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Head Game. Kendran Brooks
Читать онлайн.Название Head Game
Год выпуска 0
isbn 9783748592631
Автор произведения Kendran Brooks
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er war noch nicht zu Hause angekommen, als die ersten Fischer lärmend ins Dragon & Lyons eintraten und dort von Kevin Lindsay, dem fünfzigjährigen Wirt, herzlich und mit Vornamen begrüßt wurden.
»Und? Wie war´s diese Nacht«, fragte er, obwohl er die Antwort längst in den Gesichtern seiner ersten Gäste an diesem frühen Morgen hatte ablesen müssen.
»Daingit!«, ereiferte sich der ewig jähzornige Clyde McBain sogleich. Er war Eigentümer und Skipper der Gloria, einem kleineren Trawler, der seine Familie schon früher stets nur knapp über die Runden hatte bringen können, »nicht einmal ein halbes Hundredweight.«
Nur wer wusste, dass ein Fischerboot bei dieser See in einer Nacht Diesel für hundertzwanzig Pfund schluckte, konnte ermessen, wie gering die fünfhundert Pfund Sterling als Tagesverdienst wogen. Sein guter Freund und einziger Matrose Russell Wemyss stand neben McBain und hatte zu den Worten seines Kapitäns nur ernst, stumm und zustimmend genickt. Der Hüne mit den roten Borstenhaaren hieß eigentlich mit Vornamen Rory. Doch den hatte er wohl selbst längst vergessen, so wie alle anderen Menschen im Ort. Er fuhr seit mehr als zwei Dutzend Jahren mit Clyde McBain zum Fang aus, bekam nur unregelmäßig seinen Lohn ausbezahlt, lebte immer noch, und das mit dreiundvierzig Lebensjahren, im Haus seiner Mutter, hatte auch nie geheiratet, hätte mit seinem geringen Verdienst niemals eine Frau oder gar eine ganze Familie durchbringen können. Er war vielleicht auch nicht richtig im Kopf, der gute Russell, hatte schon als Jugendlicher die wildesten und dämlichsten Dinge angestellt, wollte sich auf diese Weise die Anerkennung und Freundschaft seiner Klassenkameraden sichern. So auch einmal im Spätherbst und mit vierzehn Jahren, als er trotz Sturmwarnung mit einem Dinghi hinaus zum Kinnard Head Lighthouse gerudert war, aufgrund einer saudummen Wette und als idiotische Mutprobe. Zwölf Fischerboote liefen damals aus, um den Jungen auf See zu suchen und zu retten. Sie fanden ihn Stunden später völlig durchweicht und vor Kälte zitternd auf den Klippen der Halbinsel, wo sein Boot aufgelaufen und zerschellt war. Sein linker Unterarm war mehrfach gebrochen. Trotzdem oder gerade aufgrund seiner großen Not grinste er seinen Rettern tapfer entgegen. Sein Vater jedoch, der damals noch lebte, schlug seinen geretteten Sohn noch am Hafen grün und blau. Erst danach fuhr er ihn ins Krankenhaus, wo dem Jungen die Brüche gerichtet und die Prellungen und Abschürfungen behandelt wurden. Die Wette um zwei Pfund hatte Russell alias Rory allerdings gewonnen. Und den Wert der von ihm entwendeten und verlorenen Jolle bezahlte er in den nächsten zehn Jahren getreulich und tapfer dem Eigentümer zurück. Denn so war Rory Wemyss nun einmal. Unsicher gegenüber allen anderen Menschen, völlig stur in seinen oft verrückten Handlungen, aber ausgesprochen willensstark, wenn es um seine angebliche Ehre ging.
Ohne dass irgendwas bestellt worden wäre, schob Kevin Lindsay den Fischern mit Ale gefüllte Gläser hin.
»Aufs Haus«, meinte der Pub-Betreiber ruhig und bestimmt, wusste er doch, dass weitere und damit auch bezahlte Gläser folgen sollten.
Nach und nach trafen die anderen Fischer ein, manche laut fluchend, andere sich mundfaul an einen der Tische setzend, alle danach dumpf brütend ihr erstes Gratis-Bier schlürfend. Kevin fand für jeden ein tröstendes oder zumindest aufmunterndes Wort, wusste um die Not eines jeden seiner Gäste, kannte sie und ihre Sorgen wohl auch weit besser als der Pfaffe des Fischerorts.
Plötzlich stieß einer, der in der langen Reihe Schulter an Schulter an der Theke mit anderen stand, zwei Worte aus, laut und voller Bitterkeit, wie ein gemeiner Fluch.
»Verdammte Beatrice.«
Alle im Pub wussten, was Aidan Munro mit seinem gehässigen Ausruf meinte. Keine Frau und auch kein Schiff, oh nein. Denn Beatrice, das war der Name des großen Windparks, den man in der Moray Firth Bucht bauen wollte. Seit mehr als einem Jahr war man daran, die Fundamente für die über hundert Meter hohen Turbinenanlagen im seichteren Meerwasser zu gießen. Vierundachtzig von diesen Monstern sollten insgesamt gebaut werden. Sie kosteten mehr als zwei Komma fünf Milliarden Pfund, würden im besten Fall 450´000 Haushalte mit unstetem Strom versorgen können.
»Verdammte Windräder«, doppelte Aidan Munro nach, auch wenn niemand auf seinen ersten Ausruf hin reagiert hatte. Grollend fügte der Fischer das hinzu, was sie alle schon so viele Male aus seinem Mund vernommen hatten, »sechstausend Pfund Investition pro Haushalt für unnützen Flatterstrom, den niemand wirklich braucht.«
Und er ereiferte sich weiter, so wie fast jeden Morgen im Dragons & Lyons.
»Und wem nützt dieser viel zu teure Strom? Etwa uns, den Fischern, deren Krebsfang immer weiter zurückgeht? Nein. Nur den reichen Geldsäcken in Edinburgh.«
Gavin McNeill, der direkt neben ihm stand, legte seine Hand, wie so oft, beruhigend auf die Schulter von Aidan Munro.
»Immerhin sollen dadurch 18´000 Arbeitsplätze entstehen, wenn man der Regierung glauben mag«, wiederholte er das, was Politiker und Energieberater ihnen immer wieder erzählt hatten.
»Und wie? In dem man zuerst unseren angestammten Broterwerb zerstört?« Aidan Munro war im Grunde seines Wesens gegen jegliche Veränderung. Immer schon gewesen. Als man nach Erdöl und später nach Gas in der Nordsee bohrte, organisierte er den Widerstand in Fraserburgh, allerdings ohne jeden Erfolg. Als später selbsternannte Umweltschützer im Städtchen auftauchten, um die Fangmethode mit den Schleppnetzen anzuprangern, prügelte er sich mit einigen von ihnen herum.
»Schon mein Urgroßvater lebte vom Fang«, war einer seiner Standardsätze, »und auch meine Enkel sollen einmal vom Kaisergranat ihren Unterhalt bestreiten.«
Das war frommer Wunsch, Starrsinn und Realitätsverlust in einem.
Doch einige der anderen Fischer wiegten zustimmend ihre Köpfe. Die ständigen Angriffe von Aidan auf die neue Technologie zeigten erste Erfolge, wenn auch eher aus Verzweiflung über die sinkenden Fangerträge als aus echter Überzeugung. Der Mensch war nun einmal so gestrickt. Man musste bloß eine Vermutung, egal wie wahrscheinlich, nur oft und laut genug wiederholen. Irgendwann schwenkte die öffentliche Meinung um. Das war immer schon so gewesen, vor allem wenn die Leute in echte Not gerieten und keinen Ausweg mehr sahen, aber auch immer dann, wenn sich viele Menschen über etwas sehr ärgerten.
Gavin McNeill, der neben Munro stand, entgegnete nichts auf die Anklagen von Aidan, denn das brachte niemandem etwas ein. Wer sich erst einmal sein eigenes Feindbild geschaffen hatte, den konnte man nicht vom Gegenteil überzeugen. Der musste mit seinem Kopf so lange dagegen anrennen, bis er von selbst aufwachte. Zudem war dem vierzigjährigen Gavin selbst bang ums Herz, wenn er an seine eigene finanzielle und berufliche Zukunft dachte. Er hatte nun mal einzig das Fischen gelernt, kannte sich mit seinem Boot, dem Fanggerät und der See bestens aus, dachte mit Grausen an den Tag, wenn sein Großvater die geliebte Fenella verscherbeln und er als einfacher Angestellter in der örtlichen Fischfabrik arbeiten musste. Falls es diese Arbeit dann noch gab.
Womöglich hatte Munro doch Recht mit seiner Behauptung, die riesigen Fundamente des Windparks beeinflussten die Meeresströmungen? Lenkten sie um und entzogen den Krebsen die Nahrungsquelle? Vom Verstand her war das unmöglich. Zu groß war die Bucht im Nordosten Schottlands, zu klein das von den Stromturbinen beanspruchte Gebiet. Und doch war es seltsam, dass der starke Schwund an Kaisergranaten fast exakt mit dem Aufbau der Anlage zusammenfiel.
Gavin trank sein erstes Glas Ale aus, bekam von Kevin Lindsay sogleich ein neues ungefragt hingestellt.
Gedämpft kamen einige Gespräche zwischen den mehr als zwei Dutzend Fischern auf. Die meisten allerdings brüteten über ihrem Bier, hingen ihren Sorgen und Gedanken nach. Denn wie sollte es weitergehen? Falls die Fangmengen sich noch weiter verminderten? Und die Banken die vergebenen Kredite samt Zinsen zurückbezahlt erhalten wollten?
»Wir sollten das mit den Fangkästen vielleicht doch ausprobieren«, warf Gavin plötzlich mutig geworden laut in die Runde. Auch jetzt nickten einige der Fischer sogleich zustimmend. Es waren die besonders besonnenen, die es gewohnt waren, Probleme ruhig anzugehen und aus eigener Kraft zu lösen. Sie suchten sich keine Schuldigen, um ihn verbal oder handgreiflich anzugehen.
»Blödsinn«, rief Aidan Munro aber auch schon wütend aus.
Er