ТОП просматриваемых книг сайта:
Eva und das Paradies. Dominik Rüchardt
Читать онлайн.Название Eva und das Paradies
Год выпуска 0
isbn 9783738009972
Автор произведения Dominik Rüchardt
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Eva erstarrte.
„Und das bist du, Eva, Du bist Jasiris Erbin. Du musst das jetzt übernehmen!“
„Ja, aber … Ihr habt das bisher immer gemacht. Das ist Euer Geschäft, ich verstehe davon gar nichts, Ihr wusstet immer Bescheid.“ Eva wedelt immer noch verdattert mit dem Zettel hin und her.
„Wir haben gemacht, was Jasiri uns gesagt hat. Er wusste, was hinter allem steckt, das waren immer seine Angelegenheiten, er war der Chef. Und das bist jetzt Du, Eva.“
Mircos Schlangenblick und Kemals dunkle Knopfaugen durchbohrten Eva und trafen sie mit ungetrübter Härte.
Ein Angriff.
Völlig unvorbereitet traf er sie – Wumms.
Sie war mit Trauer und Verzweiflung beschäftigt. Haltsuchend, schwach.
Aber diese Blicke verlangten etwas ganz anderes von ihr. Hypnotisch bohrend sorgten sie dafür, dass ihr Inneres noch mehr in sich zusammensank und die Welt um sie herum sich zu drehen begann. Der Raum verengte sich und die beiden auf sie einredenden Gesichter von Mirco Nemec und Kemal Deixner wurden vor ihren Augen immer größer und fordernder.
Sie hörte sich noch sagen, sie sei auch nur eine von ihnen, und hörte Mirco antworten, sie sähen das anders, aber da begann ihr Gehirn schon, sich abzuschotten. Eine Schutzhaltung, die sich als Glocke über sie legte.
Dumpf hörte sie die beiden weiter sprechen und argumentieren, doch die Worte prallten ab. Da waren nur große, sich bewegende Münder.
Panik.
Irgendwie schaffte sie es, mit viel Gestammel zu entkommen. Der nächste Moment, an den sie sich erinnern konnte war der, als sie in ihrer und Jasiris Wohnung am Tisch saß. Den Kopf in den Händen vergraben, mit dem Gefühl zu platzen.
Raus.
Sie musste raus. Irgendwie raus. Verstehen, was geschehen war, was das bedeutete. Wer sie noch war und was sie überhaupt wollte. Hier ging das nicht.
Ihr Blick fiel auf einen Zettel, der neben dem Spiegel klemmte. Die letzte Nachricht Jasiris. Ihre Schwester Lydia wollte sie sprechen. Vermutlich wegen ihres schwierigen Kindes.
Eva hatte zu Lydia kaum Kontakt seit ihre Eltern gestorben waren. Egal. Hauptsache weg. Sie nahm ihren Kommunikator, rief gar nicht an, sondern sendete nur eine Nachricht, dass sie gleich komme.
Sie lief auf den Hof, schnappte sich das nächstbeste Farmfahrzeug und fuhr los. Kaum hatte sie den Kernbereich der Farm verlassen, bemerkte sie, dass ihr der Weg nicht einfiel. Sie aktivierte die Zielführung im Kommunikator, die sonst immer abgeschaltet war, und folgte den Anweisungen. Es war angenehm, einfach Anweisungen zu folgen, und so baute sie in dem schmutzigen Farmfahrzeug langsam ihre Verzweiflung ab und ließ etwas Ruhe in ihren Geist einkehren.
Ordnung – Wien, Philosophieschule
„Was sind denn die kritischen Themen, zu denen wir beobachtet werden?“, fragte Felix betont ruhig von der Seite. Sie saßen immer noch in der Cafeteria.
„Als Erstes einmal der gesamte Komplex zur staatlichen Ordnung. Wir pflegen ja immer die These, dass staatliche Ordnung notwendig ist und dennoch zerstört werden muss. Das sollten wir vor den Ohren Dritter nicht so direkt wiederholen.“
„Die Begründung ist aber doch wertfrei und logisch?“, erwiderte Mia. „Der Satz, dass jedes System nur so lange wachsen kann, bis es seine angestrebte Ordnung erlangt, und sich dann entweder das System zerstört oder die Ordnung zerstört werden muss, war für mich ja schon fast eine Erleuchtung.“
„Ja, das ist auch gut so, nur ist es so, dass dieser Satz, angewandt auf die Demokratie, bedeutet, dass diese zerstört werden muss. Wir alle bekommen ja derzeit mit, wie sehr sich unsere politischen und demokratischen Instanzen inzwischen selber im Weg stehen, weil das System so in Regeln erstarrt ist.“
„Genau, das ist es doch, die Parlamente sind ja oft nur noch Erfüllungsorgane von Anwaltsfirmen, die mit viel Macht und Geld Argumentationen konstruieren, denen die Abgeordneten nichts entgegensetzen können!“, warf Felix ein.
„Ja“, Zhaoming wiegelte ab, „sicher, aber wir müssen aufpassen, wie wir diese Diskussion führen, wenn andere Zuhören, die vielleicht anders denken, oder auch die Dinge nur anders verstehen als wir. Es gibt viele, die solche Gedanken als Angriff auf die Demokratie verstehen und daher große Angst davor haben. Und das ist nicht ganz unbegründet. Es ist ja schon so, dass die Demokratie das einzige System ist, das eine eingebaute Kontrollinstanz hat. Durch die Opposition werden die Dinge zwar schwierig, aber dafür auch ständig hinterfragt und, wenn nötig, bei Regierungswechseln auch wieder geändert. Das ist ein sehr hohes Gut.“
„Aber wer ist denn die Opposition bei uns?“, warf Mia ein, „die gibt es doch gar nicht mehr, die Parteien sind doch nur noch Sonntagsredner, die nichts zu melden haben.“
„Ja, mag sein, aber das bedeutet noch nicht, dass wir etwas Besseres anzubieten hätten. Außerdem gibt es noch einen zweiten Grund. Ein grundsätzlicher Angriff auf die staatliche Ordnung führt im Allgemeinen zu einer Gewaltexplosion. Das war so, als sie die Könige entthront haben, das war so, als die Afrikaner die Kolonialherrschaft abgeschüttelt haben, das war so, als sich der Sozialismus in Osteuropa aufgelöst hat, das war so, als Amerika sich aufgespalten hat. Teilweise haben solche Gewaltphasen Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte gedauert. Das ganze zwanzigste Jahrhundert in Europa war durchsetzt von Gewalt, bis hin zum extremen Völkermord im zweiten Weltkrieg. Weil den Menschen die Ordnung abhandengekommen war, konnten die Nationalsozialisten an die Macht kommen. Davor fürchten sich die Menschen. Zurecht.“
Mia lehnte sich irritiert zurück und blitzte Zhaoming Chiang scharf an. „Wollen Sie damit sagen, alles, was wir gelernt haben, stimmt in Wirklichkeit gar nicht? Oder dass Sie ein Theorieheld sind, der kneift, wenn es ernst wird?“
Zhaoming wand sich: „Nun ja, Ersteres ganz klar nein, Zweiteres eigentlich auch nicht, wobei wir das noch einmal zerlegen müssen.“
„Da bin ich aber gespannt.“
„Nun gut. Da geht es jetzt nicht um Wahrheit, sondern um den Umgang mit Wahrheit, oder das, was wir für Wahrheit halten. In Wirklichkeit gibt es Wahrheit ja gar nicht, sondern nur Wahrnehmung, also das, was wir aufgrund dessen, was wir wahrnehmen, für wahr halten.“
Er machte eine kurze Pause, sah aber, dass sowohl Mia als auch Felix ihm konzentriert folgten, also fuhr er fort.
„Sie haben sich doch sicher auch schon einmal die Frage gestellt, ob die anderen die Welt auch so sehen wie Sie selber. Die Farben etwa. Ob nicht andere das, was Sie als Rot sehen, als Grün sehen, dies wiederum aber gar nicht anders kennen, und deshalb sind Sie sich beide einig, dass es sich um Rot handelt. Wir leben also zusammen, wissen nicht wirklich, was die anderen erleben und sehen, aber haben ganz gut geübt, damit umzugehen.
Würden Sie jetzt plötzlich herumrennen und behaupteten, das Rot sei gar nicht rot, sondern grün, würden die anderen Sie für ganz schön verrückt halten.“
Mia und Felix hörten weiter kritisch schweigend zu.
„Und sie würden Sie nicht nur für verrückt halten, sie würden das als Angriff wahrnehmen. Erstens, dass sie selber es immer falsch gesehen hätten, zweitens, dass Sie etwas ändern wollen, was die anderen zunächst gar nicht stört. Sie würden Sie also bekämpfen, auch wenn Sie, Mia, vielleicht recht hätten.“
„Schön, und was haben Rot und Grün mit politischer Macht zu tun?“
„Dass ich den anderen immer nur so viel Veränderung zumuten kann, wie sie vertragen, und ich meine Überzeugung immer so formulieren muss, dass ein Dialog möglich bleibt. Wir sind nicht alleine auf der Welt.“
Dieses Argument beruhigte die beiden einigermaßen und sie machten sich endlich an die Durchsprache ihrer kritischen Zerlegung.
Bei der Schwester – Region