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Der junge Goedeschal. Ханс Фаллада
Читать онлайн.Название Der junge Goedeschal
Год выпуска 0
isbn 9783752999341
Автор произведения Ханс Фаллада
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er taumelte. Wie von einem rasenden Zug aus gesehen enttauchten Häuser grell beleuchtet dem Dunkel und entzogen sich mit einer eigenwilligen und düsteren Gebärde seinem Blick. Kein Ruhepunkt! Stolpernd, vornüber fallend, fing er zu laufen an, streifte an Wänden vorbei, deren Poren einen klebrigen Schleim abzusondern schienen, ein O-förmiger Torbogen suchte ihn anzusaugen, die Luft war erfüllt von einem verdeckten, durchdringenden Geruch, der ihn zittern machte, aber da war die Brücke, der Park, er eilte unter Bäumen, das Eis einer dünn überzogenen Pfütze zerklirrte an seinem Schuh, eine Bank und nun ein Zusammensinken, ein Stillwerden.
»Wovor bin ich geflohen? Wer jagte mich? Was war das? Bin ich krank? Werde ich wahnsinnig? Was frisst an mir und empört mich gegen mich? Diese sich hebenden Fleischmassen, atmend, bedrängend, duftend! – Da ist es wieder!«
Er sah ins Dunkel. Irgendwo schlug der Wind einen losgebrochenen Ast trocken hölzern gegen seinen Stamm. »Nein, schon wieder fort, es läßt sich nicht fangen. Es bestürmt mich, macht mich rasen und ist von neuem verschwunden.«
Ein ungewisser Schein zeichnete auf dem Boden die Schatten der Äste über ihm, sein Fuß tastete dem einen nach und fand sein Bild plötzlich versickert, geendet. »Unbegreiflich, und doch – dies alles hat eine Wurzel: Erna, Ilse, der Junge, die Brüste. Aber ich begreife es nicht. Damals, als ich nichts wußte – aber jetzt? Damals, als ich entdeckte, daß die Frauen nicht so sind wie wir, anders gebaut. Habe ich nicht alles darüber nachgelesen im Meyer? Und nun? Was denn noch? Gibt es noch anderes? Oder muß dies so sein? Eine Krankheit, die jeden packte?«
Er hob sein Gesicht zum Himmel, stand auf; dann, rasch sich im Kreise drehend, griff er zu, und: »Ja, so war es. Sie flüsterten von Periode damals, in der Pause, auf dem Lokus. Dies wäre dann die Periode?«
Er setzte sich wieder, überlegte, rief Gesichter: Arnes, Klotzschens, das seines Vaters. »Nein, unmöglich, sie so aussehend, dem ausgeliefert! Unmöglich! Also ich allein? Ich allein krank an einer unnennbaren Krankheit, von der ich nie sprechen kann? Was wäre zu sagen? Nichts. Alles zu verbergen!«
In der Ferne sprang der Motor eines Autos an, erst ungleich, dann regelmäßig schlagend warf er zwischen die Bäume die Strophen eines Liedes von unfaßbarer Sicherheit. Kai strich mit der Hand durch die Luft, rasch, wieder und wieder. »Nein! Nein! Nicht für mich! Was denn nun? So, immer so weiter? Nein, nicht so weiter! Immer tiefer hinein, ich fühle es wohl. Bin ich nicht schon ganz gefangen, ganz vergiftet?«
Er horchte. Alles war still geworden, nur der Wind hämmerte seine trockene Melodie, irgendwo dorthinten. »Keine Rettung. Nirgends.«
Seine Arme hängen lassend, übergab er sich ganz der bitteren Stimmung tiefsten Entmutigtseins. Seine von Eiswasser gefeuchteten Füße schmerzten. Hier, so allein mit dem Wind und den namenlos fremden Bäumen, schien er sich der einzige Mensch auf der Welt.
Nein, nicht der einzige: rasche Schritte wurden laut, er schob sich zurück, eine Frau, ein Mädchen kam, unsicher spürte er ihren Blick nach ihm tasten, dann war sie vorüber. Kai sprang auf. Plötzlich fühlte er es: »Sie, sie weiß alles, sie, die dort geht, kann mir helfen. Ich muß nur den Mut haben, sie zu fragen, anzuflehen, dann bin ich gerettet. Und ich habe den Mut.«
Er stürmte los, er stolperte über Schneehaufen, vorn ihre Gestalt, er raste, er fühlte nichts als seinen Lauf, näher, näher. Sie warf den Kopf herum, spähte nach dem springenden Schatten und schrak zusammen. Aber schon war er heran, stolpernd umklammerte er ihre Arme, hinfallend hielt er sich an ihrem Kleid. »Sie! Sie! Hilfe!«
Da riß sie sich von ihm los. Er sah ihr erschrockenes Gesicht, einen halb geöffneten Mund, in dessen Feuchte ein Schrei ertrunken zu sein schien, dunkle Augen, deren klein gewordene Blicke über ihn weg in die Nacht irrten, aber schon war sie fort, und nun in der Ferne brach es aus ihr, spitz, überschlagend und dann lang wimmernd: »Hilfe! Hilfe! Hilfe!«
Er stand, strich mit den Händen über seine durchnäßten Knie. »War ich das? Was schreit sie? Ich habe sie erschreckt ... Auch sie schreit nach Hilfe, nach Hilfe vor mir. Was nun?«
Aber Rufe, näherkommende Schritte zwangen ihn zur Eile, er lief den Weg zurück, dort seine Bank, nun der hallende Schritt auf den sandgestreuten Platten der Straße, ein Platz, wieder Straßen, dort eine elektrische Bahn. »Seltsam! Noch immer fahren sie, so viel ist geschehen und noch fahren sie!«
Dann das Haus, der Schlüssel will nicht greifen, schon meint er den hastigen Schritt der Verfolger zu hören, da empfängt ihn das beruhigende wärmere Dunkel der Vorhalle, die Treppe, die er schleichend emporklimmt, um die Eltern nicht zu wecken, und nun sein Zimmer. Schon ist es erhellt, Menschen, Welt liegen hinter den gelben Vorhängen, und was um ihn ist, ist sein.
8
Er griff ein Buch aus den Reihen, schlug es auf, blätterte, las diesen und jenen Satz. Sein Wortsinn schien gleichgültig, tiefer tastend fühlte er: »Es sagt nur, daß ich zu Haus bin. Du dort hinten, du Ferne, du Erschrockene, und ihr, die ihr nach mir jagtet, bleibt draußen. Hier – der Schrank, der Sekretär, wieder umringt ihr mich und jenes fernere Leben, von dem ich Rettung erflehte, bleibt hinten.«
Er schlug die Vorhänge zurück. Auf dem Güterbahnhof glänzten die gleichgültigen Sterne der roten und grünen Lampen. Anfahrende Rangierlokomotiven schrieen aufgeregt, schwiegen, und nun ertönte das rasche, trockene Klappern der abgestoßenen Wagen. »Dort arbeiten sie. Die kleinen Pfiffe der Rangiermeister, ihr Laufen nach den Weichen, die zurückfallenden Kuppelungen der Wagen betreffen mich nicht. Sie alle, die dort draußen arbeiten, lachen und schlafen, haben nichts mit mir zu tun. Ich bin frei! Kein Weg führt von ihnen zu mir. Ich kann sie um Hilfe anflehen, Böses kann ich ihnen tun, sie verfolgen mich, aber am Ende bin ich doch immer hier im Geborgenen – allein. Verantwortungslos. Unerreichbar. Unsere Leben sind so getrennt, daß ich sie töten könnte, und nicht einmal das klebrige Gerinnsel des Blutes schüfe eine Brücke zwischen uns.«
Er ließ die Gardinen fallen, schob ihre Falten zurecht. Dem sich Umwendenden sprangen wieder die altbekannten, ruhigen Dinge entgegen.
Er entkleidete sich. Im Bett liegend, im Dunkel, fand er den Schlaf nicht. Den vergessenen Aufruhr des Körpers meinte er im Geist sich erneuen zu fühlen. Eine lässige Schwere dehnte seine Glieder in die Länge und rieb ihre Haut gegen die erhitzte Glätte der Laken. »Genügt ihm sein Sieg noch nicht? Immer noch nicht? Was hat er aus meinem Körper gemacht, scheinen nicht alle Glieder verwandelt?«
Er warf sich herum; das Kissen gegen seine Brust pressend, sein Gesicht darin vergrabend, meinte er das gleichmäßige Wogen ferner Wellen zu fühlen, schlanke Schiffe schaukelten im dunkelblauen Wasser eines Hafens, und ihre bewimpelten Masten neigten sich gegeneinander. »Ich werde hinuntergehen, in den Salon, und im Stehspiegel mich ansehen.«
Er hob den Kopf, lauschte in das Dunkel, die Augen weit aufgerissen horchte er auf zwei Stimmen, die sich begegneten:
»Welch Wahnsinn! Was für ein Vorschlag!«
»Ich bin verändert, eine Krankheit verzehrt mich. Vielleicht finde ich ihre Male und bin gerettet.«
»Jetzt in der Nacht! Die Treppen hinabschleichen, unten in nächster Nähe das Zimmer der Eltern!«
»Keiner hört es, ich werde nackt sein.«
»Habe