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      über die Tageswenden bleiben?«

      Das war ein verlockendes Angebot. Es gab nicht oft die Gelegenheit, in der

      Gemeinschaft eines größeren Weilers zu feiern, und eigentlich nutzten die

      Menschen des Pferdevolkes jede Möglichkeit zu geselligem Beisammensein.

      Viermal, zwischen den einzelnen Jahreszeiten, traf man sich in den Weilern

      oder in der Stadt Eternas zum Handel, und dann gab es immer Musik und

      Tanz, Wein und Gerstensaft. Viele der Familien trieben zu diesen Anlässen

      sogar ihre Herden mit sich, um sie nicht schutzlos zurückzulassen. Der

      Pferdefürst unterstützte dies, denn er hielt es für eine gute Übung für den Fall,

      dass die Hochmark bedroht wurde und die Menschen mit ihrer Habe nach

      Eternas flüchten mussten.

      Nedeam schüttelte bedauernd den Kopf. »Habt Dank für dieses Angebot,

      guter Herr Pontim, aber wir wollen das Gehöft und unsere Schafe nicht so

      lange sich selbst überlassen. Zumal unser Zuchtbock im Augenblick

      unberechenbar ist.«

      Dorkemunt nickte. »Es ist das Alter oder die Brunft. Bei ihm lässt sich das

      nicht genau sagen.«

      Nedeam wies auf die offene Truhe. »Verzeiht, guter Herr Ältester, aber

      würdet Ihr es mir zeigen?«

      Pontim blickte unwillkürlich zur geöffneten Truhe hinüber. »Das Horn des

      Weilers?« Als Nedeam nickte, lächelte der Alte. »Natürlich zeige ich es Euch.

      Kommt um den Tisch herum, ich will es nicht aus der Truhe heben. Es ist

      schon alt und brüchig.«

      Auch Dorkemunt trat an die Truhe heran, obwohl er das Horn zuvor schon

      einmal gesehen hatte. Noch immer übte es eine Faszination auf ihn aus.

      Pontim schlug in der Truhe ein dickes Tuch auseinander, das man zum

      Schutz vor der Witterung geölt hatte. Zwischen den Falten des Stoffes wurde

      das Wahrzeichen des Horngrundweilers sichtbar.

      Es war ein sehr ungewöhnliches Horn. Rund eine halbe Länge lang, war es

      an seinem einen Ende so dick wie ein Handgelenk und verjüngte sich nach

      vorne bis auf Daumenbreite. Möglicherweise war es einmal spitz wie ein Pfeil

      gewesen, aber das ließ sich nun nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Es war

      ganz offensichtlich aus dem Material aller übrigen Tierhörner und sehr alt,

      denn Risse und Bruchstellen waren zu sehen. Die Männer des Horngrundes

      hatten es im Boden entdeckt, als sie den Weiler errichteten, und den Ort

      danach benannt. Sie hielten es in Ehren, und Pontims Aufgabe war es, das

      Horn aufzubewahren und vor Schaden zu behüten.

      »Ob es wirklich ein Horn ist?« Nedeam wollte mit den Fingern sanft über

      das Material streichen, aber Pontim hielt seine Hand fest und schüttelte den

      Kopf.

      »Nicht, guter Herr Nedeam. Es ist wahrlich alt und könnte unter der

      Berührung leiden. Ja, ich denke schon, dass es ein Horn ist, auch wenn es eine

      ungewöhnliche Form hat.«

      »Ein merkwürdiges Tier muss das gewesen sein«, brummte Dorkemunt.

      Das Horn war vollkommen gerade, dabei jedoch viele Male in sich

      verwunden, wie bei dem Gehäuse einer Schnecke. »Ein Hornviech mit zwei

      solchen Hörnern würde jedenfalls kaum durch die Talenge passen.«

      Nedeam lachte bei der Übertreibung seines Freundes auf, doch Pontim

      knurrte leise. »Redet keinen Unsinn, guter Herr. Es wird sie nach vorne

      gerichtet getragen haben. Wie jene Waldtiere aus den unteren Marken.«

      »Habt Ihr denn das zweite gefunden?«

      »Leider nicht.« Pontim schlug das Tuch wieder behutsam über dem

      Symbol zusammen. »Nicht einmal den zugehörigen Schädel. Aber beides

      muss es gegeben haben. Jedenfalls wüsste ich kein Tier zu nennen, das nur

      ein Horn am Schädel trägt.«

      Nedeam kratzte sich unsicher im Nacken. »Vielleicht war es eine Waffe,

      die jemand verloren hat. Eine Lanze möglicherweise.«

      »Wir werden es wohl nie erfahren.« Pontim schloss den Deckel der Truhe

      und richtete sich auf. »Sein Träger ist in jedem Fall schon lange tot. Vielleicht

      wissen die Herren Elfen, welches Wesen es einst trug.«

      Nedeam nickte. »Wir sollten den Hohen Herrn Lotaras aus dem Hause

      Elodarion einmal fragen, ob er ein solches Horn kennt.«

      »Wenn sich unsere Wege jemals wieder kreuzen sollten.« Dorkemunt

      seufzte. »Doch wer vermag schon die verschlungenen Pfade des Schicksals

      vorherzusagen?«

      »In jedem Fall vermag ich zu sagen, dass Ihr Hunger habt, Ihr guten

      Herren«, meldete sich die Frau des Ältesten zu Wort. »Ich kann das Knurren

      Eurer Mägen bis hierher hören. Nein, widersprecht mir nicht, Ihr Herren. Erst

      wird gegessen, dann könnt Ihr Euren Handel machen.«

      »Sie hat recht.« Pontim wandte sich zur Tür, wo nun ein Knabe erschien.

      »Geh zu Rufus und sage ihm, die guten Herren Nedeam und Dorkemunt

      wollen einen Handel mit ihm schließen. Und Ihr«, er wandte sich zu den

      beiden Pferdelords um, »werdet jetzt erst einmal ordentlich zulangen. Wir

      haben heute Morgen frisches Brot gebacken und ein Rind geschlachtet.«

      Sie saßen im Obergeschoss des Hauses in der Wohnstube der Familie, als

      unter ihnen schwere Schritte ertönten und eine kräftige Stimme nach ihnen

      rief. »Wo sind sie? Wo sind die Pferdelords, die einen Handel machen

      wollen?«

      »Sie sind hier oben, guter Herr Rufus«, rief die Frau des Ältesten. »Und

      wenn Ihr sie nicht in Ruhe essen lasst, werden sie so vom Fleisch fallen, dass

      sie nie wieder einen Handel machen können.«

      Die Schritte polterten die Treppen herauf, und das breite Gesicht eines

      stämmigen Mannes erschien. »Ah«, rief er erfreut, als er Nedeam und

      Dorkemunt erkannte. »Die guten Herren von Balwins Gehöft. Seid gegrüßt,

      Pferdelords.«

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