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Stoff undefinierbar schienen und die so typisch für die fantasiefreie Ausstattung von Schiffen der Flotte war. Das hölzerne Regal quoll über vor Schriftrollen und Büchern. Überwiegend leichte Literatur, wie Hones sie bevorzugte, und darunter waren, versteckt in der zweiten Reihe, auch einige der neuen, frivoleren Werke.

      Der zierliche Schreibtisch hatte tatsächlich an Bord eines Schiffes gestanden, seines Schiffes. Hones hatte seine Verbindungen spielen lassen, damit man ihn aus dem gesunkenen Wrack holte. Sein Adjutant war strengstens angewiesen, die Algenflecken nicht zu beseitigen, die sich auf der ansonsten makellosen Oberfläche abzeichneten. Feder, Schreibflüssigkeit und Papier lagen in exakter Ausrichtung auf der Platte. Einziger Schmuck war ein Modell seines einstigen Schiffes, welches ihm die Besatzung geschenkt hatte.

      Der Stab, mit dem Hones sich in Nerianet begnügte, war klein, aber kompetent.

      Hauptmann Jalat ta Ganor war Hones Stellvertreter. Ein erfahrener Offizier, der viele Streifen ins Feld geführt und manchen Kampf ausgetragen hatte. Er besaß ein Ohr für die Nöte der einfachen Soldaten und hielt ein Auge auf den Lagerverwalter. Jalat verfügte über ein angeborenes Talent dafür, die Anordnungen von Vorgesetzten so auszulegen, dass sie weise und praktikabel erschienen. Kurzum, seine Erfahrung glich die Unerfahrenheit des Kommandanten aus, wenn es um die Belange des Landkrieges ging. Jalat war von normaler Statur und trug den üblichen Oberlippenbart der Hochgeborenen. Die graublaue Uniform des Reiches Alnoa saß an seinem Leib, als sei sie speziell für ihn entworfen worden.

      Erlond ta Korom schien zunächst nur wenig mit dem Hauptmann gemein zu haben. Er kam aus dem Mannschaftsstand und gehörte zu den wenigen Personen, die es geschafft hatten, durch Erlass des Königs in den Stand der Hochgeborenen erhoben zu werden. Hierzu hatte es einer selbstmörderischen Heldentat und der zufälligen Gegenwart des Gardekommandeurs ta Enderos bedurft. Der hatte es sich nicht nehmen lassen, den damals Schwerverwundeten nach dessen Genesung dem König vorzustellen. Erlond hinkte noch immer ein wenig und durfte sich nunmehr Erlond ta Korom nennen. Er war froh, in Nerianet dienen zu können. Als frisch beförderter Hochgeborener war er aufgrund seiner Heldentat in Alneris herumgereicht worden und hatte dabei den Neid und die Missgunst vieler gebürtiger Adliger gespürt. Er war der falschen Freundlichkeiten oder offenen Feindseligkeiten überdrüssig und sehnte sich bald nach dem Dienst in einem Grenzregiment zurück. Erlond ta Korom empfand kein Verlangen nach neuen Heldentaten und hatte sich bislang als umsichtiger Offizier bewährt.

      Selverk war kein Adliger und kein Offizier.

      Im Gegenteil, er hätte es als Beleidigung empfunden, mit einem Offizier verwechselt zu werden. Er pflegte seine goldenen Schüsselchen auf ehrliche Art und durch harte Arbeit zu verdienen und gehöre nicht zu „jenen“, die ihren Ruhm auf Kosten armer Gardisten suchten.

      Selverk war Regimentsunterführer des ersten Gardekavallerieregiments und ein strenger Zuchtmeister in der Ausbildung. Seine raue und doch herzliche Art machte ihn bei den Männern beliebt, zumal er stets dafür sorgte, dass „der Dung nicht bis zu den Hochgeborenen stieg“. Benahm sich einer der Soldaten daneben, regelte Selverk das hinter den Ställen, bevor einer der Offiziere davon erfuhr. So mochte der betreffende Soldat ein paar blaue Flecken erhalten, entging aber Disziplinarstrafe oder Soldentzug, wie es in der Garde üblich war. Diese Eigenschaft Selverks wurde allerdings nur selten gefordert, denn die Regimenter der Gardekavallerie galten nicht umsonst als Elite. Ihre Gardisten verfügten über einen sehr ausgeprägten Gemeinschaftssinn. Wenigstens jene, die Schulter an Schulter gegen den Feind gestanden hatten. In letzter Zeit gab es viele neue Rekruten, was den Unterführer mit einer gewissen Sorge erfüllte. Natürlich musste er „die Neuen“ nicht selbst ausbilden. Dafür gab es die anderen Unterführer. Aber Selverk war verantwortlich für die Ergebnisse und der neue Kommandant hatte ihn zusätzlich mit der Beaufsichtigung der Handwerker betraut, die noch immer in der Festung arbeiteten. Selverk war groß, hager und verdeckte mit seinem buschigen Vollbart eine Narbe am Kinn.

      Der morgendliche Rundgang durch Nerianet war ein festes Zeremoniell, bei dem die anwesenden Truppen inspiziert und Fortschritte oder Mängel an der Festung festgestellt wurden. Danach besprach Hones ta Kalvet gewohnheitsmäßig mit seinem kleinen Stab, was am jeweiligen Tag zu bewältigen war. Bei der Gardekavallerie verliefen solche internen Besprechungen normalerweise in einem eher zwanglosen Rahmen, doch der einstige Kapitän hatte einige Gewohnheiten seiner einstigen Schiffsführung beibehalten. So standen nun die beiden Hochgeborenen und der Unterführer in tadelloser Respekthaltung vor Hones, der hinter seinen Schreibtisch getreten war und unruhig auf und ab ging. Drei Schritte vor und drei Schritte zurück, wie es den Abmessungen einer Kapitänskajüte entsprach, obwohl der Dienstraum der Kommandantur weit größer war. Eine alte Gewohnheit, die Hones nicht überwinden konnte.

      Die Männer kannten diese Eigenheit und warteten ab, bis der Festungskommandant seinen Marsch am Fenster beendete und in den Innenhof hinuntersah. Man kannte die Kurzsichtigkeit des Adligen und keiner der Männer ging davon aus, dass Hones etwas, auch nur irgendetwas, auf dem Innenhof erblicken konnte.

      Schließlich legte Hones ta Kalvet die Hände auf dem Rücken ineinander, wandte sich um und blickte die Männer eindringlich an. „Ich bin nun seit zwei Monden der Befehlshaber Nerianets. Ein Kommando, welches mich mit Stolz erfüllt. Mit Stolz, meine Herren, und zugleich mit Sorge. Disziplin, meine Herren, Disziplin ist es, welche die Stärke Alnoas ausmacht. Disziplin und makellose Waffenbeherrschung. Davon ist die Besatzung Nerianets noch weit entfernt, sehr weit entfernt, meine Herren. Ist Euch aufgefallen, wie ungleichmäßig die Reihen der Männer ausgerichtet waren? Ah, wahrhaftig, dergleichen würde auf einem Schiff der Flotte Seiner Majestät niemals vorkommen. Wart Ihr einmal auf einem Schiff Seiner Majestät, meine Herren? Es bewegt sich auf den Wellen des Wassers, meine Herren, auf den Wellen. Ihr solltet einmal sehen, wie eine Abteilung echter Seefüße antritt. Perfekter Gleichklang, meine Herren, wahrhaftig perfekt.“ Hones wippte leicht auf den Fersen. „Der perfekte Gleichklang vieler Menschen zeugt von ihrer Harmonie. Harmonie, meine Herren, und an der fehlt es in Nerianet noch beträchtlich.“

      Das Gesicht von Regimentsunterführer Selverk blieb unbewegt, doch Hauptmann Jalat ta Ganor räusperte sich. Hones sah ihn auffordernd an. „Ihr seid anderer Meinung?“

      „Selbstverständlich nicht“, behauptete Jalat und zeigte ein betrübtes Gesicht. „Doch ich gebe zu bedenken, was man den Männern abverlangt. Ein Drittel des Regiments besteht aus neuen Rekruten, die aus allen Provinzen des Königreiches kommen und deren Ausbildung noch eine ganze Weile dauern wird. Zugleich muss das Regiment jedoch seinen regulären Dienst versehen und die Region des Spaltpasses bestreifen.“

      Hones‘ Gesicht nahm einen abweisenden Ausdruck an. „In der Mannschaft eines Schiffes gibt es auch immer neue Seeleute, Hauptmann. Deswegen hält ein Schiff jedoch nicht an. Im Gegenteil, gerade die Tatsache, dass es sich bewegt, zwingt die Besatzung zur Harmonie.“

      Selverks Bart bewegte sich ein wenig, als er mit den Kiefern mahlte. Der direkt neben ihm stehende ta Korom glaubte, die geflüsterte Bemerkung „Verdammter Seefuß“ zu hören, war sich jedoch nicht sicher.

      „Kümmert Euch darum, dass der Ausbildungsstand besser wird, Hauptmann“, fuhr Hones fort. „Vor allem der Gebrauch der Bögen lässt zu wünschen übrig.“

      „Schwert und Lanze sind die Waffen der Gardekavallerie“, warf nun Selverk ein und sah den Kommandanten finster an.

      Bevor der Kommandant antworten konnte, kam ihm ta Korom zuvor. „Sie waren es, Unterführer. Im Kampf um die Hafenstadt Gendaneris hat sich gezeigt, dass die traditionellen Waffen ihre Schwächen haben. Als die Korsaren die Stadt besetzt hielten, da waren es die Bögen der Pferdelords, die der Garde einen Weg hinein öffneten.“

      Hones ta Kalvet nickte. „Wir haben keine Fußtruppen in Nerianet, Unterführer. Eine deutliche Schwäche, meine Herren, eine deutliche Schwäche. Obwohl ich ansonsten nichts von Fußlatschern halte, so sind sie doch als Bogenschützen tauglich. Und um die Mauern zu besetzen, braucht es Bogenschützen. Wie ich schon sagte, wir haben hier keine Fußgarde und somit auch keine Bogenschützen, meine Herren. Daher werden wir uns behelfen, bis man uns Fußgarden zuteilt. Ihr kennt den Erlass des Kronrates, Unterführer. Ein Drittel jedes Beritts muss am Bogen geschult sein und ihn mit sich führen.“

      Selverk

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