, aber in gewöhnlichen Taxis fühlte er sich nicht wohl. Die Fahrzeuge fuhren im Normalbetrieb absolut selbstständig und die Fahrer waren nur anwesend, damit jemand verantwortlich war. Das ergab, dass nur die Allerblödesten diesen sehr langweiligen Job annahmen. Leute, denen er sein Leben als Passagier nicht anvertrauen wollte. Bei den Premium-Taxis waren alle möglichen Zusatzservices eingeschlossen. Die Fahrer mussten die Stadt kennen, das Kulturprogramm, sich benehmen können und permanente Aufmerksamkeit zeigen. Er nutzte diese Dienste nie, doch in der Obhut eines aufmerksamen Fahrers fühlte er sich einfach besser.
Diesmal wollte er ungestört sein, also schaltete er das elektronische Rauschen ein, das jede Kommunikation nach außen unterband, und ließ sich, lautlos wie in einer Weltraumkapsel, durch die Stadt fahren.
‚Welche Alternativen haben diese Leute‘ fragte er sich, während die Innenstadt mit ihren Bürokomplexen, Protzbauten, Glasfassaden und Grünschneisen an ihm vorbeiglitt. Sie waren zu ihm gekommen, weil sie ein kompliziertes Anliegen hatten. Sie brauchten gute Kontakte in die Politik, und zwar zu den Entscheidern. Sie brauchten ein über Europa hinausgehendes Netzwerk, absolute Diskretion und mussten branchenübergreifend arbeiten. Er ging die Möglichkeiten durch und stellte fest, dass sie ihn zumindest mehr brauchten, als er sie. Ja eigentlich, dass sie ohne ihn gar nicht auskämen, gerade jetzt, nachdem sie ihn in ihre Pläne eingeweiht hatten.
In einigen Tagen wollten sie ihn zu einer Exkursion einladen, ihm ihr Programm vor Ort vorführen. Sie schienen ihrer Sache demnach sehr sicher zu sein. Das war auch wieder etwas, was er nicht mochte. Diese Selbstgewissheit. Er fand sie schleimig, eigentlich sogar unwürdig.
Während der restlichen Fahrt überlegte er, welche Hebel er in der Hand hatte. Wo musste er zugeben und wo konnte er bremsen, um die Kontrolle zu behalten? Ein politisches Spiel.
Zuhause angekommen hatte er einen fertigen Plan. Es war auf jeden Fall notwendig, weitere Informationen einzuholen, um sicher zu sein, was alles hinter diesen Geschäften steckte und ob es einen Bezug zu illegalen Schiebereien gäbe.
Er notierte sich, morgen früh bei GlobalResearch anzurufen und eine umfassende Ermittlung zu beauftragen. Vor allem, ob es einen Zusammenhang mit dem Attentat in der Sahara vor einigen Jahren und den Plänen dieser Leute gab.
Zufrieden schenkte er sich endlich einen Whiskey ein, legte die Füße hoch und begann, sich auf den Besuch von Eva zu freuen.
Vertrauen – Wien, Philosophieschule
Ebenso zufrieden saß Zhaoming Chiang am Pult des Seminarraumes und sortierte die Vorschläge für Referate zum Thema Vertrauen.
Er hatte in seiner Einleitung die Vertrauenskrise in Europa seit Beginn des Jahrhunderts behandelt, die ihren Ausgang in der Finanzkrise der Zehner Jahre hatte, und er hatte die These vertreten, die Krise hätte sich über den Versuch, verlorenes Vertrauen durch Kontrolle zu ersetzen, nur verschlimmert.
Es hatte dann eine angeregte Diskussion über die Bedeutung von Geld gegeben und die Zeit war viel zu schnell vergangen. Nun lag ein Stapel schnell notierter Referatsideen vor ihm.
Der erste: ‚Untergang des Mittelstandes und Herausbildung großer, staatsähnlicher Konzerne jenseits der Geldwirtschaft am Beispiel von ESCO‘. Ein Interessantes Thema, allerdings sehr wirtschaftlich, wie er fand. Er notierte ‚Gut, aber bitte die Funktion von Geld als vertrauenswürdiges Tauschmittel herausarbeiten‘.
Auf dem nächsten Zettel stand: ‚Wissen statt Werbung – welcher Information kann noch vertraut werden‘. Er musste schmunzeln. Das war tatsächlich eines der ganz großen Probleme ihrer Zeit. Weil jede Information manipuliert werden konnte, glaubte keiner mehr etwas. Eigentlich waren sie wieder in der Steinzeit angekommen.
‚Unsicherheit durch Überwachung - Der Irrtum der Transparenz als Mittel für Vertrauen‘ kam als Nächstes. Er pfiff anerkennend. Transparenz ist ein Mittel der Kontrolle, mit dem Effekt, dass der Beobachtete sein wahres Tun verschleiert. Ein schwieriges Gebiet. Das war von Mia, hätte er sich denken können.
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