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Ein Mann will nach oben. Ханс Фаллада
Читать онлайн.Название Ein Mann will nach oben
Год выпуска 0
isbn 9783753126357
Автор произведения Ханс Фаллада
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Der alte Busch wurde unruhig von all den Frauen und ihrem Geschwätz. Er suchte nach seiner Mütze und verschwand, aber heute hinderte ihn Rieke nicht. Sie hätte ihm sogar noch eine Mark zugesteckt, wenn er darum gefragt hätte. Nimmermüde führte sie die Maschine vor, erklärte die Vorzüge des Rundschiffchens vor dem Langschiffchen, und wurde dabei immer rotbackiger und aufgeräumter. So fand sie Karl Siebrecht, als er von seiner Zeichenstube nach Hause kam. Die letzte Besucherin hatte sich verlaufen, und Rieke saß, schachmatt, aber selig, vor ihrer Maschine. »Karle«, sagte sie und kam ihm langsam entgegen. Sie legte ihre Hände auf seine Schultern. »Karle, det is mein schönster Tag! Die Maschine is da, und alle haben se mir bewundert, Karle, heute bin ick janz glücklich ...«
»Das ist großartig, Rieke! Ich freu mich auch, über dich!«
»Ja, Karle, und det det so jeworden is, daran bist alleene du schuld. Seit ick dir in eure Kleinbahn sah – weeßte noch die ulkichte Nudel mit ihre Notbremse? –, seitdem jeht det jut bei uns!«
»Ach, Rieke, rede nicht! Was habe ich wohl mit der Maschine zu tun?! Die hättest du auch ohne mich angeschafft! War übrigens der Hagedorn selber hier?«
»Och!«
»Und ging alles glatt? Hat er nicht nach deiner Mutter gefragt?«
»Ach der! Der kann ville fragen – for den weeß ick imma 'ne Antwort. – Nee, Karle, red nich, ohne dir war det mit de Maschine nischt jeworden. Es ist nich bloß von wejen deinem Kostjelde, trotzdem det ville hilft. Nee, nich bloß darum. Es is von wejen die Kurage – seit ick dir kenne, ha ick 'ne janz andere Kurage im Leibe. Det is et.«
»Ach, Rieke, das beruht ganz auf Gegenseitigkeit! Ich freue mich immer auf dich, wenn ich abends nach Hause gehe.«
»Tust du det, Karl? Wirklich? Det is fein, det hätt ick nie von mir jedacht! Ick bin doch bloß 'ne unjebildete Berliner Krabbe aus 'm Wedding, aber det is jut. Det macht mir Laune! – Und nu hör zu, Karl«, ohne weiteres ging Rieke Busch von den Gefühlen zur praktischen Seite des Lebens über, »ick wollt ja eijentlich erst zu Neujahr mit die Näherei for Feltens in de Jerusalemer Straße anfangen, aber ick habe mir det anders übalegt. Det sind noch elf Tage – wat soll ick de neue Maschine unjebraucht stehenlassen? Ick mache schon morgen bei Feltens, und wenn de Zeit hast, denn kommste mit. Det is ne janze Wucht Stoffe, die ick da kriege, die schaff ick nich alleene. Wenn de mir die buckeln hilfst, Karle, det soll mir ooch uff 'ne Molle nich ankommen, junger Mann!«
»Natürlich, Rieke, helf ich dir, und die Molle spendiere lieber dem Vater. Wo ist er denn? Schon wieder weg? Vater wird immer geheimnisvoller, um den müssen wir uns mal kümmern.«
»Recht haste, Karl, man müßte bloß mehr Zeit haben. Also morjen zittan wa bei Feltens.«
Und so zitterten sie denn am nächsten Tage wirklich zu Feltens. Karl Siebrecht entdeckte, daß auch bei dieser Firma schon alles auf eine Frau Friederike Busch vorbereitet war, aber zur Beruhigung seines Gewissens brauche er hier nichts zu bestätigen, er mußte auch nicht den großen Bruder spielen. Nur als sich die Haufen zugeschnittener Mantelteile immer höher vor Rieke auftürmten, meinte Herr Feiten unzufrieden: »Deine Mutter hätte auch gut mitkommen können, Kleine. Das schafft ihr beide nicht – ihr schmeißt mir die Stoffe bloß in den Schneematsch!«
»Det schaffen wa alles, Herr Feiten«, antwortete Rieke ungerührt. »Wat denken Se, wat ick for Kräfte habe! Und mein Freund erst – der is nämlich uff 'n Zeichenbüro. Bauzeichner ist der –« Nun ist allerdings nirgendwo bekannt, daß Bauzeichner über sonderliche Kräfte verfügen müßten, aber so frei Rieke von jeder Eitelkeit für die eigene Person war, so stolz war sie auf ihren Freund. Sie harrte das übrigens gleich wieder vergessen, sie stürzte sich in einen zornigen Streit mit Herrn Felten, der ihrer Ansicht nach nicht genug Nähgarn herausgeben wollte. »Det jibt et nich, Herr Felten!« rief sie schrill. »Mir können Se nich belackmeiern! Drei Rollen Garn uff fuffzehn Mäntel?! Bei Sie piept's wohl?! Uff zehn Mäntel drei Rollen, und det is schon wenig, manche geben ooch vier Rollen uff zehn Stück!«
»Das hier sind aber alles Kindermäntel!«
»Als wenn ick det nich wüßte! Jlooben Sie, Sie haben alleene Oogen int Jesichte?! So blau! Nu her mit's Jarn, Männecken, noch zehn Rollen, sare ick ...«
Zu Anfang waren Karl Siebrecht solche Auseinandersetzungen seiner Rieke recht peinlich gewesen. Er war mit einem gewissen Feinheitstick aus seiner Kleinstadt nach Berlin gekommen, aber er hatte rasch begriffen, daß, was in der Kleinstadt galt, hier noch lange nicht genügte. In Berlin mußte man schimpfen können, wer da dachte, mit flüsternder Vornehmheit sich zu behaupten, der lag schon unter dem Schlitten. Eine beliebte Redensart Riekes war es, daß fein von dünn kommt und: dünn toogt nischt, dünn reißt imma! So hörte Karl Siebrecht jetzt auch den Streit zwischen Rieke und Herrn Felten mit stillem Vergnügen an, fest davon überzeugt, seine kleine Freundin werde schon zu ihrem Recht kommen. So wurde es auch. Herr Feiten legte zwar keine zehn, aber er legte doch sechs Rollen zu. Beide grollten leise nach, und doch war beiden anzumerken, daß sie nicht unzufrieden waren und daß keines dem anderen böse war. Nur als die Stoffberge nun in zwei große schwarze Schneidertücher eingeschlagen waren, als Rieke und Karl sie auf den Rücken nehmen wollten, erwies sich, daß hier Herr Feiten recht gehabt hatte: die Last war zu schwer. »Ich habe es ja gleich gesagt«, meinte Herr Felten, überlegen lächelnd, »ihr schafft das nicht; ihr hättet eben die Mutter mitbringen sollen!« Er war aber durch seinen Sieg gnädig gestimmt. »Dann soll euch für diesmal der Laufbursche die Mäntel mit dem Lieferrad hinfahren – aber nur diesmal, verstanden? Ausnahmsweise! Sonst ist Abholen und Bringen eure Sache!«
»Vasteht sich, Herr Chef!«
»Franz!« schrie Herr Felten. »Franz, komm mal her!« Aber kein Franz rührte sich in den dunklen Tuchgewölben. »Wo der Bengel bloß mal wieder steckt?! Der schläft auch ewig! Ich will doch mal sehen –« Herr Felten ging auf sachten Sohlen in die immer tiefere Dunkelheit zwischen den düsteren Stoffregalen, und auf sachten Sohlen folgten ihm Rieke und Karl Siebrecht. Leise öffnete der Chef die Tür zu einem Verschlag, und da lag nun, matt von einem nur halb vorhandenen Gasglühstrumpf beleuchtet, der Botenjunge der Firma Felten. Aus Stoffballen, aus dem schönsten Aachener Samt, hatte er sich eine Lagerstätte bereitet, da schlief er, sanft und selig, in allem Dreck und Speck seiner völlig ungewaschenen siebzehn Jahre, aber wahrhaft fürstlich zugedeckt, wiederum mit Aachener Samt. Herr Felten war so erschrocken, daß ihm die Arme sanken. »Mein schöner Samt«, flüsterte er. »Zehn Mark der Meter – und dieser Schweinekerl legt sich ...«
Zum Schaden des Schläfers verwendet man in der Konfektion noch Maßstäbe, die aus hartem Holz geschnitten und auf einen Meter geeicht sind. Der Gedanke an den hohen Preis seines Aachener Samts hatte die Arme des Herrn Felten elektrisch belebt, ein Meterstock war zu Hand gewesen und fing schon an zu tanzen. Mit einem Schrei fuhr der Junge von seinem Samtlager hoch und begann zu springen unter dem Stock, der auch sprang. »Herr Felten, lassen Sie das!« jammerte er. »Herr Felten, ich bitte Sie! Herr Felten, mir war so kalt! Herr Felten, ich lasse mir das nicht gefallen!«
Aber der Stock tanzte unbarmherzig weiter, und in dem engen Käfterchen gab es kein Entrinnen für den Jungen. »Zehn Mark –« stöhnte Herr Felten. »Warte, Franz, dir will ich schon heiß machen! Bei mir sollst du nicht frieren! Zehn Mark, und legt sich mit seinen dreckigen Schuhen darauf –« Die letzte Erwägung verlieh Herrn Feltens Armen besondere Kraft, der Stoff pfiff nur so durch die Luft,