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Der Elefanten-Tempel. Катя Брандис
Читать онлайн.Название Der Elefanten-Tempel
Год выпуска 0
isbn 9783847612124
Автор произведения Катя Брандис
Издательство Bookwire
Ricarda mochte es nicht, wenn er sie so ansah. So gönnerhaft, fast herablassend. Und dabei war sie zwei Jahre älter als er! „Ich werde in Thailand bei einem Elefantenprojekt mithelfen“, entfuhr es ihr. Erschrocken lauschte sie den Worten nach, hatte sie das eben wirklich gesagt?
Severin hörte auf zu kauen. Ein kleines Stück Salami hing an seinem Mundwinkel. „Äh, wie bitte?“
„Hab gerade was im Internet entdeckt“, sagte Ricarda und ärgerte sich, weil es so entschuldigend klang. „Man kann als Helfer dabei sein, mit Elefanten arbeiten. Ist gar nicht so teuer.“
Jetzt sah Severin nicht mehr herablassend aus, sondern einfach nur noch ungläubig. „Prima, das ist schön, aber jetzt mal im Ernst, du?“
Ricarda antwortete nicht, drehte sich einfach um und ging in ihr Zimmer zurück.
Du.
Kurz darauf hörte sie im Erdgeschoss die Tür klappen, die tiefe, immer etwas heisere Stimme ihres Vaters mischte sich mit der ihrer Mutter. Severin hatte es auch mitbekommen, er rumorte hektisch in seinem Zimmer, fuhr wahrscheinlich schnell den Computer herunter – erst später, wenn alle schliefen, würde er ihn wieder anmachen.
Ricarda horchte in sich hinein. Ja, da war sie, die Sehnsucht, es fühlte sich an wie ein Ziehen im Bauch. Sie hatte die Bilder in ihrem Kopf, stellte sich vor, wie es wäre, dort in Thailand. Mit diesen gewaltigen, sanften Tieren zusammenzusein, ganz nah, ganz vertraut. Doch es war auch ein bisschen so, wie von einer Karriere als Popstar oder Model zu träumen. Fern. Unwirklich. Als Traum ganz toll, aber in Wirklichkeit?
Der Gedanke, sich allein in Asien durchschlagen zu müssen, war der pure Horror. Lilly, eine ihrer besten Freundinnen, hatte so was gemacht, sie war in den Sommerferien nach Namibia geflogen, um dort vier Wochen lang Geparden zu betreuen. Doch Lilly war ganz anders – total chaotisch, aber mutig, sie fand nichts dabei, sich einfach in so eine Sache reinzustürzen.
Mit Gedanken an Thailand im Kopf schlief Ricarda ein.
Und stellte fest, dass sie noch da waren, als sie aufwachte.
Doch das normale Leben ging weiter. Ricarda übte Querflöte und verzweifelte fast an einer schwierigen Stelle von Bachs C-Dur-Sonate. Severin lieh sich ihren Taschenrechner und schloss sich in seinem Zimmer ein, weil er die letzte Mathearbeit verhauen hatte. Jemand ließ in der Schule die Luft aus den Reifen aller Fahrräder und wurde erwischt, als er es am nächsten Tag wieder versuchte. Sofia feierte ihren 17. Geburtstag im Jugendzentrum, mit fast vierzig Freunden, einer Disco-Kugel und dröhnenden Bässen. Ricarda fühlte sich ein bisschen eingeschüchtert von der übermütigen Menge – Wahnsinn, wie viele Leute Sofia kannte! – und überreichte Sofia in einem halbwegs ruhigen Moment ihr Geschenk, ein T-Shirt, das sie selbst am Computer entworfen hatte. Tagelang hatte sie an dem Design gebastelt und dafür ein Foto von Sofia bei einer ihrer Mofa-Fahrstunden verfremdet.
„Das ist total cool geworden“, sagte Sofia und drückte Ricarda so fest, dass ihr fast die Luft wegblieb. „Ziehe ich gleich morgen in der Schule an!“
Das vergaß sie zwar, aber dafür hatte sie das T-Shirt an, als sie sich am Tag danach bei Ricarda zum Pizzabacken und DVD-Gucken trafen. Zusammen kneteten sie Teigfladen und erfanden wilde Rezepte für den Belag.
„Kein Zweifel, ich bin die schrecklichste Köchin der Welt“, stöhnte Sofia und schob ihr Stück mit dem Kokos-Rosinen-Tomaten-Belag weg.
„Bist du gar nicht.“ Sofort schnitt Ricarda ihre eigene Pizza in der Mitte durch und reichte Sofia die eine Hälfte rüber. „Hier, du kannst was von mir abhaben. Äh, wenn dir Basilikum-Mozzarella mit Pinienkernen schmeckt.“
„Klingt toll, von der wollte ich sowieso probieren.“
„Alles, was sich als nicht essbar erweist, dient einem guten Zweck, ich nehme es für Hermine mit“, verkündete Lilly fröhlich. Ihr Vater hatte in seiner Tierarztpraxis gerade ein junges, immer hungriges Schwein in Pflege. „Sind alle satt? Wie wär´s jetzt mit dem ‚Herrn der Ringe‘?“
Spät in der Nacht, als Sofia und Lilly wieder weg waren – das Haus roch immer noch nach warmem Teig und Tomatensauce –, checkte Ricarda ihre Mails. Und klickte wieder auf die Website des Elefanten-Projekts. Nachdem sie ihren Traum ein paar Tage mit sich herumgetragen und gut gehütet hatte, erschien er ihr nun wirklicher, ein bisschen weniger verrückt.
Vielleicht könnte Lilly mitkommen nach Thailand, fiel es Ricarda ein. Oder Sofia. Bestimmt kann ich Sofia überreden, dass sie mitkommt! Zu zweit ginge es und es wäre auch viel lustiger. Warum hatte sie nicht schon viel früher daran gedacht? Sie entschied sich, es gleich morgen anzusprechen. Auf einmal war die Aufregung zurück, das kribbelige Gefühl in ihrem Magen. Konnte es sein, dass ihr Traum keiner war? Sondern ein richtiges Projekt, eins, das man verwirklichen konnte?
In der Schule lief alles wie sonst. Doppelstunde Französisch, das war ein Heimspiel; Ricarda konnte in Ruhe überlegen, wie sie Sofia und Lilly den Trip schmackhaft machen konnte. Aufgerufen wurde sie schon längst nicht mehr, Frau Schneider-Thäles wusste, dass Ricardas Französisch besser war als ihr eigenes. Dafür hatten die vielen Nachmittage früher bei Oma Hélène gesorgt. Papa sprach zu Hause selten Französisch, aber dafür wurde jeder Urlaub gnadenlos bei der Verwandtschaft in Frankreich verbracht.
„Alles klar mit dir?“ In der Pause legte Sofia ihr den Arm um die Schultern und drückte sie. „Ich dachte, in Französisch schläfst du jeden Moment ein.“
„Einschlafen? Nee, ich hab nachgedacht.“ Ricarda ergriff die Gelegenheit. „Sagt mal, wart ihr schon in Thailand?“
„Meine Eltern waren vorletztes Jahr in Vietnam, das ist quasi nebenan.“ Lilly zog die Mundwinkel nach unten. „Leider wurde ich währenddessen im Zeltlager geparkt!“
Sofia schloss genießerisch die Augen. „Tolle Strände, Palmen ... hm, ja. Nach Thailand würd ich schon gern mal fahren.“
„Da, wo ich hinwill, gibt´s leider keinen Strand, aber dafür ... äh, Teakwälder und Tempel ...“
Na toll. Das hatte sie versaut. Warum hatte sie nicht gleich noch erwähnt, dass es auch keine Palmen gab im Norden Thailands, dort wo das Elephant Refuge war?
„Klingt auch gut. Warum willst du gerade da hin? Und hat das vielleicht was mit dem Foto-Link zu tun, den ich dir neulich geschickt habe?“ Lilly ließ die Augen durch die Pausenhalle schweifen, schaute sich wahrscheinlich nach einer leeren Sitzecke um. „Ach übrigens, die Pizza-Reste haben Hermine sehr geschmeckt. Jetzt hat sie leider keine Lust mehr auf die üblichen Kartoffelschalen. Sag mal, kann ich deine Physik-Hausaufgaben abschreiben, Sofia?"
Sofia strich sich die dunklen Locken zurück und kramte in ihrer blauen Stofftasche, die mit Dutzenden von Buttons dekoriert war. „Ja, klar. Mensch, das war doch gar nicht schwer, das hättest du selber hingekriegt.“
„Haha, das sagst du! Ich hätte bis Mitternacht an diesem Mist herumgeknobelt.“
Sie hörten gar nicht richtig zu. Ricarda merkte, dass ihre Stimme noch leiser wurde als sonst. „Es gibt da ein Elefantenprojekt ... bei dem ich gerne mitmachen würde. In den Sommerferien ... meine Mutter arbeitet ja für Lufthansa, die könnte bestimmt günstige Flüge besorgen ... es wird also nicht so teuer ...“
Doch, sie hatten sehr wohl zugehört. Und jetzt tauschten sie einen schnellen Blick. Aha, ihnen ging wohl etwas Ähnliches durch den Kopf wie Severin gestern. Immerhin waren sie so nett und sprachen es nicht aus.
„Hey, das klingt cool.“ Lillys blaue Augen blitzten, ihr breiter Mund verzog sich zu einem Lächeln. „In Thailand? Ich glaube, da gibt es noch ziemlich viele Elefanten. Wilde und zahme. Hab mal gelesen, dass manche Familien die wie Haustiere halten.“
Sofia musste lachen. „So ein Riesenvieh frisst mehr als ´ne Katze. Die thailändischen Kinder müssen ihre Eltern bestimmt lange nerven, bis irgendwann ein Elefant mit einer roten Schleife um den Bauch vor dem Haus steht.“
Ricarda gab sich einen Ruck. „Hättet