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fasse an mein Brustbein, auf dem sich ein warmer, drückender Schmerz ausbreitet. Chris hatte gesagt, dass dies es ein Zeichen dafür ist, dass wir Seelenverwandte, sogenannte Gefährten sind, wenn es an dieser Stelle beim Gedanken an den anderen warm wird. Seufzend lasse ich meine Hand sinken und schließe meinen Wagen auf.

      „Gefällt er dir?“, will Elvira wissen und deutet auf meinen schwarzen Panther.

      Schlagartig fällt mir ein, dass ich mich noch gar nicht bei ihr bedankt habe. Ich verdränge all meine finsteren Gedanken und setze ein Lächeln auf. „Oh, ja, Elvira.“ Ich gehe um den Wagen herum auf sie zu. „Vielen Dank!“, sage ich und nehme sie in den Arm.

      Sie klopft mir auf den Rücken. „Keine Ursache. Ich habe ihn von einem Kunden bekommen“, erzählt sie und klopft nun auf das Dach des Wagens. „Aber für mich sind diese schnellen Dinger nichts, deswegen habe ich ihn für dich aufgehoben.“

      „Ich liebe diesen Wagen! Er ist der Wahnsinn!“, gebe ich zu und meine Augen strahlen, was auch ein Lächeln auf Elviras Lippen zaubert.

      „Ich dachte mir, dass er dir gefällt. Aber nun bring mich nach Hause.“

      Ich parke hinter dem Reisebüro und stelle meinen Panther an den Platz, auf dem wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Die ganze Fahrt über haben Elvira und ich kein Wort gesprochen, ich glaube, wir waren beide in unsere eigenen Gedanken vertieft. Ich dachte über Chris, die blonde Frau und das kleine Mädchen nach und welche Beziehung sie wohl zueinander haben. Außerdem sortierte ich all die Fragen, die ich meiner Tante stellen wollten. Von „Wieso bist du Parapsychologin?“, bis hin zu „Wie kriegen wir meine Mutter aus dem Wachkoma?“, und „Hast du nun Angst vor mir, weil meine Kräfte aktiviert wurden?“, war alles dabei.

      Elvira steigt aus, knallt die Tür zu und rennt beinahe auf die Hintertür des Reisebüros zu. Davon, dass sie vergangene Nacht noch von einem Dämon geschunden im Krankenhaus lag, ist jetzt nichts mehr zu sehen. Ich habe so meine Mühe, mit ihr Schritt zu halten.

      Sie schließt die Tür auf und rennt die Treppen nach oben zu ihrer Wohnung empor. Ich folge ihr, in gemäßigtem Tempo. Als ich ihre Wohnungstür hinter mir schließe, beugt sich Elvira über den kleinen Telefontisch im Flur. Sie steckt ihr Handy an ein Ladekabel und hört sich die Nachrichten vom Anrufbeantworter an. Ich gehe währenddessen in jedes Zimmer und öffne die Fenster. Die Luft wirkt staubig und abgestanden hier drinnen, als wäre seit Wochen niemand mehr hier gewesen, was ja auch der Fall ist.

      Als ich wieder zu Elvira zurück in den Flur komme, höre ich Sprachfetzen vom Anrufbeantworter. Hektische, beinahe hysterische Stimmen klagen dem Aufnahmegerät ihr Leid. Worte wie, „Werwölfe“, „Feendiebe“ oder „Horden von Vampiren“ dringen zu mir durch.

      Plötzlich stoppt Elvira die Nachrichten und legt den Kopf in den Nacken. Sie schließt ihre Augen und seufzt tief. „Oh man, da kommt eine Menge Arbeit auf uns zu. Und dabei wollte ich mich doch zur Ruhe setzen.“

      „Zur Ruhe setzen?“, wiederhole ich und lache. „Du bist doch erst fünfzig Jahre alt, oder so?“

      Elviras Kopf schnellt nach vorne und sie sieht mich finster an. „Ich bin siebenundvierzig, Kind!“

      Ich hebe abwehrend die Hände und entschuldige mich, während Elvira an mir vorbei in ihr kleines Wohnzimmer läuft. Ich gehe ihr nach und stolpere, wie fast jedes Mal, über den dicken knallbunten Teppich, den sie über den Perser gelegt hat, der den gesamten Boden des Wohnzimmers bedeckt. Elvira setzt sich auf ihre Couch, ich nehme in dem grünen Sessel mit dem kratzigen Bezug Platz und schaue ihr zu. Sie holt aus einem Zeitungsständer ein Tablet hervor und tippt wild darauf herum, wobei sich ihre Stirn sorgenvoll in Falten legt.

      „Es sind auch dutzende E-Mails eingegangen“, murmelt sie.

      Ich zucke mit den Schultern. „Nun ja, du warst ja auch schließlich knapp zwei Wochen weg. Da sammelt sich schon was an.“

      Elvira legt das Tablet auf ihre Knie und sieht mich streng an. „Ich bekomme als Parapsychologin in der Regel einen Auftrag pro Woche. Nun sind es jedoch vierzehn Nachrichten auf dem Anrufbeantworter und zwölf E-Mails!“

      „Ist doch super, das Geschäft boomt!“, sage ich und versuche zu lächeln, was unter Elviras strengen Blicken jedoch sofort wieder erlischt.

      „Du verstehst es nicht, Scarlett. Der ganze Aufruhr passiert deinetwegen!“

      Ich stutze und räuspere mich. „Meinetwegen? Was habe ich damit zu tun?“, hake ich nach und schüttle ungläubig mit dem Kopf.

      „Die neue Königin ist auferstanden und hat ihre Macht aktiviert. Sie versammeln sich und kommen, um dich zu sehen!“, sagt Elvira.

      „Wer kommt?“

      „Alle Wesen, die guten und die bösen.“

      Kapitel 3

      „Die neue Königin?“, schreie ich halb und springe auf. „Was für ein Quatsch! Sie brauchen nicht kommen, um mich zu sehen! Da gibt es nichts zu sehen!“

      Elvira schüttelt langsam mit dem Kopf und blickt zu mir hoch. „Du hast keine Wahl, Kind. Das war schon immer deine Bestimmung.“

      Ich balle die Hände zu Fäusten und spüre, wie mir schon wieder Tränen in die Augen steigen. „Das ist alles bloß deine Schuld!“, zische ich.

      „Meine Schuld?“, wiederholt Elvira und fasst sich an den Hals. „Meine Schuld? Wohl eher die Schuld deiner Mutter! Hätte sie sich nicht mit dem schwarzen König eingelassen, dann...“

      Sie bricht mitten im Satz ab und senkt den Blick.

      „Dann wäre ich nicht geboren worden, oder was wolltest du sagen?“

      „So wollte ich es nicht formulieren, Scarlett.“

      Eine Träne kullert von meiner Wange und ich wische sie hastig weg. „Aber ich bin nun mal geboren worden! So ein Pech!“, keife ich und schüttle aufgebracht mit dem Kopf. „Hättest du mir nicht dieses Buch mit diesem Spruch hinterlassen, hätte ich niemals meine Macht aktiviert, und alles wäre wie immer! Deswegen ist es deine Schuld!“

      Elvira steht auf und geht auf mich zu. Auch wenn ich mich abwende, umfasst sie meine Schulter und zieht mich zurück. „Kind, ich wollte, dass du deine Macht aktivierst.“

      Mit aufgerissenen Augen blicke ich sie an. „Wieso?“

      Sie seufzt und greift nach meinen Händen. „Scarlett, die Herrschaft des schwarzen Königs muss enden. Die magische Welt braucht eine neue Herrscherin, denn so wie es jetzt ist, kann es nicht mehr weitergehen.“

      Mir wird schwindelig und ich muss mich setzen. Ich sacke förmlich auf dem kratzig grünen Sessel zusammen und starre gedankenverloren auf den Tisch. Plötzlich bekomme ich es mit der Angst zu tun. Horden von übernatürlichen Wesen sind auf den Weg hierher und selbst Elvira erwartet von mir, mein königliches Amt anzutreten! Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich sie alle bitterlich enttäuschen werde! Sicherlich rechnen sie mit einer mächtigen Hexe. Die Tochter des schwarzen Königs stellt sich wahrscheinlich kein Wesen als dickliche Endzwanzigerin vor, die von Magie keine Ahnung hat!

      „Ich glaube, ich kann das nicht, Elvira“, sage ich und falte meine zitternden Hände.

      Elvira kniet sich neben den Sessel, legt eine Hand auf meine und drückt sie. „Scarlett, du kannst das! Das ist deine Bestimmung. Es liegt dir im Blut“

      „Oh mein Gott“, jammere ich und schlage die Hände vor mein Gesicht. In der Schule wollte ich noch nicht einmal Klassensprecherin werden, und nun soll ich über magische Wesen herrschen und meinen Vater vom Thron schubsen? Das kann doch alles nicht wahr sein!

      Mein Handy klingelt in meiner Manteltasche, während Elvira mich für einen Moment allein gelassen hat, um Tee zu kochen. Ich blicke auf das Display und sehe die Nummer von Chris darauf. Seufzend und ein wenig zögerlich hebe ich ab.

      „Ja?“

      „Scarlett,

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