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Heden, die Hauptstadt der Südmark, war die letzte Siedlung unseres Volkes. Vor zwei Zehnteltagen haben wir den Fluss Rorin überquert. Seitdem sind wir im Reich von Alnoa.“

      „Verdammt“, brummelte Hendur, „das hättest du uns auch sagen können.“

      „Ist es von besonderer Bedeutung?“

      „Na, das will ich wohl meinen.“ Der Unterführer drehte sich im Sattel und löste die Riemen seines Harnischs. „Wir sind jetzt in einem fremden Land. Befreundet, aber dennoch fremd. Da sollten wir einen guten Eindruck machen, wenn wir als Beritt unseren Pferdefürsten begleiten.“

      „Lass es gut sein.“ Nedeam ließ Duramont ein wenig zurückfallen, sodass er zwischen den beiden Freunden ritt. „Wenn wir in Nerianet einreiten, dann erwarte ich, dass der Beritt makellos aussieht. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Die Waffenübungen werden dort noch anstrengend genug, bis dahin können wir die Männer schonen.“

      Nedeam trabte wieder an die Spitze, um seine Rührung zu verbergen. Die Kämpfer der Hochmark hatten ihm immer Respekt und Freundschaft entgegengebracht und er erwiderte dies von Herzen. Doch ihm war nicht bewusst gewesen, welche Bedeutung es für die Pferdelords hatte, dass er, Nedeam, nun ihr Pferdefürst war.

      Die Handelsstraße folgte dem natürlichen Verlauf der Landschaft und war noch vor der Zeit des ersten Bundes angelegt worden. Sie war breit genug, um zwei Fuhrwerke nebeneinander passieren zu lassen, und vollständig mit Steinplatten ausgelegt. Randsteine verhinderten, dass sich diese Platten zu sehr verschoben. Dennoch ließ sich nie verhindern, dass sich die Natur ein Stück von dem zurückholte, was ihr der Mensch entrissen hatte. Obwohl die Straße häufig benutzt wurde, wuchsen Grasbüschel in den Fugen, und an einigen Stellen hatten sogar kleine Büsche Wurzeln geschlagen. Nedeam hatte solche Straßen schon oft genutzt und kannte die sanften Wellen, in denen sich Steinplatten und Erdreich aneinander anpassten.

      Die Straßen dienten dem sicheren Transport von Waren und der schnellen Bewegung von Fußtruppen, die auf den festen Steinplatten nicht so sehr von schwerem Wetter und aufgeweichtem Boden behindert wurden. Abgesehen von gelegentlichen Streifen der Pferdelords oder der Garde, welche die Handelswege gegen Raubgesindel sicherten, gab es allerdings keine Truppen, welche hier unterwegs waren. Dafür hatte die Anzahl der einzeln fahrenden Händler und Handelskarawanen deutlich zugenommen. Nedeam und seine Männer waren auf ihrem Weg schon manchem Fuhrwerk begegnet und sogar einer kleinen Herde Hornvieh, die den weiten Weg von der Westmark in das Reich Alnoa getrieben wurde.

      Die Straßen waren Lebensadern des Handels und somit von großer Bedeutung für die Reiche der Menschen und die Kristallstädte der Zwerge. Immer wieder wurden die Wege überprüft und ausgebessert, denn Schäden an der Straße konnten leicht zu Schäden an Fahrzeugen und deren Ladung führen.

      Der Beritt erreichte die Kuppe eines Hügels.

      Auf der anderen Seite war Bewegung auf der Straße zu sehen. Eigentlich keine wirkliche Bewegung, sondern eher eine Ansammlung von Menschen, Tieren und Fahrzeugen.

      „Eine Handelskarawane auf dem Weg nach Süden“, meinte Herklund. Er senkte den Kopf ein wenig, sodass ihn der Stirnschutz des Helms gegen das grelle Sonnenlicht schützte. „Von hier aus kann ich die Handelszeichen der Wagen nicht erkennen, aber ich denke, sie kommen aus einer unserer Marken.“

      „Ich bewundere deinen Scharfsinn, alter Freund“, bekannte Hendur ironisch. „Ich brauche kein Handelszeichen zu sehen, um das zu wissen. Einige der Begleitreiter tragen die grünen Umhänge von Pferdelords.“

      Herklund schnaubte leise. „Mein Fehler. Ich habe zu sehr auf die Wagen und zu wenig auf die Bewaffneten geachtet.“ Er wandte sich im Sattel um. „Richtet die Formation aus, Schwertmänner der Mark. Lasst die Harnische am Sattel, aber setzt euch gerade. Da vorne sind andere Pferdelords und sie sollen kein schlechtes Bild von der Hochmark und ihrem Pferdefürsten bekommen.“

      „Es scheinen Wagen verschiedener Händler zu sein“, vermutete Herklund, während der Beritt langsam näher trabte. „Ich frage mich nur, warum sie hier herumstehen und was all die Aufregung soll.“

      „Was soll es schon bedeuten?“, erwiderte Hendur. „Sie stecken in irgendwelchen Schwierigkeiten. Händler stecken immer in irgendwelchen Schwierigkeiten. Und gleich, welche Schwierigkeit es auch sein mag, sie dient ihnen immer als Vorwand, die Preise für ihre Waren zu erhöhen. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass sie mitten auf der Handelsstraße lagern.“

      Der Handelszug bestand aus wenigstens zwanzig schweren Fuhrwerken. Einige waren mit Planen abgedeckt, andere hatten hölzerne Aufbauten. Sie alle waren darauf ausgelegt, große Gewichte und Mengen zu transportieren. Nedeam sah ein paar Fahrzeuge mit den alten Scheibenrädern. Die meisten verfügten jedoch über die Speichenräder, die man in der Hochmark erfunden hatte. Der einstige Holzmangel hatte zur Entwicklung dieser leichten Bauweise geführt. Die Frachtwagen wurden von Hornvieh oder Pferden gezogen. Eine ansehnliche Herde graste ein Stück abseits der Straße, bewacht von Männern mit den grünen Umhängen der Pferdelords.

      An den Wagen herrschte ein buntes Gewimmel von Händlern und Gehilfen, deren Stimmen erregt durcheinander schwirrten. Manche nutzten die Gelegenheit, um sich zu stärken, oder schafften es trotz des Lärms, ein Nickerchen zu halten. Letzteres verwunderte keinen der Pferdelords. Die meisten hatten sich die Fähigkeit angeeignet, auf langen Ritten auch im Sattel zu schlafen, sofern sie einen wachsamen Freund neben sich wussten.

      Die Kleidung der Männer und Frauen des Handelszuges war sehr unterschiedlich, was Qualität und Gestaltung anbelangte. Die Männer aus den Marken des Pferdevolkes waren an Hose und Wams zu erkennen. Die aus den Provinzen Alnoas trugen ein eng anliegendes Beinkleid und darüber ein lose fallendes Gewand. Die Witterung im südlich gelegenen Königreich war entschieden wärmer als jene im Land des Pferdevolkes. Zwei, drei Männer trugen schlichte Kutten, die aus den Resten verschiedener Tücher gefertigt waren. Diese Kleidungsstücke waren einfach zu nähen und wurden gelegentlich vom einfachen Landvolk geschätzt.

      Überraschung machte sich breit, als man am rechteckigen Banner erkannte, dass sich ein Pferdefürst näherte. Nedeam wurde respektvoll gegrüßt oder einfach neugierig angestarrt, während er mit seinen Männern an den Wagen vorbeiritt, um zur Spitze des Zuges zu gelangen. Dort musste sich die Ursache für den Halt befinden.

      Die vorderen Fuhrwerke zeigten das Speichenrad-Zeichen des Handelshauses Helderim.

      „Helderim“, brummte Scharführer Herklund. „Ich hätte es mir denken können. Wenn es um Handel geht, hat der kleine Kerl seine Finger überall drin.“

      Der kleine und sehr schmächtige Mann hatte als Ladenbesitzer in der Hochmark begonnen. Er versuchte nie, seine Kunden zu übervorteilen, und dies hatte ihm einen ausgezeichneten Ruf, aber wenig Vermögen eingebracht. Der Überfall der Orks auf die grüne Kristallstadt der Zwerge änderte das. Helderim wurde nie müde, diese Geschichte zu erzählen, doch war das auch verständlich, denn auf ihr und seiner Findigkeit, beruhte der inzwischen erworbene Reichtum.

      Die Orks hatten sehr lichtempfindliche Augen, und der Schwarze Lord hatte einen hinterlistigen Plan ersonnen, sie gegen das Sonnenlicht zu schützen. Ein grauer Magier war als Händler getarnt in der Hochmark erschienen und hatte von den dortigen Schmieden kleine recheckige Rahmen anfertigen lassen. Angeblich als Schmuckstück für die feinen Damen Alnoas gedacht, sollten sie in Wahrheit als Fassung für feine Scheiben schwarzen Kristalls dienen. An den Kriegshelmen der Orks befestigt, sollten sie deren Augen vor zu grellem Licht bewahren. Um diesen Lichtschutz zu erlangen, ließ der Herr der Finsternis die Zwerge überfallen und zwang sie zur Sklavenarbeit, damit sie die begehrten Kristallscheibchen herstellten. Nedeam und die Pferdelords vereitelten die Umsetzung des Plans und Helderim war der Nutznießer daraus. Er erkannte, dass man zwei der Rahmen aneinanderheften konnte und, wenn man sie mit den schwarzen Scheibchen versah, einen perfekten Blendschutz gegen die grelle Sonne erhielt, der auch den Menschen von Nutzen war. Zudem fand er heraus, dass bestimmte Kristalle, wenn man sie richtig schliff, eine vergrößernde Wirkung besaßen. Bald waren Helderims Vergrößerungssteine über die Grenzen hinaus bekannt und begehrt.

      Inzwischen hatte der kleine Mann, wohl mit zwergischer

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