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Kormund begriff nicht, wie Worte

      durch dunkle Tinte und eine Feder auf ein Pergament fließen und von anderen

      Menschen verstanden werden konnten. Er wusste sehr wohl, dass dies die

      Kunst des Schreibens und des Lesens war, doch der Sinn dieser Kunst war

      ihm verschlossen geblieben. Garodem hatte ihm einmal erklärt, dass er auf

      diese Weise Dinge festhalten und für spätere Generationen lesbar machen

      könne. Nun, es war richtig, der Pferdefürst hatte keine Eltern mehr, die die

      Aufgabe übernehmen konnten, ihren Enkeln von der Geschichte ihres Volkes

      zu berichten, aber der Grund, eine schriftliche Botschaft über einen Boten zu

      übermitteln, erschien Kormund trotzdem absurd. Warum sollte dieser ein

      Pergament benutzen, wo er doch einen Mund zum Sprechen hatte? Zwar wäre

      es vielleicht nicht von Übel gewesen, wenn er bei dem toten Reiter des

      Königs eine schriftliche Botschaft hätte finden können, welche Garodem

      wiederum hätte lesen können, aber trotzdem war die Schreibkunst für

      Kormund eine Kunst, für die er keine Zukunft sah, zumal es selbst am Hofe

      des Königs nur wenige gab, die sie beherrschten. Ja, die grauen und die

      weißen Magier, sie mochten diese Kunst benötigen, denn diese weisen

      Männer horteten uralte Schriften, die noch aus den Zeiten der Vorväter

      stammten. Doch was sollte ein Pferdelord mit einem sprechenden Papier, wo

      er einen Mund und eine Klinge hatte, um seine Meinung kundzutun?

      »Ich habe Euch erst in einigen Tagen zurückerwartet«, schreckte der

      Pferdefürst den Scharführer aus seinen Gedanken. »Und es scheint mir, als

      brächtet Ihr sorgenvolle Gedanken mit. Zudem seid ihr ungedeckt, mein

      Freund.« Er wies auf Kormunds Hüfte. »Es sieht mir ganz danach aus, als

      hättet Ihr Verwendung für Eure Klinge gefunden.«

      »Das ist wohl wahr«, erwiderte der Scharführer und entspannte seine

      Haltung. Er trat näher an den Tisch heran. »Wir fanden am Pass zur

      Nordmark einen Toten. Wie es aussieht, einen Boten des Königs. Der Mann

      gehörte dessen Wache an.«

      Garodem kniff die Augen zusammen und lehnte sich in seinem Stuhl

      zurück. »Einen Boten des Königs? Seid Ihr Euch sicher?«

      »Lukan denkt ebenso.«

      Garodem lächelte knapp. »Dann war es auch ein Bote des Königs. War

      etwas zu finden? Eine Botschaft? Irgendein Hinweis darauf, was er hier

      wollte?«

      »Nein, Garodem, mein Herr.« Kormund räusperte sich, und der Pferdefürst

      winkte ihn näher heran und füllte ihm einen Becher mit kühlem Wein. »Es

      sieht aus, als sei er von einem Pelzbeißer angefallen und getötet worden.«

      Garodem nickte. »Und Ihr bezweifelt das. Ich höre es an Eurer Stimme.

      Kommt schon, Kormund, alter Freund, wir sind schon zusammen geritten.

      Also zögert nicht, Eure Gedanken frei auszusprechen.«

      »Wir fanden keine seiner Waffen.«

      »Verstehe.« Garodem erhob sich aus seinem Stuhl und begann im Raum

      auf und ab zu gehen. Dabei legte er seine Hände auf dem Rücken zusammen

      und schien schon kurz darauf vollkommen in sich versunken zu sein. Es war

      dies eine Eigenheit des Pferdefürsten, wenn er sich intensiv mit einem

      Problem befasste, und für Kormund war es ein gutes Zeichen, zeigte es ihm

      doch, dass Garodem den Tod des Boten als ebenso bedrohlich empfand wie er

      selbst. Garodem hielt für einen Moment inne. »Ihr seid Euch absolut sicher,

      dass es ein Mann der Wache des Königs war? Kein Geächteter oder Räuber?«

      »Es war ein Mann Theo …«

      »Nicht den Namen, Kormund«, unterbrach Garodem ihn mit ungewohnt

      scharfer Stimme.

      Kormund räusperte sich und nahm einen erneuten Schluck, um seine

      Verlegenheit zu verbergen. »Es war ein Mann des Königs, mein Herr. Der

      Harnisch seiner Leibwache und der goldene Saum am Umhang …«

      »Ich verstehe.« Garodem nahm seine Wanderung wieder auf.

      Kormund verstand den Zwist nicht, der Garodem noch immer von seinem

      Bruder, dem König der Pferdelords, fernhielt. In ihrer Jugend sollten die

      Brüder unzertrennlich gewesen sein, bis irgendetwas dazu geführt hatte, dass

      die beiden in einem heftigen Streit auseinandergegangen waren. Sein Bruder,

      der König, hatte Garodem daraufhin die Hochmark übergeben, und dieser war

      mit seinem Gefolge in das Hochland gezogen. Vielleicht wussten die Brüder

      inzwischen selbst schon nicht mehr, worum es bei ihrem Streit gegangen war,

      aber eine weitere Eigenheit Garodems wurde dadurch augenfällig – seine

      unglaubliche Sturheit, wenn er erst einmal einen Entschluss gefasst hatte.

      Garodem hatte den Kontakt mit dem Königshaus vollkommen

      abgebrochen und sich auf den gelegentlichen Handel mit den anderen Marken

      des Landes der Pferdelords beschränkt. Seitdem durfte niemand mehr den

      Namen seines Bruders oder seines Amtssitzes aussprechen. Dennoch war und

      blieb er ein Pferdelord und dem König treu, was auch die Einrichtung der

      Signalfeuer bewies.

      Auch Garodem schien in diesem Augenblick an die Signalfeuer zu denken.

      »Wenn er in Schwierigkeiten ist und Hilfe braucht, dann wird sich die

      Hochmark nicht verweigern«, knurrte er und sah Kormund an. »Wir sind und

      bleiben Pferdelords und stehen zusammen. Er wird mich nicht umsonst um

      Hilfe bitten.«

      Garodem verharrte neben seinem Schreibtisch und blickte auf die

      Landkarte, die an einer Wand des Raumes aufgespannt war. Sie war aus

      bestem Pergament und sorgfältig bemalt und geölt worden, um sie

      witterungsbeständig zu machen. Sie zeigte die Marken des ganzen Landes,

      doch der Name der Hauptstadt war sorgsam übermalt worden. Garodem

      führte seinen Finger auf der Karte entlang, und Kormund erkannte, dass der

      Finger den Positionen der einzelnen Signalfeuer folgte.

      »Hat das Feuer gebrannt?« Garodem sah Kormund

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