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Sie ist dunkelgrün, vernarbt, braun, mit tiefen Wunden und Tälern voller Güte und Mitgefühl. Ich sehe die Freude und das Leid, das er in seinem Leben erfahren hat. Schwarze Tupfen aus lang vergangener Zeit durchziehen seine Seele; Fehler, die er einst begangen hat und manche davon nun bereut. Blutrote Kleckse aus tief empfundener Liebe schwirren im inneren Nebel umher und mischen sich mit allem, was diesen Druiden ausmacht.

      Langsam ziehe ich meine eigene Seele wieder zurück, lasse sie wieder in meinen Körper gleiten und nehme die Hand von seiner Brust.

      Als ich die Augen wieder öffne und Darius anschaue, zucke ich erschrocken zurück und gebe einen quietschenden Schrei von mir. Seine sternförmige Narbe leuchtet, aber nicht in diesem Rotton, wie sie es tut, sobald er der weißen Hexenkönigin näherkommt, sondern in einem tiefen Schwarz! Es ist ein schwarzes Glimmen, das sich mit nichts auf der Welt vergleichen lässt.

      „Was? Was ist los?“, fragt Darius, reißt die Augen auf und blickt sich um.

      „Die… Deine Narbe!“

      „Was ist damit? Leuchtet sie?“

      Ich nicke und sehe geschockt zu, wie das schwarze Glimmen langsam versiegt. „Ja… Aber nicht rot, so wie bei Roberta.“

      Wissend senkt er den Kopf und fährt mit den Fingerspitzen über den Stern auf seinem Skalp. „Schwarz, wie die Mitternacht.“

      „Woher… Was… Was bedeutet das?“, stammle ich. „Hat es denn wenigstens funktioniert? Spürst du irgendwas?“

      Darius blickt an sich herab, tastet seine Konturen ab und lässt dann die Schultern sacken. „Ich fühle mich nicht anders als sonst.“

      „Aber deine Narbe hat geleuchtet, und ich habe deine Seele gesehen. Irgendwas muss geschehen sein“, sage ich ungeduldig. „Versuch´ doch mal was. Erschaffe einen Schutzkreis um dich herum, so wie Randolf es gemacht hat. Dann wissen wir, ob es funktioniert hat, oder nicht.“

      Der Druide presst die wulstigen Lippen aufeinander und greift nach seinem Druidenstab. Er hebt ihn an, zeichnet mit der Spitze einen Kreis in die Luft und lässt wilde Efeuranken und lianenartiges Gewächs erscheinen. Sie wachsen und wachsen, bis sie ihn schließlich ganz einhüllen.

      „Du sollst keinen Kokon erschaffen, sondern einen Schutzkreis!“, meckere ich und luge zwischen einzelnen Blättern zu ihm hindurch. „Du musst Magie benutzen. Denk an die Elemente oder so. Versuch es mal.“

      Er legt die Stirn in Falten und macht ein angestrengtes Gesicht. Mit seinem Druidenstab wirbelt er weiter durch die Luft und zieht so immer mehr Ranken und Lianen in seinen Kreis hinein. Doch dann sieht es so aus, als würden die Konturen der Blätter ganz schwach anfangen zu leuchten.

      „Ja! Was auch immer du machst, es scheint zu funktionieren! Mach weiter!“, feuere ich ihn an und umrunde seinen Blätterball.

      Das Leuchten wird stärker und im nächsten Moment zischt es und Magie knistert in der Luft. Der Druide benutzt die Art Magie, die sonst nur Hexen zugänglich ist, und erschafft damit einen undurchdringbaren Schutzkreis.

      Und ich habe ihm diese Macht verliehen.

      Begeistert klatsche ich in die Hände und freue mich darüber, dass es funktioniert hat. Das Druidikum wird meine Freude wohl verstärken, denn eigentlich war mir gar nicht bewusst, dass mir so viel an der Weitergabe meiner Kräfte liegt. Aber nun, da ich Darius ebenfalls zu einer Druidenhexe gemacht habe, erfüllt mich dieser Gedanke mit Stolz.

      Langsam lässt Darius den magischen Schutzkreis wieder verschwinden und löst den Wirrwarr aus Lianen und Efeuranken auf. Das blaue Schimmern lässt nach und erlöscht schließlich.

      Reifen knirschen auf der Kieseinfahrt und das Tuckern des Bullimotors ist zu hören. Chris ist zurück.

      Ich wende mich noch einmal Darius zu. „Du hast nun, was du wolltest. Tu mir bitte den Gefallen, und richte den Heerscharen von Druiden aus, dass ich noch etwas Wichtiges zu tun habe. Wenn das erledigt ist, bin ich gerne bereit sie auch zu Druidenhexen zu machen.“

      Kapitel 4

      „Ich weiß auch nicht woran es liegt. Die Karten verraten mir nichts über deine Mutter. Ich bekomme immer wieder nur unsinnige Kombinationen, die keinen Sinn ergeben“, sagt Naomi mit enttäuschter Miene, als ich ins Haus zurückkehre. „Sowas habe ich noch nie erlebt.“

      Ich blicke über die Tarotkarten, die den halben Esstisch einnehmen. Der Gehängte, der Magier, Rad des Schicksals, König der Stäbe. All das sagt mir nichts. „Ist schon okay. Du hast es versucht, danke dafür.“

      Sie seufzt, zuckt mit den Schultern und schiebt die Karten zusammen. „Aber ich nehme sie mit, falls wir unterwegs nochmal draufschauen wollen.“

      „Wir sollten uns beeilen, meine Wächter sagen mir, dass die ersten Druiden schon ganz in der Nähe sind“, ruft Kitty uns aus der Küche zu und hievt die volle Reisetasche mit Snacks auf die Kücheninsel. „Wenn wir noch vor ihrer Ankunft von hier wegwollen, dann müssen wir in den nächsten fünfzehn Minuten los.“

      Ich nicke ihr zu und spurte nach oben zu Chris ins Schlafzimmer. Auf dem Bett liegt ein offener Koffer, in den mehrere Jeans, Hemden, Socken und ein Stapel Unterwäsche ordentlich hineingepackt wurden. Chris steht vor dem offenen Kleiderschrank und blickt suchend hinein.

      „Wir müssen uns beeilen. Die Druiden sind bald da“, lasse ich ihn wissen und husche an ihm vorbei zu meinem eigenen Schrank. „Stell dir vor, ich habe es tatsächlich geschafft, Darius diese magische Kraft zu verleihen, Chris! Es war eigentlich ganz einfach. Ich brauchte nur etwas Druidikum und dann habe ich seine Seele berührt.“

      Während ich rede, werfe ich ein paar T-Shirts, zwei Strickjacken und zwei Hosen aufs Bett, wo Chris sie nun etwas hastiger und weniger ordentlich in den Koffer packt.

      „Ich konnte seine Seele richtig sehen, Chris! Sie sieht aus, wie ein vernarbter Nebel mit dunklen Klecksen und Tupfen! Das kannst du dir nicht vorstellen, seine ganze Persönlichkeit war in diesem Seelennebel zu erkennen: Seine Neutralität, sein Mitgefühl und auch sein Ehrgeiz. Es war unglaublich!“

      Ich renne an ihm vorbei ins Bad, hole eine Kosmetiktasche aus dem Unterschrank und stopfe nur das Nötigste hinein: Zahnbürste und Zahncreme, Mascara und Kajal, einen Lippenpflegestift und Waschzeug.

      „Und als ich fertig war, sollte er diesen Schutzkreis aus Lianen machen. So einen, wie Randolf ihn auch gemacht hat. Aber zuerst waren da nur Blätter und Äste, keine Magie, weißt du?“, rufe ich zu ihm ins Schlafzimmer herüber und ziehe ein paar Handtücher für uns beide aus dem Regal. „Doch dann hab´ ich zu ihm gesagt, dass er an die Elemente denken soll. Und dann kam da plötzlich dieses magische Leuchten.“

      Ich halte inne und warte auf eine Reaktion von Chris, doch er bleibt stumm, also gehe ich mit unseren Utensilien beladen zurück ins Schlafzimmer. Er steht mit dem Rücken zu mir gewandt am Bett und wickelt ein Ladekabel auf, um es in einem Seitenfach des Koffers zu verstauen.

      „Hast du gehört?“, frage ich und komme an seine Seite.

      „Hmm-Hmm“, murmelt er und ich bemerke seinen mürrischen Gesichtsausdruck.

      „Was ist los? Ist alles okay?“ Ich lege die Sachen ab, umfasse seine Schultern und zwinge ihn, sich mir zuzuwenden. „Was hast du?“

      Aus schmalen Augen sieht er mich an, eine tiefe Zornesfalte thront über seiner Nasenwurzel. „Ich habe mich verwandelt, um durch den Wald in den Nachbarort zu rennen. Aber es war anders.“

      Verwirrt blinzle ich ihn an. „Wie meinst du das? Was war anders?“

      Er spannt die Muskeln seiner Arme an und formt die Hände zu Fäusten. „Ich hatte Pfoten, richtige Pranken! Wie ein typischer Werwolf, Scarlett!“

      Ich sauge scharf die Luft ein. „Was? Nein, das kann nicht sein! Deine Familie hat seit Generationen keine Pfoten mehr!“

      Er zieht eine Augenbraue hoch. „Das weiß

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