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unter ihrer Kontrolle haben. Die Schwarzen sollen auf immer und ewig abhängig bleiben, sie sollen auf den Knien vor ihrem ,Baas’, dem Herrn und Meister, rutschen, zu ihm aufsehen, als wäre er der liebe Gott persönlich. Sie sollen die Hiebe und das Peitschen weiter hinnehmen und ihm danken, dass er ihnen Brot und Arbeit gibt. Das ist es, warum die Schwarzen den Weißen abgrundtief misstrauen.“

      „Und was ist mit der Resolution 435?“, fragte Dr. Ferdinand. „Das nehmen die in Pretoria erst gar nicht ernst und machen sicherlich ihre Späße darüber“, antwortete Dr. Witthuhn. „Der Bure ist einfach so erzogen worden. Er nimmt es als selbstverständlich hin, dass er einem auserwählten Volk angehört mit dem Auftrag, über die Schwarzen zu herrschen, sie in die weiße ,Zivilisation’ zu führen und dort einzugliedern, wo sie in der weißen Gesellschaft hingehören, nämlich ganz unten.“ Dr. Ferdinand erwiderte: „Das hat aber mit Zivilisation nichts zu tun, wenn sie die Schwarzen wie Sklaven behandeln und sie nach Strich und Faden ausbeuten.“ Dr. Witthuhn, Sohn eines Missionars und in der Kap-Provinz geboren, referierte nun ausführlicher aus der Geschichte der Buren: „Als es den protestantischen Weißen im Frankreich des vierzehnten Ludwigs schlecht ging, da ihnen wegen ihres reformierten Glaubens die Menschenrechte aberkannt wurden, verließen sie das Land und kamen als Hugenotten, was so viel heißt wie ,Menschen in Not’, ans Kap. Andere emigrierten nach Preußen, denen der Preußenkönig zum reformierten Glauben auch das Wohnrecht einräumte. Diese Menschen in ihrer Glaubens- und Rechtsnot kamen mit Frauen, Kindern und wenig Habe ans Kap. Dort siedelten sie sich an, versuchten das Glück des Lebens mit ihrem reformierten Glauben noch einmal, bauten die Kirche zum Beten und strichen sie innen und außen weiß an, damit es auch mit dem Beten stimmte. Ihnen sagte das milde Klima zu, das sie noch aus Frankreich kannten. So entschieden sie sich für das fruchtbare Land, das sie den ,Khoi-khois’ (Hottentotten) buchstäblich wegnahmen, als sie die eigentlichen Landbesitzer aus ihren Hütten und von ihren Feldern und Weidegebieten vertrieben, wobei sie außer dem Beten auch von Knüppeln, Stöcken, Peitschen und französischen Karabinern Gebrauch machten, um bei der Landbesetzung keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, was sprachlich wie zeichensprachlich durchaus möglich war. So gruben sich die Menschen aus der französischen Not im fruchtbaren Boden am Kap ein, brachten mit ihrem Eintreffen gleich die Ureinwohner und vorherigen Landbesitzer in afrikanische Not und hielten seitdem am guten Boden fest. Der Boden war so fruchtbar und weit, dass die eingewanderten Weißen aus Frankreich dem Kap den Namen ,Kap der Guten Hoffnung’ gaben, was später mit dem Aufkommen der Sprache des Afrikaans ,Kaap van die Goeie Hoop’ hieß. Die Ureinwohner konnten es nicht glauben. Dafür glaubten die Buren fester an das gute Land. Erzbischof Desmond Tutu, Friedensnobelpreisträger 1984, brachte die Landsituation auf den historisch-religiösen Punkt: ,Als die Weißen kamen, hatten sie die Bibel in der Hand, und wir hatten das Land. Danach hatten sie das Land und wir die Bibel. Vielleicht haben wir das bessere Los gezogen.’ So war das Erste die weiß gestrichene Kirche mit dem calvinistischen Glauben. Doch das Zweite kam sogleich mit dem fruchtbaren Boden. Da unterjochten diese Glaubensbrüder die ,Khoi-khois’, die ,Abathwas’ (Buschmänner) und die später hinzugezeugten ,Cape-coloureds’ (Kinder weißer, portugiesischer und holländischer Einwanderer und eingeborener Frauen), machten sie land- und rechtlos und verdingten sie zur Feld- und Sklavenarbeit. Bei den Landenteignungen schreckten die calvinistischen Brüder in keiner Weise vor der Gewaltanwendung zurück. Im Gebrauch von Handfeuerwaffen waren sie europäisch geübt. Da hatten die Einheimischen, die auf den Boden ihrer Väter vertrauten, den Weißen nichts entgegenzuhalten. Das Flehen und Reden der Frauen und Mütter mit den verängstigt weinenden Kindern ließen die calvinistisch reformierten Glaubensbrüder ebenso wenig gelten wie die verzweifelten Verteidigungsversuche ihrer Männer und Väter. Das stieß auf taube Ohren und eiserne Herzen. Es half nichts, sie alle wurden vertrieben. Im Falle der Notwehr wurden die Männer vor den Augen ihrer Frauen und Kinder zusammengeschlagen und ausgepeitscht, an Händen und Füßen gefesselt und abtransportiert, wo dann andere Foltermaßnahmen zum Zuge kamen. Da kannten die Weißen kein Erbarmen, mit denen der vierzehnte Ludwig in Frankreich auch kein Erbarmen hatte. Es war die Enthüllung der Apokalypse von weißer Hand mit Knebelung und Wehrlosmachen der anderen Hände, die schwächer, recht- und besitzmäßig ohnmächtig waren. So war es verständlich, dass die Weißen auf den Willkommensgruß der Schwarzen (wie absurd!) nicht erst warteten, sondern sich sogleich aufs hohe Ross schwangen, um von höherer Warte die Übersicht über die Weiten des fruchtbaren Landes zu bekommen und mit der Übersicht die Besitzübernahme zu erklären, das Land unter sich aufzuteilen und mit den weißen Siedlungen unverzüglich zu beginnen. Da war die Absicht vorgegeben, das Land den anderen so schnell wegzunehmen, dass die so schnell gar nicht denken konnten. Deshalb ging die ,Flurbereinigung’ auch zügig vonstatten, da die Vorbesitzer fluchtartig ihre Hütten verließen. Sie liefen mit ihrem Leben so schnell davon, als hätte ihnen das Land noch nie gehört. Mit der Skrupellosigkeit dieses Weitblicks haben es die Weißen zu großen Ländereien gebracht, auf denen die vormaligen Besitzer wie Sklaven die Feldarbeit verrichteten. Es war die Kolonisation, für die das Altangestammte mit der afrikanischen Tradition störte und deshalb wie ein alter Baum umgelegt wurde, wobei es eine Ehrfurcht vor der Stammesstärke und der weit ausladenden Baumkrone nicht gab. Das Alte wurde enthauptet, die alten Bäume in Bodennähe weggeschlagen und niedergemacht. Da durfte sich keiner in den Weg stellen, weil er da gleich mit niedergemacht wurde. Die Wurzeln wurden aus dem Boden gerissen und in kleine Stücke zerhackt. Das Alte mit der afrikanischen Tradition wurde unkenntlich gemacht, und wenn es verbrannt werden musste. Was einst bewundert und verehrt wurde, das gab es nicht mehr, seitdem die Weißen da waren und vom ,Kaap van die Goeie Hoop’ sprachen.“ Die Sätze des Dr. Witthuhn, der sich bei den Buren gut auskannte, hatten symbolhaften Charakter. Dr. Ferdinand hatte das Bild des weißen Drachens vor Augen, mit seinem weit aufgerissenen, gefräßigen Rachen und dem messerscharfen, blendend weißen Gebiss. Dr. Witthuhn fuhr fort: „Bald machten die weißen Siedler es ökonomisch; sie fassten die vielen kleinen ,herrenlosen’ Ländereien zusammen und machten aus einer großen Summe von kleinen Feldern eine kleine Summe von großen Farmen, auf denen die einstigen Besitzer nun als Arbeiter mit dem Recht, kein Recht mehr zu haben, für den neuen, auf dem hohen Ross sitzenden und streng herabblickenden Landlord dienten. Damit hatten die eingesiedelten Hugenotten den Beweis erbracht, dass sich ihr Glaube und ihre unbezwingbare Standfestigkeit bewährt hatten. Ihr Erfolg, der bei ihrer Skrupellosigkeit nicht ausbleiben konnte, widersprach den anfänglichen Befürchtungen. Sie dankten Gott für seinen Segen und hielten sich mit so viel gutem Land für auserwählt.“

      Dr. Ferdinand stellte sich das Leben der Ureinwohner am Kap hoffnungslos vor. Ihnen hatte man die Scholle der Vorfahren unter den Füßen weggezogen, den alten Baum ihrer Väter gefällt, zu Feuerholz zusammengehackt, oder gleich an Ort und Stelle angezündet und verbrannt. Ihre Vergangenheit wurde mit Stamm und Wurzel herausgerissen. Sie wurden ihrer Heimat beraubt und bis zur Bodenlosigkeit entrechtet. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als sich schlechter als ein Hund (der neben dem „Baas“ auf dem Beifahrersitz saß und Menschen wie sie verbellte) behandeln zu lassen, in primitiven „Squatter camps“ mit Frauen und Kindern zu hausen und sich die Willkür des ,Baas’ mit seinen gottlosen Flüchen und Beschimpfungen, dem Sklavenlohn und den Knüppel- oder Peitschenhieben gefallen zu lassen. Je mehr weiße Kirchen am Kap errichtet wurden, desto trostloser wurde das Leben für die, denen einst das Land gehörte. Sie wurden missioniert, indem die Weißen ihnen die Bibel mit dem reformierten Glauben, mit der sie einst land- und heimatlos aus Europa kamen, aufzwangen, dabei ihr angestammtes Land wegzwangen und eigentlich zwei Reformen gleichzeitig durchführten: die Glaubens- und die Bodenreform. Da gab es für sie keine Alternative mehr, als sich beiden Reformen zu fügen, wenn sie mit dem nackten Leben davonkommen wollten. Bei diesen Reformen gegen den eigenen Willen verloren die „Kap-Aborigines“ dann auch den eigenen Glauben an das Gute im Menschen und an die Rückkehr zur Scholle ihrer Geburt und Kindheit. Beides, den guten Glauben wie die geliebte Scholle, ist ihnen ganz gehörig ausgeprügelt worden. Da konnte sich keiner mehr vormachen, es gäbe noch etwas, wofür es sich zu leben lohnte. Damit sie nicht mit ihren Freiheitsgedanken umherzogen und irgendwelche Anstiftungen in dieser Richtung unternahmen, wurden sie wie beißende Hunde in „Squatter-camps“ eingesperrt, die sich in den Jahren zu stinkenden Slums der größten Armut und unglaublichsten Erbärmlichkeit auswuchsen. Dort konnte es eine normale europäische Nase mit all den Urin-, Verwesungs- und anderen Gerüchen nicht mehr aushalten. Zur weißen

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