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Kind nicht mehr die Notwendigkeit, mehr zu tun als das Nötigste. Somit unterstellt es sich den Eltern, die automatisch Macht über es haben. In Afrika musstest du früher als Mann spätestens mit 17 das Haus der Eltern verlassen und wegziehen. Manche sahen ihre Eltern und Kinder nie mehr, aber sie waren trotzdem durch diese magische Liebe liiert. Die Eltern waren zufrieden und stolz darauf, dass sie dem Kind alles das gegeben hatten, womit es alleine erfolgreich sein Leben meistern kann.

       Johnny : Aber es ist nicht bei allen Familien so, oder?

       Coach Camara: Oh nein! Das wäre schlimm! Nein, es ist ganz klar nicht bei allen Familien so. Sie werden sehen, dass Menschen, die gesunde Erfolge haben, denen es ganz gut geht und die glücklich sind, die mehr geschafft haben als die Eltern, ein ganz klares Verhältnis und eine klare Grenze zu ihren Eltern haben und auch umgekehrt. Das sind Familien, in denen Probleme nicht unter den Tisch gekehrt werden, damit Frieden mit allen Mittel herrscht, sondern Familien, die Auseinandersetzungen nicht scheuen. Sie habe sich nichts vorzuwerfen und gehen offen mit Differenzen und Auseinandersetzungen um. Deswegen können sie auch harte Meinungsverschiedenheiten durchdiskutieren und zur Not auch, falls keine befriedigende Lösung für alle gefunden wird, eine Zeitlang Abstand voneinander nehmen, ohne Angst zu haben, dass die Familie zerstört wird. Das ist sehr gesund und sehr wichtig für die Entfaltung jedes einzelnen Mitglieds der Gruppe. Das sind Familien, in denen die Eltern die Kinder losgelassen haben. Wenn solche Eltern das Ergebnis ihrer Arbeit sehen, sind sie zufrieden. Sie wissen, dass sie keine Leichen im Keller haben und haben eine entspannte Beziehung zu ihren Kindern. Liebe allein reicht nicht, um ein Kind von psychischen Beschwerden fernzuhalten. Man muss miteinander ehrlich sein.

       Johnny : Wie sieht dieses Ergebnis aus?

       Coach Camara: Man erkennt einen guten und gesunden Baum an seinen Früchten und umgekehrt. Das heißt, diese Eltern sehen stolz, wie sich ihre Kinder ohne ihr Zutun, bzw. nur mit marginaler Hilfe, durch das Leben schlagen. Die Kinder sind selbstständig und eigenständig. Sie sind sich der Liebe der Eltern sicher und deswegen brauchen sie sie (Eltern) gar nicht so unbedingt in der Nähe. Sie sind einfach glücklich und seelisch gesund. Das allein ist der Maßstab, ob die Arbeit als Eltern erfolgreich war oder nicht. Ob sie wirklich den Kindern das mitgegeben haben, was sie brauchen, um sich nun allein, mit ihren eigenen Mitteln, in diesem harten Leben durchzusetzen und glücklich zu sein. Ja, glücklich zu sein. Das ist alles, was zählt. Ein glückliches Kind ist sich der Liebe seiner Eltern sicher und braucht deswegen als Erwachsener die Eltern als Versorger kaum noch.

       Johnny : Ich habe den Eindruck, Herr Camara, dass Sie von mir reden.

       Coach Camara: Hören Sie auf mich ständig zu unterbrechen. Ich war noch nicht fertig mit den glücklichen Kindern. Ja, glückliche Kinder sind frei von der anhänglichen, kindischen Eltern-Kind-Beziehung und sind stark in der neuen Form der Beziehung Eltern-Erwachsener. Aus dem Kind wird nun Sohn oder Tochter, aus den Eltern werden Vater und Mutter und nicht mehr Papa und Mama. Die Eltern müssen dafür sorgen, dass dieser Beziehungswechsel von der alten Form zur neuen Form reibungslos vorgeht. Die Eltern sollten die Kinder sehr sorgfältig loslassen, nicht zu früh und nicht zu spät, und am Ende sollte man das Kind freigeben, wie unsere Mitlebewesen, die anderen Tiere, es tun. Das Kind gehört den Eltern nicht, auch wenn sie es geboren haben. Wie ich schon oben erwähnt habe, du gebärst das Kind aber du gebärst sein Herz nicht. Deswegen ist es sehr wichtig, sein Herz nicht zu beherrschen oder zu versuchen, es zu beherrschen. Man sollte die Kinder als Eltern nicht zu früh oder zu spät allein der Verlassenheit der Welt und der Natur ausliefern und hoffen, dass irgendwie alles gut sein wird. Was einen Mensch stark macht ist nicht nur, was er bekommt, sondern auch was er gibt. Einem Kind muss beigebracht werden, auch zu geben. Kinder, die immer nur bekommen und nicht geben, werden abhängig und unglücklich. Die Eltern sollten mit Geben sehr vorsichtig sein. Materielle Geschenke und besonders Geld machen abhängig, wenn es zu viele sind. Wärme, Liebe, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Zuneigung hingegen machen frei.

       Johnny: Es kling logisch. Bei uns lief es andersherum. Ich glaube, meine Eltern haben unbewusst eine Erziehungsart gewählt, die dazu geführt hat, dass sie mein Herz beherrschten.

       Coach Camara: Nämlich? Ich meine welche Art von Erziehung haben Ihre Eltern gewählt?

       Johnny: Wenn ich heute nachdenke, sage ich mir, dass wir gar nicht richtig losgelassen wurden. Sehen Sie, wie ich in meinem Alter noch sauer auf meinen Vater war, weil er mir kein Haus kaufen wollte? Ich ein Rechtsanwalt. Wir mussten schon sehr früh entscheiden, was wir tun wollen und was nicht. Aber ich frage mich heute, wie kann ein Kind denn schon wissen, was es will und was nicht? Und ist, was es will, auch das, was gut für es ist? Ich gebe Ihnen ein Beispiel: ich will immer Cola trinken und Gummibärchen und Fastfood essen; und, weil ich selbst bestimmen darf, was ich will oder was ich nicht will, und weil sie mir schmecken, kaufe ich mir die auch in Mengen. Wird die Sache dadurch gesünder, weil ich selbst entschieden habe? Wird es mir dadurch gut gehen, weil ich alleine entscheiden konnte? Werde ich, ich weiß nicht von wem, dafür mit schönen Zähnen und toller Figur belohnt? Ich verstehe sehr gut, was Sie meinen, Herr Camara. Ich verstehe es sehr gut. In diesem Beispiel wäre es doch lebenswichtig und besser gewesen, dass die Eltern ihre Autorität benutzten, um mir beizubringen und notfalls zu verbieten diese Sache unvorsichtig zu essen, weil sie ungesund sind. Nun da ich erwachsen bin und Probleme habe, springen sie ein, um mich mit Geld zu unterstützen, damit ich meine kaputten Zähne reparieren und Diätprodukte kaufen kann, damit ich wieder die Figur bekomme, die ich gehabt hätte, wenn sie mir nicht so früh die Macht übergeben. Das ist echt absurd.

       Coach Camara: Ihr Beispiel verdeutlicht ganz gut was ich meine.

       Johnny: Sie stellten uns zu früh auf uns selbst und hofften, dass wir diese Früchte aus diesem gesunden Baume werden. Leider kam alles anders. Je älter wir wurden desto abhängiger waren wir von unseren Eltern. Wir wurden abhängig und immer abhängiger und am Ende blieben wir für unsere Eltern doch nur ihre Kinder. Sie machten unabsichtlich, ich glaube sogar aus Liebe, viele Fehler. Sie ließen uns kaum eine Chance, richtig erwachsen zu sein. Sie wollten uns nur beschützen, aber in einem Alter, in dem wir uns selbst schützen sollten. Als sie uns hätten schützen sollen – mit neun, zehn oder elf, mit 14 oder 15 – ließen sie uns aber frei. Eine verrückte Welt. Es war ein Fehler 21, 25 oder 30 so viel und immer weiter zu unterstützen.

       Coach Camara: Ich glaube nicht, dass das, was Sie Fehler nennen, nur aus reiner Liebe begangen wurde. Da ist auch ein schlechtes Gewissen oder ein Schuldgefühl, das Eltern aber nicht zugeben möchten oder zugeben können und deswegen machen sie alles nur noch schlimmer. Sie bevorzugen es, dieses seelisches Betäubungsmittel anzuwenden: zu viel Fürsorge, zu viel Schutz, zu viel Geborgenheit, zu viel materielle Hilfe, zu viel Beistand. Das ist eine Art Wiedergutmachung. Manche tun das bewusst, aber die Mehrheit tut es unbewusst. Es geschieht einfach. Aber diese Art Wiedergutmachung generiert noch viel schlimmeren Schaden in den Kindern. Es entsteht auf jeden Fall ein Teufelskreis zwischen den Kindern, den Hilfsempfängern oder Bedürftigen und den Eltern, den Helfern. Das wiederum stärkt die Position und Kompetenz der Eltern, die für die Kinder nun unersetzlich sind.

       Johnny: Genau, Herr Camara. Genau das taten sie mit uns. Ich und meine Schwester waren schon so alt, lebten aber immer noch zu Hause, obwohl alle unsere Freunde schon alleine in WGs und Studentenwohnheimen wohnten. Wir hingen immer noch an Papa und Mama. Herr Camara, nun sehe ich alles: lassen Sie mich Ihnen die Situation erklären, wie sie war. Ich kann die Situation ganz gut beschreiben. Ich sehe alles vor meinen Augen: Wir volljährigen Kinder waren die Hilfsbedürftigen und zogen alle Register, um die fehlende Aufmerksamkeit der Kindheit nun doch noch zu erhalten. Wir wurden wieder Kinder. Wir wollten das haben, was wir als Kind hätten haben müssen: Zeit, Aufmerksamkeit, Schutz. In unserem Blick und in unseren Handlung stand: „wir sind so hilflos, wir brauchen Hilfe. Wir schaffen es nicht allein. Bitte helft uns, ohne euch sind wir verloren.“ Die Eltern kamen dann sofort als Helfer und ihre Handlung verstand unser Unbewusstsein so „ja, Kinder lasst uns nur machen,

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